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Reportagen & Analysen

 

SPECIAL 'Land grabbing': Blog-Beiträge

Transparenz-Übung durch 'Land Matrix'

von Uwe Hoering, Juni 2013

„Transparenz“ ist das neue Zauberwort, mit dem beispielsweise die Weltbank mit ihrer gleichnamigen Initiative der verbreiteten Kritik an großflächigen, oft ausländischen Agrarinvestitionen, aka „Land grabbing“, den Wind aus den Segeln nehmen will. Transparenz rund um die umstrittenen Investitionen in Land ist auch der Anspruch des Projekts Land Matrix Global Observatory, das unter anderem durch das BMZ beziehungsweise die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, gefördert wird. Die interaktive und partizipative Datenbank erfasst gegenwärtig 1.071 Fälle großflächiger, vornehmlich ausländischer Landnahmen seit 2000 mit einer Fläche von jeweils mindestens 200 Hektar. Und ihre gestern veröffentlichte aktualisierte Auswertung bietet eine ganze Reihe interessanter Einsichten und Erkenntnisse. Mehr 

"Land Grabbing ist kein Neokolonialismus"

Mai 2012:Der Begriff Land Grabbing hat die Diskussion über die Problematik ausländischer Agrarinvestitionen angeheizt. Im Gespräch mit Uwe Hoering geht Nele Heiland vom Geographischen Institut der Humboldt-Universität in Berlin den Ursachen und Auswirkungen nach, wobei insbesondere die Entwicklungen in Äthiopien im Zentrum stehen. Mehr

"Nur Gewinner, keine Verlierer"

von Roman Herre, FIAN, Februar 2012

Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat seine Position zum Thema Land Grabbing neu formuliert. Wird damit dem globalen Landraub der Kampf angesagt? Drei kritische Fragen des FIAN-Agrarexperten Roman Herre: Mehr

Chancen durch 'Land grabbing'

von Uwe Hoering, Oktober 2011

Der breiten und fundierten Kritik am 'Land grabbing' halten Befürworter der neuen, großflächigen Agrarinvestitionen deren angebliche Chancen entgegen. Eine davon sei die Vertragslandwirtschaft. Bauern könnten ihr Land behalten und als Zulieferer für kommerzielle Abnehmer arbeiten. In der Tat suchen Supermarktketten, Agrarkonzerne, Handelsunternehmen und Plantagenbetreiber verstärkt nach 'inklusiven Geschäftsmodellen', um Bauern effizienter in ihre Produktions- und „Wertschöpfungsketten“ einzubinden.

Das klingt für manche Bauern durchaus attraktiv: Sie bekommen für Investitionen Kredite, Saatgut, Pestizide und Dünger werden geliefert, der Absatz ihrer Produkte ist gesichert. Mehr

"Land grab": Zu Risiken fragen Sie die Weltbank

 Ein Kommentar von Uwe Hoering zum Weltbank-Bericht Rising Global Interest in Farmland, September 2010

Jetzt haben wir es sozusagen aus berufenem Munde: Das Ausmaß von „Land grabbing“ ist anscheinend weitaus größer als bislang vermutet. Allein im Jahr 2009 fanden Verhandlungen und Vereinbarungen mit privaten Investoren über 45 Millionen Hektar Land statt, über 70 Prozent davon in Afrika. Das jedenfalls steht im mit Spannung erwarteten Bericht der Weltbank (1) über das "steigende globale Interesse an Agrarland". (2) In der heftigen Diskussion um Ausmaß und Auswirkungen dieser Landübernahmen und geeignete Antworten darauf (3) kommt der Position der Weltbank als der wichtigsten Entwicklungsinstitution einiges Gewicht zu.

Der Bericht bestätigt die Befürchtungen von nichtstaatlichen Entwicklungsorganisationen, Bauernverbänden und Umweltgruppen auch in anderen Punkten: Durch Investitionen in Viehweiden oder Plantagen mit Ölpalmen gehen erfahrungsgemäß große Waldflächen verloren, ihr Beitrag zur Armutsminderung ist gering und um Kapital aufs Land zu locken, sind üppige Subventionen und Anreize erforderlich. Vor allem bevorzugen die Investoren Länder mit schwachen Landrechten, weil sich dort die Bevölkerung leichter vertreiben lässt. Risiken seien daher „immens“, räumt die Weltbank ein, um im gleichen Atemzug Zuversicht zu verbreiten: Auch die Chancen für eine nachhaltige und gerechte Entwicklung seien gut, würden doch dringend notwendige Gelder für die Landwirtschaft, der Transfer von Technologie und Wissen, höhere Produktivität und Beschäftigung winken, vor allem für Länder mit „reichlich vorhandenem und untergenutztem Land und niedrigen landwirtschaftlichen Erträgen“, also besonders in Afrika.

