Redaktionsnetzwerk Südasien, Januar 2024
Seit Jahren klagen soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Organisationen angesichts autoritärer Tendenzen über die Einschränkung ihrer politischen Spielräume. Eine Studie der Asia Foundation untermauert diese Entwicklungjetzt durch eine umfassende Befragung von Nichtregierungsorganisationen in Sri Lanka, Bangladesch und Nepal zu den demokratischen Bedingungen für Meinungsfreiheit und politische Partizipation, Protestmöglichkeiten, Transparenz staatlicher Stellen usw. Noch am besten scheint demnach die Situation in Nepal zu sein. Das Besondere dieser Befragung ist, Erfahrungen aus erster Hand und aus einem breiten Spektrum von zivilgesellschaftlichen Organisationen zu präsentieren. Übereinstimmend berichten alle, dass die Finanzierung während Corona dramatisch um 50 bis 75 Prozent gesunken sei.
Mandakini D. Surie, Sumaya Saluja and Nicola Nixon, A Glass half full: Civic Space and Contestation in Bangladesh, Sri Lanka, and Nepal. GovAsia, Issue 2.2, published by The Asia Foundation, March 2023
Redaktionsnetzwerk Südasien, Dezember 2023
Seit den terroristischen Anschlägen 2019 in Sri Lanka plant die Regierung ein Gesetz zur Online-Sicherheit. Im September 2023 legte das Ministerium für Öffentliche Sicherheit einen Gesetzentwurf vor, der darauf abzielt, Online-Kommunikation einschneidend zu regulieren, um – wie die Regierung sagt – Frauen und Kinder zu schützen, die Verbreitung von „falschen“ und „verbotenen“ Inhalten zu verhindern und Bedrohungen für die nationale Sicherheit abzuwenden. Das ohne öffentliche Beteiligung erarbeitete, komplexe Gesetz wurde Anfang Oktober ins Parlament eingebracht. Seither reißt die Kritik daran nicht ab: Mehrere Vorschriften schränken die Meinungsfreiheit und privaten Rechte schwerwiegend ein; der Präsident allein kann über die Besetzung der fünfköpfigen Regulierungskommission entscheiden; Maßstäbe für Anklagen und Bestrafung sind vage. Inzwischen hat der Oberste Gerichtshof den Entwurf auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft und die meisten Vorschläge bestätigt, dabei jedoch die menschenrechtlichen Einwände nicht ausreichend berücksichtigt. Jetzt gibt es Anzeichen, dass die Regierung einlenkt und demnächst zumindest eine umfassende öffentliche Beratung des Gesetzesentwurf organisieren könnte, die seit langem von Medienschaffenden wie der International Federation of Journalists gefordert wird.
Namashya Ratnayake and Taahira Lafir, Sri Lanka’s Proposed Online Safety Bill: Regulation, but at What Cost? Media Diversity Institute, December 9, 2023
Soorya Balendra, Falsehood vs. Free Speech: Competing Narratives of the Online Safety Bill. Groundviews, December 7, 2023
Sajini Wickramasinghe, UK and Sri Lanka: A Comparison of Two Online Safety Bills. groundviews, October 4, 2023
Redaktionsnetzwerk Südasien, August 2023
Am 9. Juli jährte sich in Sri Lanka der erste Jahrestag des historischen Volksaufstandes („Janatha Aragalaya"). Das Land war hoch verschuldet und konnte nur durch immer neue Hilfskredite von Woche zu Woche überleben, es mangelte an überlebenswichtigen Gütern, Grundnahrungsmittel wurden für arme Bevölkerungsgruppen so gut wie unerschwinglich. Die Bewegung zwang schließlich Präsident Gotabaya Rajapaksa und Premierminister Mahinda Rajapaksa aus dem Amt. Nach der Wahl von Ranil Wickremesinghe zum Staatspräsidenten am 21. Juli 2022 wurde die im Wesentlichen spontan und von unten agierende Protestbewegung zerschlagen, mit dem Internationalen Währungsfonds IIWF ein „Rettungspaket“ ausgehandelt. Die wirtschaftlichen Probleme bestehen nach wie vor, Nahrungsmittel sind überteuert, viele Kinder unterernährt und neue Sozialprogramme schließen Teile der Bedürftigen von Sozialleistungen aus. Besonders hart trifft es Frauen, die neben Reallohnkürzungen vermehrt Care-Arbeit leisten müssen. Trotz der staatlicher Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen, der Verschiebung von Kommunalwahlen und repressiver Gesetzesvorhaben versucht die Zivilgesellschaft weiterhin Druck auf die Regierung aufzubauen, derzeit hauptsächlich in Form von gewerkschaftlichen Protesten und Streiks.
