Ahmed Abbas, 22.06.2022
Autoritarismus: Entsprechend dem allgemeinen Trend in der Region hat auch Pakistan die rechtlichen Mittel zur Beschränkung von Meinungsfreiheit verschärft. Die neuen Regeln für soziale Medien zur „Beseitigung und Blockierung nicht rechtmäßiger online-Inhalte“ (Removal and Blocking of Unlawful Online Content (Procedure, Oversight and Safeguards) Rules 2021’, RBUOC Rules), sind so strikt und vage, dass selbst Social Media-Konzerne dagegen protestieren. Ihr Interesse daran, ihr Geschäftsmodell gegen allzu starke Eingriffe zu verteidigen, trifft sich punktuell mit der Verteidigung von allgemeinen Rechten auf Lebensgrundlagen, Freiheit des Handels und der Berufsausübung, die in den Artikeln 9 und 18 der pakistanischen Verfassung garantiert sind. Seit der Verabschiedung der RBUOC-Regeln schwanken die Meinungen höchster Gerichte zur freien Meinungsäußerung im Internet zwischen den gegensätzlichen Polen.
In: International Bar Association, June 22, 2022
Somaiyah Hafeez, 22.03.2023
Feminismen: Auch beim sechsten Aurat-Marsch, der Anfang März 2023 von der renommierten Frauen-NGO Aurat Foundation in mehreren pakistanischen Städten organisiert wurde, wurden den Frauen viele Steine in den Weg gelegt. Stadtverwaltungen verweigerten eine Demonstrationserlaubnis, behaupteten, es gäbe ein Sicherheitsrisiko, und versperrten Straßen, während Fundamentalist*innen einen „Sittsamkeitsmarsch“ durchführen durften. Trotz der Hindernisse fanden die Märsche mit einer diversen Beteiligung statt: Frauen aus Belutschistan protestierten gegen das „Verschwinden“ von Personen, andere gegen den Klimawandel, Transpersonen forderten ihre Rechte ein. Um inklusiver zu sein, wurde in Islamabad für Frauen aus der Arbeiter*innenklasse ein besonderes Meeting organisiert, damit ihre Probleme nicht untergehen. Die Aurat-Märsche werden auch die 4.Welle des pakistanischen Feminismus genannt, weil sie patriarchale Strukturen in der Privatsphäre anprangern und sexuelle Autonomie und Selbstbestimmung über die Körper fordern. Die nächste Herausforderung ist, aus den Märschen eine feministische inklusive Bewegung zu machen.
In: The Diplomat, March 22, 2023
Interview mit Lilith Raza
Feminismen/Queer: Pakistan erkennt seit 2018 mit dem Transgender Persons Act die Rechte von trans-Personen an. Im Alltag ist allerdings davon wenig zu spüren. Queere Personen sind gefährdet, durch die eigene Familie und die aggressive Ablehnung einer breiten Öffentlichkeit, die sie ständig als Bürger*innen in Frage stellt. Lilith Raza ist in Pakistan aufgewachsen und lebt seit Oktober 2012 in Deutschland. Sie arbeitet in dem Projekt Queer Refugees Deutschland beim Lesben- und Schwulenverband Deutschland. iz3w veröffentlichte im Juni 2022 ein Interview mit ihr im Heft 390.
Ayyaz Mallick, 10.11.2022
Der abgesetzte pakistanische Regierungsschef Imran Khan versucht nach dem gescheiterten Attentat auf ihn weiterhin, die Macht wiederzuerlangen. Da das populistische Projekt Khans gescheitert ist, die traditionellen Parteien diskreditiert sind und sich im Militär Spaltungen auftun, begibt sich das Land in gefährliche gesellschaftspolitische Verwerfungen. Wegen ihrer politischen Querelen und des Machtgerangels versagen die politischen Eliten auf ganzer Linie und öffnen Räume für gewaltförmige Übergänge.