Gleichzeitig stellt die Bank fest, dass erst jede fünfte Vereinbarung wirklich zu landwirtschaftlicher Nutzung geführt hat. Das mag teilweise an der Kürze der Zeit liegen. Es ist aber auch ein Hinweis auf den hochgradig spekulativen Charakter dieser Landnahmen – ein Aspekt, den die Weltbank weitgehend ausblendet und unverdrossen behauptet, auch die ländliche Bevölkerung und bäuerliche Betriebe würden profitieren, zum Beispiel als Vertragslandwirte.

Ähnlich zwiespältig die Erkenntnis des Berichts, dass „starke und klare“ Landrechte notwendig sind, um gegen Risiken wie Vertreibung und Benachteiligung zu schützen. Bislang haben aber die meisten Programme, bei denen sich Regierungen und Entwicklungsinstitutionen wie die Weltbank für die Verankerung von Landrechten einsetzten, den Verlust von Nutzungsrechten an Land, Wasser und anderen Ressourcen für bäuerliche Landwirtschaft und wandernde Viehhalter eher beschleunigt oder sind wie die sogenannten „Marktorientierten Landreformen“ zum Beispiel in Südafrika gescheitert. So könnte sich die an sich richtige Erkenntnis rasch zu einer weitere Bedrohung auswachsen.

Um die Risiken einzudämmen und die vorgeblichen Chancen für die ärmeren Bevölkerungsgruppen zu nutzen, setzt die Bank auf die üblichen Instrumente – auf freiwillige Verhaltensregeln und unverbindliche Prinzipien für Investoren, auf bessere staatliche Institutionen, Gesetze und Regulierungen, auf Empfehlungen für mehr Transparenz und Beteiligung, damit zivilgesellschaftliche Gruppen und Betroffene Bescheid wissen, was Kapital und Staat im Schilde führen. Sich selbst sieht die Bank, immer um neue Aufgaben und Rechtfertigungen ihrer Existenz bemüht, dabei in einer Schlüsselrolle. Doch das sind leere Versprechungen, denn so mächtig ist die Weltbank dann doch wieder nicht, um dem Einfluss und den Profitinteressen von Agrarinvestoren Paroli bieten zu können. Und während die Chancenauswertung erst einmal auf sich warten lässt, geht die Landnahme munter weiter – mit Wissen der Weltbank um deren Risiken und Nebenwirkungen. Ihrem Rat sollte man allerdings nicht trauen. (4.400 Zeichen)

(1) World Bank, Rising Global Interest in Farmland. Can It Yield Sustainable and Equitable Benefits? Washington D.C., September 2010. www.worldbank.org.

(2) Siehe ausführlich dazu: Uwe Hoering, „Land grab“: Fluch oder Segen für den Süden? In: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E) 09/September 2010: www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org, und die Kritik von GRAIN: "Beyond the smoke and mirrors"

(3) Siehe zum Beispiel www.agrardebatte.de

Übernahme nur mit Zustimmung von globe-spotting.de

Weitere Kommentare:

Juni 2010: Die Agrarindustrie als Rettung in der Not

Ein Kommentar von Uwe Hoering, Juni 2010

Seit kapitalkräftige Investoren die Landwirtschaft entdeckt haben, freut sich die Politik. Was sie selbst jahrzehntelang versäumt hat - ein Versäumnis, das sich unter anderem darin niederschlägt, dass der Hunger in der Welt wieder zunimmt – soll jetzt die Privatwirtschaft retten. Das war auch der Tenor bei der Internationalen Konferenz: Politik gegen Hunger, die das Landwirtschaftsministerium jüngst in Berlin veranstaltete. Im Mittelpunkt stand die „Förderung verantwortlicher Aktivitäten des Privatsektors in der Landwirtschaft im Interesse von Ernährungssicherheit und Ernährung“.

