April 2015:Der Kritische Agrarbericht, der seit 1993 jährlich erscheint, hat dieses Jahr das Schwerpunktthema bäuerliche Landwirtschaft beziehungsweise "Bäuerlichkeit" als Gegenpol zu Agrarindustrie. Anlass dafür ist zum eine die Renaissance des Begriffs, nicht zuletzt getragen von der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO ("Familienlandwirtschaft"), eine "große Sehnsucht nach dem Ländlichen", wie im Editoral festgestellt wird, aber auch Versuche der Agrarindustrie, sich als Repräsentanten "der Bauern" zu profilieren. Die Grenzen verschwimmen aber auch zunehmend dadurch, dass die Produktionsketten immer weiter integriert werden und seit einigen Jahren auch in den Ländern des globalen Südens die Umwandlung der herkömmlichen kleinbäuerlichen Landwirtschaft in Zulieferer auf der einen Seite, ihre weitere Marginalisierung auf der anderen rasch voranschreiten. Eine "Selbstverständigung der Agraropposition in Deutschland", zu der der Agrarbericht beitragen will und die unter anderem auch in einem ausführlichen Diskussionspapier der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft AbL zum Ausdruck kommt, ist daher dringend notwendig. Zusätzlich bietet der Bericht ein breites Spektrum von Themen, unter anderem zur Umsetzung der EU-Agrarreform, über die drohende weitere Ausdehnung der agrarindustriellen Produktionsweise durch das Handels- und Investitionabkommen TTIP zwischen der EU und den USA, die neuerlichen Vorstöße, die Anbauspielräume für gentechnisch veränderte Pflanzen auszuweiten und die Novellierung der Düngeverordnung. Zu kurz kommen dabei allerdings die internationalen Entwicklungen im Agrar- und Ernährungsbereich, obwohl ihre Bedeutung sowohl für die agrarindustrielle Entwicklung in Europa als auch für die Perspektiven und Chancen einer wie auch immer gestalteten 'bäuerlichen Landwirtschaft' wächst. Die Wahrnehmung des Schicksals bäuerlicher Landwirtschaft im globalen Süden und des Aufschwungs politischer und sozialer Bewegungen über die Kreise der Eingeweihten aus entwicklungspolitischen oder Menschenrechtsorganisationen hinaus wäre auch für die "Selbstverständigung in Deutschland" wichtig.
Der kritische Agrarbericht 2015. Schwerpunkt: Agrarindustrie und Bäuerlichkeit. Herausgegeben vom AgrarBündnis. Hamm/Konstanz (ABL Verlag) Januar 2015