Ein Kommentar von Uwe Hoering, Juli 2010
Dies sei ein „historischer Tag“ und ein „Sieg“ der seit zehn Jahren andauernden Kampagne, dass Wasser als Menschenrecht anerkannt wird, jubeln Vertreter des Council of Canadians und andere „Wasserkrieger“, Seit' an Seit' mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der darin ein 'wichtiges politisches Signal' sieht. Die gestrige Verabschiedung einer von Bolivien eingebrachten entsprechenden Resolution durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen ist sicherlich ein Erfolg. Jahrelang haben zahllose zivilgesellschaftliche Organisationen dafür Regierungsvertreter bearbeitet, Konferenzen organisiert, Demonstrationen abgehalten, Gutachten in Auftrag gegeben, Reden, Artikel und Resolutionen geschrieben. Kein Wunder, dass sie jetzt, da das - wenn man so will - höchste politische Organ der Welt dieses Recht anerkennt und alle Regierungen auffordert, ihre Bemühungen zu seiner Einhaltung zu verstärken, jubeln. Herzlichen Glückwunsch!
Dieser Erfolg ist aber auch eine Gelegenheit, ein kleines Resümee zu ziehen über die Auseinandersetzungen um die Privatisierungspolitik im Wasserbereich seit Mitte der 1990er Jahre, die 2000 im „Wasserkrieg“ im bolivianischen Cochabamba einen ihrer prägenden Höhepunkte hatten. Sicher ist es den Privatisierungsgegnern gelungen, in Cochabamba und anderswo einige Pläne globaler Wasserkonzerne zu durchkreuzen und die Forderung nach Anerkennung eines Menschenrechts auf Wasser mehrheitsfähig zu machen. Dabei stellt sich aber auch die naheliegende Frage, welchen Beitrag die Kampagne und jetzt die Resolution dazu leisten (können), dass Menschen bessere Chancen haben, an Wasser und sanitäre Einrichtungen zu kommen? Solche Zweifel sind nicht neu. Aber sie werden dadurch nicht unberechtigt. Die Befürworter der Anerkennung des Menschenrechts auf Wasser argumentieren, dass dadurch die Lobbyarbeit gegenüber Regierungen bessere Karten erhalte, ein zusätzliches, gewichtiges Argument für die Überzeugungsarbeit.
Im Jubel geht allerdings ein wenig unter, dass die Resolution nicht bindend ist, nicht für Regierungen, erst recht nicht für Konzerne, die mit Bergbau, Plantagen oder Abfüllanlagen für Flaschenwasser die Nutzungsrechte von Millionen Menschen ignorieren. Die nächsten Schritte für die Kampagne sind jetzt also: Noch mehr Lobbyarbeit, Resolutionen, Konferenzen und Aktionen, um das Menschenrecht in nationale Verfassungen, Gesetzgebung oder andere Formen umzusetzen, die Staat, Politik und Konzerne in die Pflicht nehmen würden. Der Kampf geht also weiter.
Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass dabei die Versorgung der Menschen aus dem Blick gerät. Die Mobilisierungen gegen Kommunen, Versorgungsunternehmen und globale Wasserkonzerne, die den Zugang für Millionen Menschen zu Trinkwasser und sanitären Einrichtungen nicht gewährleisten, sind weitgehend abgeflaut, die Auseinandersetzungen um die Privatisierung von öffentlichen Wasserunternehmen, mit denen sich klamme Kommunen aus ihrer Verantwortung stehlen, gelinde gesagt ruhiger geworden - von Ausnahmen wie in Berlin abgesehen. Ob da ein Zusammenhang mit der Kampagne für ein Menschenrecht auf Wasser besteht? Beweisbar ist das nicht, aber wertvolle Kräfte zivilgesellschaftlicher Organisationen bindet sie allemal, für einen ungedeckten Wechsel auf die Zukunft.
Und noch ein Wermutstropfen in den Jubel. Die Kampagne richtet sich bislang nur auf Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen. Die Versorgung der bäuerlichen Landwirtschaft mit Wasser ist für sie selten ein Thema. Doch hier gibt es mindestens ähnliche Probleme wie bei der städtischen Wasserversorgung, mit existenziellen Bedrohungen für Millionen Familien, die ohne ausreichenden Zugang zu Wasser auch die Möglichkeit verlieren, sich von ihrem Stückchen Land zu ernähren. Dieser blinde Fleck in der Diskussion hat auch mit städtischen Scheuklappen vieler „Wasserkrieger“ zu tun.
So groß der symbolische Wert der gestrigen UN-Resolution sein mag – ob sie tatsächlich dazu beiträgt, das Wasserthema „in den Mittelpunkt der politischen Agenda zustellen“, wie im Überschwang des Erfolgs gehofft wird, und wirksame Maßnahmen zur Umsetzung des Rechts voranzubringen, ist fraglich. Dafür müssten sich die „Wasserkrieger“ wieder stärker auf die wirklichen Machtverhältnisse, Interessen und Bewegungen im Wassersektor besinnen, anstatt bei internationalen Organisationen und Regierungen zu antichambrieren. Ansonsten ist dieser „historische Sieg“ nicht viel mehr als ein Fall für politikwissenschaftliche Studien über den Einfluss zivilgesellschaftlicher Organisationen auf Regierungen und multilaterale Institutionen. (4.200 Zeichen)
Siehe dazu auch das Thema: "Reclaiming Public Water"