Für die Agrarindustrie ist das natürlich Balsam: Vom Buhmann, der wegen land grabbing, Verdrängung der bäuerlichen Landwirtschaft und Umweltzerstörung attackiert wird, zum Helfer der Armen berufen zu sein. Der „Yes, we can“-Enthusiasmus, dass mehr Privatwirtschaft und Markt nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch gleich die armen Bauern mit aus der Misere reißen werde, feierte in Berlin fröhliche Urständ'. Industrievertreter boten sich als Anwälte der bäuerlichen Landwirte an. Jetzt müsse die Politik, so die Heilsbotschaft, nur noch auf die „Grundsätze des Privatsektors“ hören und für deren freie Entfaltung sorgen.

Die Erwartungen erinnern an die anfängliche Euphorie, als die Beteiligung der Privatwirtschaft im Wassersektor („Öffentlich-Private Partnerschaften“) als Lösung für marode öffentliche Versorgungsunternehmen vorangetrieben wurde: Private Wasserunternehmen sollten nicht nur Investitionen, sondern auch Technologie und Management bringen, und dadurch einen entscheidenden Beitrag zur Versorgung der armen Bevölkerungsgruppen mit Trinkwasser und Kanalisation leisten.

Diese Entdeckung der Landwirtschaft und der Kleinbauern verspricht allerdings nichts Gutes. Denn diejenigen, die sie „entdeckt“ haben, sind nicht an ihrem Wohlergehen interessiert, sondern zum Beispiel an dem Land, das sie nutzen. Das verspricht, als begrenzt vorhandenes „ökonomisches Gut“ immer wertvoller zu werden – viel zu schade für kleinbäuerliche Krauter. Die Entdeckung droht, wie es ja häufiger in der Geschichte vorkommt, der erste Schritt zu massenhafter Vertreibung zu sein. Im Postkolonialismus läuft das allerdings gesittet und geordnet ab, eingepackt in Leitlinien und Verhaltenskodices, transparent und partizipativ. Das Ergebnis ist dennoch meist das Gleiche: Die Slums der Städte wachsen weiter.

Indem die Politik behauptet, durch Leitlinien und Verhaltensregeln die Industrie zu einem „verantwortlichen“ Akteur werden zu lassen, gibt sie ihre eigene Verantwortung ab. Dabei ließen die Vertreter der Industrie in Berlin keinen Zweifel daran, dass ihre vorrangige Verantwortung darin besteht, höchstmöglichen Profit zu machen. Und an diesem „Grundsatz des privaten Sektors“ ist bereits der Versuch, die Industrie zur Helferin bei der Einlösung des Menschenrechts auf Wasser einzuspannen, gescheitert. Jeder, der sich in den vergangenen Jahren ein wenig mit Entwicklungspolitik beschäftigt hat, kann das wissen. Aber es ist ja so viel bequemer, die Rettung in der Not auf andere abzuschieben, auch wenn die die Not mit verursacht haben. (3.300 Zeichen)

Siehe auch den Bericht über die Konferenz: „Vereint im Kampf gegen den Welthunger“, in: Weltwirtschaft & Entwicklung

April 2010: Aus Landräubern werden keine Entwicklungshelfer

Während das Ausmaß von „land grabbing“ durch ausländische Investoren zunimmt, gibt es Vorstöße einiger Regierungen und internationaler Institutionen wie der Weltbank, einen Verhaltenskodex auszuhandeln mit einer Reihe von Grundsätzen, die die Landnahmen von einer Bedrohung in eine Chance für ländliche Entwicklung und Armutsminderung verwandeln sollen.

Ein Kommentar von Saturnino Borras Jr.und Jennifer Franco, 2010

Dieser Vorschlag einer win-win-Formel als Antwort auf den globalen Run auf Land hat eine Reihe problematischer Aspekte, die Zweifel und Besorgnis wecken sollten.

Erstens stehen Vorschläge für einen solchen Verhaltenskodex notwendigerweise im Kontext des bestehenden globalen industriellen Nahrungsmittel- und Energie-Systems und versuchen, es zu erhalten oder auszuweiten.

