Redaktionsnetwerk Südasien, November 2023
Der bekannte Sozialwissenschaftler und Menschenrechtsaktivist Harsh Mander zeichnet ein düsteres Bild der Lage in Manipur, wo der Bürgerkrieg mit unverminderter Brutalität fortgesetzt wird. Der nordöstliche Bundesstaat ist praktisch zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen (Kukis, Meitei und Naga) geteilt. In der Geschichte wechselten sich Phasen des friedlichen Nebeneinanders und gewaltförmiger Auseinandersetzungen ab, wobei sich die Zahl militanter Gruppen in allen Bevölkerungsgruppen erhöhte. Ein Hauptverantwortlicher für die Eskalation ist nach Auffassung des Verfassers Ministerpräsident N Biren Singh (BJP), ein Verbündeter von Meitei-Militanten. Die Gewaltexplosion seit Mai 2023 folgte auf eine Ankündigung hin, die Anbaugebiete der Kuki unter Waldschutz zu stellen und die Bevölkerung selbst zu vertreiben. Die Zentralregierung Delhi und die Regierung in Manipur haben es seither versäumt, Übergriffe zu verhindern oder strafrechtlich zu verfolgen. Frontlinien und Allianzen werden immer unübersichtlicher.
Harsh Mander, Manipur: A Land of Settled Grief. The Wire, November 1, 2023.
22. Dezember 2023
Die Mehrzahl der als staatenlos identifizierten Personen in Assam sind Frauen, weil sie noch seltener als Männer offizielle Dokumente über den Aufenthalt ihrer Eltern und Großeltern in Indien vorweisen können. Wenn ein Tribunal sie mangels Papieren zu ‚Ausländer*innen‘ erklärt, werden sie in sogenannten Detention Centers interniert, selbst wenn sie schwanger sind. So sind die meisten Internierten in den Lagern Frauen mittleren Alters mit ihren Kindern. Einige waren bereits jahrelang in verschiedenen Lagern, ständig unterschiedlichen Formen physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt. Dadurch markieren die Bewacher*innen ihre Überlegenheit als indische Staatsbürger*innen an den Körpern der ‚Bangladeshi‘-Frauen und ihrer Kinder.
Deepanshu Mohan, Samragnee Chakraborty, Yashovardhan Chaturvedi, Hima Trisha M., Nitya Arora, Rieshav Chakraborty and Aman Chain, ‘I’d Cut My Saree Into Pieces to Cover My Child’: How Women Survive in Assam’s Detention Centres. The Wire, December 22, 2023
The Wire, 28.09.2023
Autoritarismus: Seit Jahrzehnten kämpfen Migrant*innen aus Bangladesh in Assam darum, Dokumente für die indische Staatsbürgerschaft zu bekommen. Unter dem Vorwand, sie seien illegal eingewandert, stufte die indische Wahlkommission 1997 mehr als 100.000 Menschen als „fragwürdige“ (doubtful) Wahlberechtigte (D-Voters) ein und behielt ihnen damit das Stimmrecht vor. Jetzt hat der autoritäre Überwachungsstaat Mechanismen geschaffen, um „undokumentierte“ Migrant*innen im Land aufzuspüren. Zudem wurden Tribunale für „Ausländer*innen“, vor allem für bengalische Muslime eingerichtet, die dabei die Beweislast für die Staatsbürgerschaft tragen. Ziel der Maßnahmen ist es, ihnen die staatsbürgerlichen Rechte zu verweigern und sie letztlich zu internieren. Viele seit Jahrzehnten in Assam lebende Zugewanderte engagieren Rechtsbeistand, um die für die Beantragung der Staatsbürgerschaft notwendigen Dokumente zu besorgen. Das wiederum scheitert jedoch häufig daran, dass eine große Zahl von ihnen in Armut lebt und sich die hohen Verfahrenskosten nicht leisten kann. Die Exklusion auf staatsbürgerlicher wie auf wirtschaftlicher Ebene gehen Hand in Hand.
For 'Doubtful Voters' of Assam, Financial Precarity Makes Citizenship Quest Doubly Hard. In: The Wire, September 28, 2023
Siehe dazu die ausführliche Analyse Pushed into the fringes of Poverty: The D-Voters of Assam, Azaad Awaaz, Vol VII, Issue
Juli 2023
Seit Anfang Mai tragen verschiedene Ethnien im nordöstlichen indischen Bundesstaat Manipur ihre Konflikte mit brutaler Gewalt aus. Anlass war, dass die Bevölkerungsmehrheit der Meitei, vorwiegend in den Tälern lebende Hindus, ebenso wie die beiden Ethnien der Kuki und Naga, die in den Bergen wohnen und mehrheitlich Christen sind, in das indische Quotensystem (‚Reservation system’) aufgenommen werden wollen. Das würde ihnen feste Anteile bei Regierungsjobs, im Parlament und im Bildungssystem sichern. Mindestens 160 Personen haben bisher ihr Leben verloren, 400 Kirchen sollen zerstört und 50.000 Christinnen und Christen vertrieben worden sein. Die Regierung in Delhi schweigt zu den Ereignissen, hat aber tausende Soldaten in die Region geschickt. Inzwischen wird aber auch heftig gegen die eskalierende Gewalt protestiert, unter anderem von Frauen. Redaktionsnetzwerk Südostasien
Manipur women rise against ethnic violence
Murali Krishnan,10. Oktober 2023
As ethnic conflict rages on in Manipur, women groups are organizing protests amid the violence between the majority Meitei and tribal Kuki communities that has claimed more than 130 lives since it first broke out in May. Women are challenging the government and security forces in India's Manipur as deadly unrest sweeps across the state. The army accuses them of aiding the rioters.
Murali Krishnan,In: Deutsche Welle, Oktober 7, 2023
Die folgenden beiden Artikel berichten, wie sexualisierte Gewalt systematisch als Waffe von den Konfliktparteien eingesetzt wird, was eine lange Geschichte in Indien hat.
Sangeeta Barooah Pisharoty, Manipur Video: What Connects 3 Kuki Women Stripped, Paraded Naked to Manorama and Bilkis Bano? DW, 21.07.2023
Tora Agarwala, Everyone should know what happened to us: Four Kuki women recount butal assaults they survived. In: scroll, 21.07.2023
Die Regierung hat eine Internet-Sperre für Manipur verhängt, vorgeblich um zu verhindern, das 'Fake News' verbreitet werden. Die beiden folgenden Artikel diskutieren diese Maßnahmen als Einschränkung der Informationsfreiheit, was mehr Schaden als Nutzen bringen würde.
John Brittas, Manipur Is Further Proof That Internet Shutdowns Do More Harm than Good. In: The Wire,14.07.2023
Srinivas Kodali, We Can’t Look Away From Internet Shutdowns in Manipur. In: scroll, 20.07.2023
Derweil äußern zivilgesellschaftliche Kreise, Frauenorganisationen und andere soziale Bewegungen zunehmend Kritik am ignoranten Verhalten der Regierung und protestieren gegen die unerträgliche sexuelle Gewalt in dem Konflikt.
Presseerklärung von Frauenorganisationen und besorgten Bürger*innen, In: Countercurrents, 21.07.2023
Offener Brief der National Alliance of People's Movements (NAPM) und anderer Organisationen an die indische Präsidentin, 22.07.2023