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4 Herausforderungen, 4 Chancen und 4 Ideen

von Uwe Hoering, November 2014

In bester Manier der Kommunistischen Partei Chinas strukturiert Francesco Rampa, Leiter des Programms Ernährungssicherheit beim European Centre for Development Policy Management (ECDPM), seinen Blog-Beitrag über Ernährung in 4 Herausforderungen, 4 Chancen und 4 Ideen für die EU. Zwar äußert er hier – von ECDPM verbreitet - seine persönliche Meinung anlässlich des Africa Day for Food and Nutrition Security und im Vorfeld der Internationalen Konferenz zu Ernährung (ICN2) in Rom. Doch der Beitrag zeigt sehr schön die Argumentation, wie gegenwärtig die Verschiebung der Diskussion weg von den Themen Hunger, Armut, Ernährungssicherheit und Verteilungsfragen hin zu ‚Ernährung’ das Einfallstor bietet für die Legitimation von Public-Private Partnerships - und für die Abdankung der Politik aus ihrer entwicklungspolitischen Verantwortung.

Auch wenn es eine persönliche Meinung ist, muss man vorweg schicken, dass das ECDPM sich selbst auf seiner Website eine „strong reputation as a non-partisan, strategic ‚think and do tank’“ zuschreibt. Mit politischen Analysen, Informationen, Forschung und Beratung für Regierungen und Nichtregierungsorganisationen sieht es sich „at the heart of transformation in international cooperation“. Finanziert von mehreren europäischen Regierungen, positioniert es sich ziemlich eng an der entwicklungspolitischen Linie der EU-Kommission.

Der neue Problemaufriss sieht so aus: „A lot is happening on food security“, konstatiert Rampa, aber es reiche nicht, mehr zu produzieren und durch Handel zu verteilen, sondern die Menschen müssten auch „gut“ essen – und damit wird der Fokus flugs verschoben auf die Fettleibigkeit der Mittelklassen. Diese Probleme „need to be tackled durch public-private partnerships (PPP)“.

 

Herausforderungen, Chancen, Ideen ....

Die vier Herausforderungen sind dann „a lot of mistrust between public and private actors“, womit Rampa nicht Wirtschaft und Politik meinen kann. Eine schwierige Aufgabe sei auch, die sehr unterschiedlichen Produktions- und Ernährungssysteme von Familienbetrieben in Afrika und globalen Konzernen für „win-win PPPs“ zusammen zu bringen. Bessere Nahrungsmittel müssten zudem erschwinglich sein, damit auch die Armen sie sich leisten können. Und schließlich müsse erst noch gezeigt werden, dass derartige PPPs über Pilotprojekte, bislang motiviert durch ‚Corporate Social Responsibility’, hinaus „are commercially sustainable and scalable.“

Hoffnung mache die aktuelle Diskussion über die zunehmende Rolle des privaten Sektors in der Entwicklung: Das sei eine der Chancen, „to modernise development cooperation“, mit „non-state actors in the lead, with governments and donors in a supporting role“. Zudem sieht er gute Ansätze bei Regierungen in Afrika, „for the private sector to be involved in policy decisions and strong mutual accountability for both public and private actors’ investments“ und „increasing attention on facilitating PPPs for development“.

Für die EU-Politik generiert Rampa daraus vier eher bescheidene, wenig strittige und entwicklungspolitisch marginale Ideen, die wohl die zukünftige „unterstützende Rolle“ illustrieren sollen: die eigenen Zusagen besser umzusetzen, beispielsweise für das Comprehensive Africa Agriculture Development Programme (CAADP), Entwicklungsgelder als „geduldiges Kapital“ zu betrachten und PPPs Zeit zu geben, sich zu entwickeln, und mehr Geld für Verbraucherbewusstsein, Technologie-Transfer und Genossenschaften auszugeben, um sicher zu stellen, dass „all operators in the value chain for nutritious products really share costs, risk and knowledge and avoid marginalisation of the weakest players“. Und überall sollen ’multi-stakeholder approaches’ am Werk sein.

 

.... und Realitäten

Schöne neue Welt der Partnerschaften, in der sich alle gemeinsam dafür einsetzen, dass alle Menschen sich gut ernähren. Mit den Realitäten in Afrika und der Entwicklungspolitik hat diese Mischung aus zu großer Abstraktion und Optimismus wenig zu tun, nicht nur, weil Rampa Regierungen zu viel (guten Willen) zutraut beziehungsweise zuschreibt. Vielmehr blendet er bei seinem Hohelied auf gute Ernährung durch PPPs wesentliche Aspekte aus:

Das ist zum einen die Rolle der Landwirtschaft, besonders der bäuerlichen Landwirtschaft, die so aufgestellt werden müsste, dass sie ihr Potential nicht nur für „gutes Essen“, sondern für Ernährungssicherheit, Armutsminderung und Entwicklung voll entfalten kann. Ob PPPs dafür geeignet sind, ist nicht bewiesen – und kann mit guten Argumenten bezweifelt werden. Klar ist dagegen, dass PPPs wie die New Alliance on Food Security and Nutrition der G7/G8-Regierungen, die German Food Partnership oder die SUN-Initiative für Ernährung, die Rampa lobend hervorhebt, Instrumente der Machtpolitik sind, um die Interessen von Konzernen der Agrar- und Ernährungsindustrie durchzudrücken, „unterstützt“ durch Regierungen und Geber. Sie sollen helfen, deren Geschäftsmodelle „wirtschaftlich nachhaltig“ zu machen und expandierend („scalable“) neue Märkte für zweifelhafte Produkte zu erschließen, unter anderem nährstoffangereicherte Nahrungsmittel.

Was hängen bleibt bei dieser eingeschränkten Fragestellung und Sichtweise ist die zentrale Botschaft: PPPs sind gut, nein, mehr noch: Sie sind die Lösung – eine simple Botschaft, wie sie in hunderten von ähnlichen Hoheliedern verbreitet wird. Regierungen und Geber können sich in dieser „modernisierten Entwicklungszusammenarbeit“ auf eine „unterstützende Rolle“ zurückziehen, während „private operators and citizens shape development“, einträchtig vereint in Multistakeholder-Dialogen. Mit der Unterstützung meint Rampa allerdings nicht etwa die tatkräftige Förderung von globaler Expansion durch Handels- und Investitionsabkommen oder die EPAs (European Partnership Agreements), noch verbindliche Regelungen für das Verhalten von Konzernen, sondern beispielsweise Verbraucheraufklärung und großzügige („geduldige“) Bedingungen bei der Geldvergabe.

Syngenta, Monsanto, BASF, Unilever, Yara und andere Konzerne der Agrar- und Ernährungsindustrie können sich über diese indirekte Lobpreisung ihrer Globalen Partnerschaften, Neuen Allianzen, Multistakeholder-Foren und CSR-Initiativen, die alle unter dem Signum PPP laufen, und die Absegnung der damit einhergehenden Abzocke von öffentlichen Geldern und der partnerschaftlichen Unterstützung bei der Eroberung neuer Märkte freuen.

Francesco Rampa, Africa Day for Food and Nutrition Security. We need to do more on nutrition, and multi-stakeholder partnerships are a key part of the solution. ECDPM, 30. Oktober 2014