Zinara Rathnayake, 15. August 2023
In Sri Lanka hungert heute fast die Hälfte der Kinder unter fünf Jahren. Eine sehr alarmierende Situation, so Unicef Sri Lanka.
Zinara Rathnayake, No milk, no eggs, small hope: fears rise for Sri Lanka’s malnourished children, in: The Guardian, August 15, 2023
Ambika Satkunathan, 31.Juli 2023
Die Militarisierung des Staates wird fortgesetzt. Gesetze wie der Bureau of Rehabilitation Act und der Anti-Terrorism Act sind eine logische Folge der Nachkriegsmilitarisierung des Nordens und Ostens Sri Lankas.
Ambika Satkunathan, Sri Lanka continues to militarise the state, despite the Rajapaksas’ fall, in: HIMĀL Southasian, July 31, 2023
Tasnim Nazeer, 12. Juli 2023
Marginalisierte und verarmte Bevölkerungsgruppen tragen die Hauptlast der Politik der früheren Regierung, unter der eine Kultur der Straflosigkeit, Korruption und Kriegsverbrechen zur Norm geworden war. Auch wenn es kaum noch offenen Protest gibt, die Forderung nach Gerechtigkeit ist ungebrochen.
Tasnim Nazeer,1 Year Later, Sri Lanka’s Struggle Continues - On the first anniversary of the people’s uprising, the spirit of dissent among Sri Lankan citizens remains strong, in: The Diplomat, July 12, 2023
Civil society statement, 23. Juni .2023
Besorgniserregend ist der anhaltende Missbrauch von Gesetzen wie des Gesetzes aus dem Jahr 2007 über den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) und dessen selektive Anwendung zur Verletzung der Meinungsfreiheit. Der Staat benutzt das ICCPR, das der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte dienen sollte, systematisch dazu Kritiker*innen und Aktivist*innen zum Schweigen zu bringen. Dagegen regt sich zivilgesellschaftlicher Protest.
Sri Lanka: Civil society statement condemning the abuse of the ICCPR Act to violate the freedom of expression, in: Sri Lanka Brief, June 23,.2023
Civicus, 7. Juli .2023
Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen äußert sich ebenfalls besorgt über die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung in Sri Lanka. Die Maßnahmen der srilankesischen Regierung ermutigten chauvinistische und gewalttätige extremistische Gruppen dazu, Einzelpersonen wegen ihrer Äußerungen ins Visier zu nehmen, zu bezeichnen und offen zu bedrohen.
Despite UN calls to protect civic freedoms, government targets activists and critics and stifles dissent – CIVICUS. In: Sri Lanka Brief, July 7, 2023
Feminist Collective for Economic Justice (FCEJ), 8. Mai 2023
Das Feminist Collective for Economic Justice (FCEJ)hat im Frühjahr 2023 Untersuchungen zu Sozialen Sicherungssystemen durchgeführt. Ein Dossier vom Mai 2023 enthält die wichtigsten Ergebnisse und gibt Empfehlungen für eine geschlechtsspezifische soziale Absicherung.
FCEJ Policy Brief, Social Protection for Sri Lanka: A Progeressive Gender Sensitive Response to the Crisis, Policy Brief
Feminist Collective for Economic Justice (FCEJ), 8. Mai 2023
Um den Überprüfungsprozess zur Identifizierung von Empfänger*innen für das von der Weltbank und dem IWF empfohlene neue Sozialhilfeprogram Aswesuma besser zu verstehen, führte das Feministische Kollektiv für wirtschaftliche Gerechtigkeit (FDEJ) in vier Bezirken - Jaffna, Batticaloa, Colombo und Kilinochchi - Befragungen durch.
