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Obamas Neue Allianz für Ernährungssicherheit

Im Vorprogramm des G8-Gipfels in Camp David hat Präsident Barack Obama am 18. Mai eine Neue Allianz für Ernährungssicherheit vorgestellt, bei der die Privatwirtschaft helfen soll, dass Afrikas ärmste Bauern und Bäuerinnen sich selbst versorgen können. Manche Beobachter halten diese Initiative für einen Schritt in die richtige Richtung. Das Gegenteil ist der Fall.

Von Uwe Hoering, Mai 2012

"Immerhin", könnte man sagen: Seit Nahrungsmittelpreiskrise und Revolten vor vier Jahren haben es Hunger, Ernährungssicherheit und Landwirtschaft auf die Tagesordnung der Gipfeltreffen der politisch Mächtigen der Welt geschafft. Beim G8-Gipfel im italienischen L'Aquila 2009 verkündeten die Staats- und Regierungschefs einen Globalen Aktionsplan (L'Aquila Food Security Initiative), der bis zu 22 Milliarden für landwirtschaftliche Entwicklung locker machen sollte. Jetzt in Camp David profilierte sich US-Präsident Barack Obama mit einer 'Neuen Allianz' als Anwalt für Ernährungssicherheit (New Alliance for Food Security and Nutrition). In den Blick genommen wird die gesamte landwirtschaftliche Wertschöpfungskette – einschließlich Bewässerung, Pflanzenschutz, Kreditzugang und Infrastruktur. Selbst eine lobende Erwähnung der Freiwilligen Richtlinien zu Landbesitz, die die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft, FAO, am 11. Mai beschlossen hat, hat es in die Ankündigung geschafft. Manche Beobachter halten diese Initiative denn auch, hoffnungsvoll, für einen Schritt in die richtige Richtung. Das Gegenteil ist der Fall.

 

Ein Who's who? der Agrarindustrie

Dafür braucht man sich nur die Partner der Allianz anzuschauen. Rund 45 Unternehmen, darunter einige der weltgrößten Agrar- und Nahrungsmittelkonzerne, haben angekündigt, mindestens drei Milliarden US-Dollar in den kommenden zehn Jahren in Afrikas Landwirtschaft zu investieren. Allein Yara International beispielsweise, einer der weltgrößten Düngemittelkonzerne, will zwei Milliarden in den Bau einer Düngerfabrik und den Aufbau eines Händlernetzes stecken. Vodafone plant, einen SMS-Dienst aufzuziehen, der Kleinbauern über lokale Marktpreise informieren soll. PepsiCo, Cargill, DuPont, Monsanto, Unilever, Kraft Foods, Mars und Hershey's – fast alle, die mit industrieller Landwirtschaft und globalem Agrarhandel Geschäfte machen, sind dabei. Stark vertreten sind jene Konzerne, die sich Sorgen machen um ihren Nachschub wie die Africa Cashew Initiative, die World Cocoa Foundation und die Competitive African Cotton Initiative.

In L'Aquila waren es noch die Regierungen und staatlichen Entwicklungsbürokratien, die versprachen, der Landwirtschaft auf die Beine zu helfen. Mit den üblichen Taschenspielertricks: Ein guter Teil der Mittel, die sie ankündigten, war nur umgewidmet, lediglich sechs Milliarden waren frisches Geld. Davon ist bislang erst gut die Hälfte geflossen. Und das selten in Projekte, die sinnvoll wären, um die bäuerliche Landwirtschaft zu fördern und damit Hunger und Armut zu mindern, wie Oxfam America in der New York Times klagt. Jetzt, in der neuen Allianz, soll die Industrie die Mittel stellen, natürlich 'sozial verantwortungsbewusst'.

 

Vorleistungen

Die drei Milliarden, die bislang von Unternehmen mehr oder minder fest zugesagt wurden, sind allerdings vergleichsweise wenig. Vor allem stehen sie unter dem Vorbehalt, dass die Politik in Vorleistung treten muss. Denn sie fließen nur, wenn es gelingt, günstige Investitionsbedingungen zu schaffen. So verspricht die Neue Allianz denn auch, Hindernisse für Investoren abzubauen und die Risiken durch bessere rechtliche und administrative Voraussetzungen zu mindern. Damit wächst der Druck auf Afrikas Regierungen.

Doch selbst dann werden die Investitionen kaum dazu beitragen, eine landwirtschaftliche Entwicklung anzustoßen, wie sie beispielsweise der 'Weltagrarbericht' empfiehlt: Der Düngemittelkonzern Yara International, der seit Jahren versucht, seinen Absatz in Afrika zu steigern, wird sich nicht dafür einsetzen, dass Bauern und Bäuerinnen organischen Dünger selbst herstellen, Monsanto und Syngenta wollen ihr eigenes Saatgut verkaufen, Cargill, einer der größten Getreidehändler, wird lokale Märkte kaum für lukrativ halten, Nestlé und Unilever werden sich nicht für Grundnahrungsmittel stark machen. Stattdessen geht es darum, für 'Business as usual' neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Es wäre daher zu einfach, die ganze Veranstaltung beim G8-Gipfel in Camp David lediglich als PR-Veranstaltung abzutun, um dem Treffen einen sozialen Touch zu geben. Die neue Allianz von Präsident Obama ist vielmehr ein weiteres Puzzlestück in den Bestrebungen, die Landwirtschaft der Kontrolle der Konzerne zu unterwerfen. Dafür tun sich in immer neuen Allianzen, Initiativen, Task Forces und Partnerschaften die immer gleichen Akteure aus Politik, Wirtschaft und Finanzwelt zusammen, häufig mit der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID und Stiftungen wie der Rockefeller Foundation und der Bill&Melinda Gates Foundation als scheinbar unverdächtige und uneigennützige Vermittler.

Der 'Nexus' – die Landwirtschaft als Einheit von Boden, Wasser und Agrarerzeugnissen mannigfaltiger Art, darunter Energiepflanzen – ist zur Chefsache geworden, als Teil der Krisenlösungsstrategie, um die Verwertungsmaschinerie am Laufen zu halten, um Land- und Wasserressourcen für Geschäfte zu nutzen, um neue Investitionsmöglichkeiten zu schaffen, um Geschäfte profitabler zu machen oder um den Nachschub für die Supermärkte zu sichern. Das klingt allerdings besser, wenn man versichert, es gehe dabei um die Ernährungssituation in der bäuerlichen Landwirtschaft. Doch ist es eher ein Schritt, Armut und Hunger zu zementieren. (5.200 Zeichen)

Siehe dazu auch: GMWatch vom 19. Mai 2012, ferner die drei Beiträge von WorldWatch vom 18. Mai 2012 über das 3rd Annual Symposium on Global Agriculture and Food Security in Washington, das vom Chicago Council on Global Affairs und dem World Economic Forum, WEF, veranstaltet wurde, und bei dem Präsident Obama ebenfalls die Führungsrolle der USA und der Privatwirtschaft beim Einsatz gegen die "Ungerechtigkeit chronischen Hungers" herausstellte.