Zweitens geht mit den Vorschlägen die Auffassung einher, es gäbe „ungenutztes Land“, kombiniert mit der Vorstellung, das agro-industrielle System werde eine positive Rolle dabei spielen, degradiertes Land zu retten, marginales Land besser zu nutzen und Brachland zum Leben zu erwecken. Diese Annahme ist gründlich irreführend, weil darunter alles Land verstanden wird, das noch nicht durch das agro-industrielle System mit Beschlag belegt ist.

Drittens argumentieren die Fürsprecher solcher Leitlinien, dass ohne klare Eigentumsrechte an Land (die normalerweise als individuelle und private Rechte verstanden werden) das Risiko einer „Enteignung“ sehr hoch sei. Genau das gleiche Argument wird seit Jahren für die Privatisierung der verbliebenen Commons und die Formalisierung von Landrechten, die weltweit auf öffentliches Land abzielen, verwendet.

Viertens ist die Unterstellung, dass formalisierte und transparente Transaktionen zwischen „Stakeholdern“ die Lösung für die gegenwärtigen land grab-Probleme wären und damit negative Auswirkungen der Mega-Landgeschäfte zu verhindern seien, nur teilweise zutreffend. Transparenz ist nicht das Gleiche wie Rechenschaftspflicht, und transparente Transaktionen garantieren nicht notwendig Rechenschaftspflicht, erst recht nicht gegenüber armen „Stakeholdern“.

Fünftens ist ein wesentliches Element von Vereinbarungen über einen Verhaltenskodex die Freiwilligkeit. Verstöße sind schwer nachzuweisen, und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen ist unmöglich. Selbst bei formaler Einhaltung von Prinzipien wie der informierten Zustimmung durch die Betroffenen (free, prior and informed consent, FPIC) werden diese Prinzipien in der Praxis selten beachtet und umgesetzt, und um sicher zu stellen, dass sie es werden, wären viel politische Kraft, Zeit und Ressourcen erforderlich.

Sechstens ist ein Schlüsselkonzept von Leitlinien die „Partnerschaft“. Aber diese Vorstellung von Partnerschaft beruht normalerweise auf einer entpolitisierten und unrealistischen Auffassung der Beziehungen zwischen verschiedenen Akteuren, bei der leicht gegensätzliche Interessen ausgeblendet werden und versucht wird, sie als gleich stark zu betrachten. Doch diese Vorstellung, die kaum der Realität entspricht, führt sehr wahrscheinlich dazu, dass die Armen am Ende die Verlierer sind.

Kurz gesagt: Ein wesentlicher Bestandteil der Vorschläge für Verhaltensregeln ist der unkritische Glaube daran, dass formalistische und legalistische Verfahren wie eindeutigere Verträge, klare und gesicherte Eigentumsverhältnisse, transparente Verhandlungen, FPIC und Partnerschaft zwischen Staat und Zivilgesellschaft grundsätzlich gut seien. Jedes einzelne Element ist für sich genommen nicht unbedingt falsch und kann, abhängig vom Kontext, durchaus seine Vorzüge haben. Aber keines ist von sich aus geeignet zu garantieren, dass ein Ergebnis wirklich den Armen nützt.

Der Vorschlag, auf die Landnahme mit einem Verhaltenskodex zu antworten, lenkt davon ab, die eigentlichen Ursachen zu hinterfragen, also die bestehenden industriellen Produktions- und Konsumtionsmuster für Nahrung und Energie, die durch Multinationale Konzerne kontrolliert werden, und sich stattdessen auf die problematische Vorstellung eines win-win-Szenarios zu konzentrieren. Nach unserer Auffassung sind Verhaltensregeln denn auch eher dazu angetan, weiteres land grabbing zu fördern, anstatt es zu blockieren. Sie sollten deshalb nicht in Erwägung gezogen werden, nicht einmal als zweitbeste Lösung. Wir halten die Landnahme nicht für unausweichlich, sie kann verhindert werden. Und es sollten gemeinsame Anstrengungen unternommen werden, sie zu stoppen.

Um Ergebnisse zu erreichen, bei denen wirklich die Interessen der Armen im Vordergrund stehen, wäre ein Menschenrechts-Ansatz erforderlich, wozu gehört, das Recht auf Nahrung und das Recht auf Land ernst zu nehmen. Zwei zentrale Aspekte dabei sind der Schutz oder die Umverteilung von Reichtum, der durch die Verfügung über Land entsteht, zugunsten der Armen sowie die Übertragung politischer, auf dem Landbesitz gründender Macht.