FCEJ, World Bank and IMF’s targeted discourse against working poor of Sri Lanka, in: Daily FT, Sri Lanka, May 08, 2023
Hyshyama Hamin, Juli 2023
Feminismen: Die Aktivistin Hyshyama Hamin war bei ihrer eigenen Hochzeit nicht dabei. Denn das muslimische Personenstandsrecht von 1951 in ihrer Heimat Sri Lanka sieht vor, dass der Vertragsabschluss über eine Ehe Männersache ist. Deswegen gründete Hyshyama mit Gleichgesinnten die Muslim Personal Law Reform Action Group (MPLRAG), die das Gesetz reformieren will. Derzeit liegt dem Parlament eine Neuformulierung des Gesetzes aus dem Justizministerium vor, das Frauen als gleichwertige Partnerinnen bei der Hochzeit und in der Ehe betrachtet. Im Rahmen der Global Campaign for Equality in Family Law, deren Kampagnen-Managerin Hyshyama Hamin ist, finden ähnliche Kampagnen derzeit auch in anderen Ländern statt.
Hyshyama Hamin, Muslim Women’s Quest for Equality in Sri Lanka. In: The Diplomat, July 2023
Rathindra Kuruwita, 28.04.2023
Autoritarismus: In Sri Lanka gilt immer noch ein drakonisches Gesetz zur Terrorismusvorbeugung aus der Zeit des Bürgerkriegs zwischen der Sri Lankesischen Regierung und der militanten tamilischen Organisation LTTE. Die nun vorliegende Neuformulierung eines Anti-Terrorismus-Gesetzes ist jedoch nicht weniger rabiat und klingt wie eine Antwort auf die sri-lankesische Demokratiebewegung von 2022. Deren Proteste richteten sich gegen die Wirtschaftskrise und die vom IWF verordneten Sparmaßnahmen, drückten aber auch eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem politischen Establishment aus. Der zivilgesellschaftliche Widerstand artikuliert sich derzeit in gewerkschaftlichen Protesten und Streiks. Das neue Gesetz würde der Regierung eine Handhabe geben, diesen Widerstand brutal zu brechen. Der anhaltende öffentliche Widerstand sowie die internationale Kritik haben dazu geführt, dass der Justizminister den Gesetzentwurf erst einmal aus dem Parlament zurückgezogen hat.
Rathindra Kuruwita, Sri Lanka’s Proposed Anti-terror Law Makes Dissent an Act of Terror. In: The Diplomat, April 28, 2023
Siehe auch: Mass Usuf, Anti-Terrorism Bill Terrifies The Public. In: Colombo Telegraph, April 26, 2023
Feministisches Kollektiv für wirtschaftliche Gerechtigkeit, September 2022
Feminismen/Wirtschaft: Das Feministische Kollektiv gibt einen informativen Überblick darüber, welche verheerenden Auswirkungen die dramatische Wirtschaftskrise Sri Lankas in Kombination mit anhaltender staatlicher Repression gegen die Demokratie-Bewegung und den wirtschaftspolitischen Empfehlungen des Internationalen Währungsfonds hat, besonders auf die Lebenssituation von Frauen und ihre unbezahlte und bezahlte Arbeit. Link
Maya John, Juli 2022
Proteste: Maya Johns Artikel ist ein Appell an die srilankesische Protestbewegung, nach dem Regierungswechsel und der andauernden staatlichen Repression den Kampf für Demokratie nicht aufzugeben. Der neue Präsident hat unmittelbar nach Amtsantritt die Kontinuität zum vorherigen Regime gezigt, indem er das Protestcamp in Gall Face zerstören ließ. Trotzdem scheint die Demokratiebewegung entschlossen, die Kämpfe für einen Systemwechsel fortzusetzen, weil unter dieser Regierung und mit dieser Verfassung keine demokratische transformatorische Politik möglich ist.
In: Countercurrents, 24.07.2022. Link zum Text (englisch)
Ben Andak, Mai 2022
Wirtschaft/Repression: Sri Lanka verfügt über einen Militärapparat, der im Rahmen verschiedener Wirtschaftskrisen und zur Niederschlagung tamilischen Widerstands stark aufgebläht wurde. Er hilft dem autoritären Regime, einen singhalesisch-buddhistischen Staat gegen die tamilische und die muslimische Minderheit durchzusetzen.