Originaltext: Jacobin, October 11, 2022
Tariq Ali, 10.11.2022
Nach dem Attentat auf den früheren Premierminister Imran Khan stellt der Autor diesen Mordversuch in die unrühmliche Geschichte von Attentaten und Morden an führenden Politiker*innen in Pakistan seit den 1950er Jahren. Diese Gewalt war schon immer systemischer Teil des brutalen Kampfes zwischen politischen Machtblöcken, wenn es um Regierungsposten und wirtschaftliche Bereicherung ging.
In: New Left Review, November 10, 2022
Bharat Dogra, 06.11.2022
Nach der furchtbaren Überschwemmung brauchen große Teile der Bevölkerung und der Regionen dringend Nothilfe. Doch seit dem Attentat auf den früheren Premierminister Imran Khan, den nachfolgenden Protesten, Vorwürfen der beiden führenden Parteien gegeneinander und Spekulationen über die Rolle des Militärs ist die politische Klasse unfähig, Rehabilitations- und Unterstützungsmaßnahmen in den Überschwemmungsgebieten zu leisten. Regierungs- und Infrastrukturen müssten von Grund auf reformiert werden, um das politische Versagen und Korruption zu überwinden.
In: Countercurrents, November 6, 2022
Tanupriya Singh, 03.12.2022
Klimakrise: Mehr als 1.700 Menschen verloren ihr Leben in den Wassermassen, die immer noch Teile Pakistan überschwemmen. Infrastrukturen und die Gesundheitsversorgung sind zusammengebrochen, Ernten ausgefallen, die Regierung ist unfähig zu effektiver Hilfeleistung. Ein Rettungsprogramm des Internationalen Währungsfonds zwingt zu Liberalisierung, Privatisierung und dramatischer Erhöhung der Lebenshaltungskosten. Mitten in dieser Krise fordern Aktivist*innen Schuldenerlass und Klimaentschädigungen.
In: Countercurrents, December 3, 2022
Shailaja Fennell, 17.11.2022
Landwirtschaft: Auf eine extreme Hitze folgte in Pakistan die katastrophale Überschwemmung – nicht zum ersten Mal. Die Zyklen von Trockenheit und Fluten werden kürzer und heftiger. Ernten werden zerstört, die Fläche bebaubaren Lands nimmt ab. Wie kann sich die Landwirtschaft davon erholen? Der Anbau von alten kleinkörnigen Getreidesorten wie Hirse wäre resistenter gegen Extremwetter als Weizen und Reis. Widerstandsfähigere Sorten, Diversifizierung des Anbaus und bessere Wasserspeicher könnten die Ernährung der lokalen Bevölkerung sichern und Hunger im Nachgang von Extremwettern vermeiden.
In: The Conversation, November 17, 2022
Faiza Ilyas & Imtiaz Ali, 12.11.2022
Arbeit und Arbeitskämpfe: Nach mehreren Tagen Protesten und Streiks der Grand Health Alliance von Ärzt*innen und Pflegepersonal in öffentlichen Krankenhäusern in Karachi und Sindh ging die Polizei mit Wasserwerfen und Knüppeln gegen die im Regierungsviertel Demonstrierenden vor. Diese hatten vergeblich eine Risiko-Zulage und andere Vergünstigungen gefordert, da sie unter Pandemie- und Überschwemmungsbedingungen arbeiten. 25 Protestierende wurden verhaftet. Zivilgesellschaftliche Kräfte verurteilten die brutale Polizeigewalt auf Schärfste.
In: Dawn, November 12, 2022
Hassaan Ahmed, 10.02.2022
Soziale Bewegungen und Proteste: Der frühere Machthaber Pakistans, General Zia-ul-Haq, verbot im Februar 1984 alle studentischen Organisationen. Bis heute lähmt dieses Verbot ihre politische Arbeit ganz erheblich. Gegen das Verbot demonstrierten Studierende, Menschenrechtsaktivist:innen, Rechtsanwält:innen und Gewerkschaftsmitglieder in Lahore am Jahrestag des Verbots im Februar 2022 und forderten eine De-Militarisierung der Universitäten Pakistans.
In: Minute Mirror, February 10, 2022