Ein Menschenrechts-Ansatz stellt notwendigerweise das vorherrschende Muster der Produktion und Konsumtion von Nahrung und Energie, das die globale Landübernahme durch Investoren antreibt, in Frage, verknüpft seine Analyse mit der Dynamik von Machtbeziehungen unterschiedlicher Klassen und Gruppen in den betroffenen Gemeinschaften und lehnt Vertreibung/Enteignung ebenso ab wie die benachteiligende Einbeziehung von Armen in die neuen agro-industriellen Nahrungs- und Energie-Enklaven im Globalen Süden. Diese umfassende Herangehensweise unterscheidet sich grundlegend vom Verhaltenskodex-Ansatz, der stark durch Unternehmen kontrolliert wird und profitorientiert ist, und legt die Messlatte für die Bewertung von Verfahrensweisen und ihre Ergebnisse hoch. Wenn die Menschenrechte ernst genommen werden, könnten sie als eine Grundlage für eine radikale Kritik der Verhaltenskodex-Position dienen und eine Antwort auf den globalen land grab darstellen, die weitaus mehr Gewicht hat und wirklich im Interesse der Armen ist. (6.200 Zeichen)

Übersetzung: Uwe Hoering

Siehe ausführlich: „From Threat to Opportunity? Problems with the Idea of a „Code of Conduct“ for Land-Grabbing, a Comment by Saturnino Borras Jr. and Jennifer Franco, in: Yale Human Rights & Development Law Journal, Vol 13, 2010, pp 507-523. Download (externer link, pdf, 165 kb)

Siehe auch Thema Agrarkolonialismus: "Die neue Landnahme - Eine Entwicklungschance?", von Uwe Hoering

Juni 2009: Leitlinien für Landraub

Ein Kommentar von Uwe Hoering, Juni 2009

Es überrascht kaum, wenn Finanzinstitutionen wie die Weltbank angesichts des wachsenden Interesses von Investoren und Investment-Unternehmen an Ländereien in Afrika, Asien oder Lateinamerika nur „Entwicklungschancen“ sehen wollen - Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, Exportchancen. Die neuen gigantischen Pläne zur Landnahme sind Wasser auf die Mühlen ihrer Bemühungen, die Landwirtschaft zu kommerzialisieren und privatwirtschaftlicher Verwertung zu öffnen. „Landraub“ oder „Neokolonialismus“ kommt in ihrem Vokabular dabei nicht vor.

Um die Risiken dieser Entwicklung zu begrenzen, setzt die Weltbank ebenso wie die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO auf freiwillige Richtlinien und Verhaltensappelle. Doch damit kann nicht verhindert werden, dass zahllose kleinbäuerliche Betriebe den Investoren werden weichen müssen. Wenn Profit und Rendite locken, sind sie auf der Exit-Spur. Bestenfalls als Scheinselbständige, als abhängige Vertragsbauern, können einige von ihnen überleben.

Für die Investoren und die beteiligten Regierungen haben freiwillige Richtlinien den großen Vorteil, dass es erstens Zeit dauert, sie zu verhandeln. Zweitens ist ihre Durchsetzung ein Prozess, der noch ungesicherter ist als die Nutzungsrechte kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Damit haben sie alle Zeit der Welt, sich das Land zu holen, das sie haben wollen.

Da wundert es umso mehr, dass selbst eine nichtstaatliche Menschenrechtsorganisation wie FIAN International, die sich seit Jahren für die Landrechte von Bauern, indigenen Völkern und Hirten einsetzt, glaubt, solche unverbindlichen und auslegungsfähig formulierten Richtlinien könnten ein Instrument für soziale Bewegungen, betroffene Bevölkerungsgruppen und die Zivilgesellschaft werden, um den Anspruch auf Land und natürliche Ressourcen zu demokratisieren. Bis diese Richtlinien wirken – wenn überhaupt – gibt es keine Landrechte von Kleinbauern oder Hirtenvölkern mehr zu schützen.

(2.000 Zeichen)

Siehe dazu den Text: "Die neue Landnahme – eine Entwicklungschance?" (Download pdf-Datei 90 kb)