Deutsche Übersetzung: Link
Erklärung der Gruppe zivilgesellschaftlicher Aktivist:innen "Justice for all", Mai 2022
Proteste: Eine Gruppe führender zivilgesellschaftlicher Aktivist:innen in Sri Lanka verurteilt die von der Regierung inszenierten Attacken auf zwei friedliche Protestcamps. Sie fordern wie die Protestierenden - über einen Rücktritt des Präsidenten hinaus - einen Regimewechsel mit sozialer Gerechtigkeit. Gesellschaftlicher Wandel in Sri Lanka muss von #GoHomeGota ausgehen! Diese Forderungen wurde kürzlich auch von 250 Künstler:innen aus den Bereichen Theater, Schauspiel, Tanz, Puppenspiel, Musik, Design, Fotografie und Literatur unterstützt. Beide Gruppierungen verurteilen die Gewalt von beiden Seiten und machen sich für eine Fortführung der friedlichen Proteste stark. Eine Übersetzung des Aufrufs der Gruppe Justice for All.
Deutsche Übersetzung: Link
Feminist Collective for Economic Justice, April 2022
Wirtschaft/Feminismen: Das feministische Kollektiv für wirtschaftliche Gerechtigkeit in Sri Lanka schlägt Alarm wegen der dramatischen Krise im Land. Es analysiert Ursachen und die zentrale Rolle von Frauen als Betroffene und Akteurinnen. In einem politischen Forderungskatalog benennt es Sofortmaßnahmen, um einen freien Fall des Landes in Hunger und Elend zu verhindern.
Deutsche Übersetzung: Link
Pressemitteilung des Kollektivs der von Mikrofinanzierung betroffenen Frauen, März 2022
Wirtschaft: In allen Ländern Südasiens sind Frauen wegen ihrer hohen Rückzahlungsmoral die Hauptzielgruppe für die Vergabe von Mikrokrediten. Wegen hoher Zinsforderungen geraten sie jedoch schnell in eine Verschuldungsspirale. Das ist international ein Thema, seit 2010 in Indien der Mikrokreditsektor wegen geringer Rückzahlungsquoten zusammenbrach und mehrere Frauen sich aus Verzweiflung selbst töteten. In Sri Lanka hat sich ein Kollektiv von betroffenen Frauen gebildet, das nicht nur Analysen der Mikrofinanzierung vorlegt, sondern sich weigert, Kredite zurückzuzahlen und neue hochverzinsliche Kleinkredite bei Mikrofinanzunternehmen aufzunehmen. Im Folgenden dokumentieren wir eine Pressemitteilung von Anfang Dezember 2021 und eine Erklärung anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März 2022.
Deutsche Übersetzung: Link
GRAIN, MONLAR, 21.11.2021
Landwirtschaft: Sri Lanka ist aufgrund seiner alarmierenden Wirtschafts- und Verschuldungskrise auch in eine dramatische Nahrungsmittelkrise geraten. Die Reisproduktion ist 2021 um 20 Prozent gefallen, sodass das bislang selbstversogrende Land Anfang 2022 450 Millionen $ für Reisimporte ausgeben musste. Die Produktion von Tee, dem Hauptexportprodukt des Landes, fiel um 18 Prozent. 2021 wurde diese Krise zunächst auf das Verbot von chemischen Düngemitteln durch die damalige Rajapaksa Regierung zurückgeführt. Die Regierung beauftragte die Armee, in einem Megaprojekt 25.000 Tonnen organischen Dünger zu produzieren und die Bäuer*innen bei der Nutzung unterstützen. Damit sollte sich das Militär, vor allem Soldatinnen, volksnah im Einsatz für eine „gesunde Nation“ in Kooperation mit der Zivilgesellschaft profilieren. Das internationale Netzwerk GRAIN setzt sich mit der These auseinander, dass das Verbot von Agrochemikalien der Grund für die Krise ist.
Deutsche Übersetzug: Link