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UN-Bericht empfiehlt "nachhaltige Intensivierung" als Ausweg aus Land- und Wassermangel. Von Uwe Hoering, Dezember 2011

Der globale Bericht über den Zustand von Böden, Wasser und biologischer Vielfalt, den die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO Ende November vorgelegt hat (State of the World's Land and Water Resources for Food and Agriculture, SOLAW), bestätigt die schlimmsten Befürchtungen: Ausgelaugte und vergiftete Böden, verschwendete und verschmutzte Süßwasserressourcen und der anhaltende Verlust der einstigen Vielfalt landwirtschaftlicher Nutzpflanzen durch ausgeräumte Landschaften und Monokulturen beeinträchtigen die Produktivität der Landwirtschaft, deren Wachstumsraten heute nur noch halb so hoch sind wie zu den Hochzeiten der Grünen Revolution, in einem schwer abzuschätzenden, jedoch alarmierenden Ausmaß - eine Landwirtschaft, die in vielen Regionen am Limit der natürlichen Ressourcen arbeitet, in manchen sogar darüber hinaus. Gleichzeitig werde die Konkurrenz um Land und Wasser, so der Bericht, „allgegenwärtig“.

Interessanter als die fleißig gesammelten Daten, die aufwändigen Schaubilder und Landkarten sind jedoch die Lösungsvorschläge, die die FAO unterbreitet. Dafür muss man zunächst kurz einen Blick auf ihre Analyse der Ursachen werfen: „Managementpraktiken, die die Systeme degradiert haben“, exzessiver Bevölkerungsdruck sowie landwirtschaftliche Nutzungen, die nicht nachhaltig sind. Oben drauf kommt dann noch als Erklärung der Klimawandel.

Dabei nennt sie allerdings weder Ross noch Reiter, Opfer oder Täter, wirtschaftliche und politische Interessen oder Triebkräfte, Eigentums- und Machtverhältnisse. Beispielsweise fehlt weitgehend die notwendige Differenzierung zwischen bäuerlicher und agrarindustrieller Landwirtschaft, die beide für den Bericht gleichermaßen 'privater Sektor' sind. Der Kunstgriff, mit dem diese Analyse jegliche Unterschiede verwischt, besteht darin, von „der Landwirtschaft“ zu sprechen. Natürlich ist unstrittig, dass beide – kleinbäuerliche Höfe und kommerzielle Großbetriebe - zu Umweltzerstörung in ihren verschiedenen Formen beitragen, allerdings aus unterschiedlichen Gründen und in unterschiedlichem Ausmaß – die einen oft aufgrund von Armut und fehlender Voraussetzungen für eine nachhaltigere Nutzung ihrer begrenzten Ressourcen, die anderen aufgrund von Technologien und „Managementpraktiken“, die durch die Profitorientierung bestimmt sind. Entsprechend unterschiedlich sind ihre Anforderungen an eine „nachhaltige Intensivierung“ als Ausweg aus den Krisen, diesem neuen Paradigma, das die Nutzung von Land- und Wasserressourcen effektiver machen soll, ohne sie zu schädigen.

Die Lösungsvorschläge sind dann auch genauso beschränkt und undifferenziert wie die Ursachenanalyse: Da wird das Mantra einer effizienten Wassernutzung als „Schlüssel“ für die Probleme wiederholt, innovative Anbaumethoden wie Conservation Agriculture, Agroforstwirtschaft, integrierte Systeme von Anbau und Tierhaltung und von Bewässerung und Aquakultur „versprechen eine effiziente Ausweitung der Produktion, um Ernährungsunsicherheit und Armut zu verringern und gleichzeitig die Auswirkungen auf die Ökosysteme zu begrenzen“. Viele dieser Empfehlungen werden längst praktiziert in der bäuerlichen Landwirtschaft – ob sie nun auch für die industrielle Landwirtschaft gelten sollen oder wie ansonsten ihre „nachhaltige Intensivierung“ aussehen könnte, bleibt offen.

Dazu kommt eine Wunschliste der Beliebigkeit: Eine ' Modernisierung' nationaler Politik und Institutionen, der Abbau von 'negativen Anreizen' wie niedrige Energiepreise, verbesserte Regelungen für Landbesitz und Ressourcenzugang, wirksame landwirtschaftliche Beratung und Forschung, gesicherter Marktzugang und eine Umkehr des Abwärtstrends bei den Agrarausgaben in Staatshaushalten und Entwicklungszusammenarbeit. Kurzum, „bessere Technologie, Managementpraktiken und Politik“ sowie als die neuesten Steckenpferde im Stall die Bezahlung für sogenannte Umweltdienstleistungen (Payments for Environmental Services) und Co2-Märkte.

Ein weiteres Schlüsselelement der Argumentation sind die angeblich erforderlichen Investitionen in die landwirtschaftliche Entwicklung: 1 Billion US-Dollar veranschlagt der Bericht zwischen 2007 und 2050 allein für „Bewässerungs-Management“ in den Ländern des Südens – auch hier wieder ohne zu differenzieren zwischen bäuerlicher Landwirtschaft, die oft Regenfeldbau ist, und großflächigen Agrarindustrien, die den Löwenanteil dieser Mittel beanspruchen würden.

Dankenswerterweise versprechen ja inzwischen private Investoren, den Regierungen und Entwicklungsorganisationen diese finanzielle Bürde teilweise abzunehmen – allerdings bislang ohne erkennbare Ansätze einer „nachhaltigen Intensivierung“. Überhaupt spielt der Bericht das Ausmaß von 'Land grabbing' herunter („Large-scale land acquisitions remain a small proportion of suitable land in any one country“), obwohl er gleichzeitig festhält, dass gerade in vielen Ländern des globalen Südens Land- und Wasserressourcen besonders knapp sind.

Vor allem aber: Der FAO-Bericht hält am Wachstumsdiskurs fest, bereits im ersten Satz malthusisch begründet mit dem Wachstum der Weltbevölkerung. Erforderlich sei eine um 70 Prozent höhere weltweite Nahrungsmittelproduktion bis 2050, in Ländern des globalen Südens sogar eine Verdopplung. Gegenüber 2009 müssten dann jedes Jahr zusätzlich 200 Millionen Tonnen tierischer Produkte und eine Milliarde Tonnen Getreide erzeugt werden. Mit diesem angeblichen Bedarf werden auch die Mondzahlen zu Investitionen gerechtfertigt.

Wie beispielsweise die Studie How to Feed the World's Growing Billions bereits gezeigt hat, setzt die FAO für diese Prognose allerdings einerseits den Nachfragezuwachs viel zu hoch an. Andererseits werden zahlreiche Faktoren, die den Anstieg der Agrarproduktion reduzieren könnten, ausgeblendet – weniger Fleischkonsum, weniger Agrartreibstoffe, weniger Verschwendung, weniger Nachernteverluste, ..... Und sie macht wieder keinen Unterschied zwischen einem nachhaltigem Wachstum durch bäuerliche Landwirtschaft und einem eher destruktivem Wachstum der Agrarindustrie.

So krankt der Bericht denn auch an dem grundlegenden Widerspruch, dass die angestrebten Ziele, die Ernährungssicherheit und die Lebensbedingungen der ländlichen Armen zu bessern, die Ökosysteme zu schützen und die Konflikte zwischen konkurrierenden Nutzern von Land- und Wasserressourcen zu verringern nicht erreicht werden können, wenn weiter auf derartige Wachstumsraten gesetzt wird. Das hat bislang schon nicht geklappt. Und die Empfehlungen enthalten wenig Neues, warum es in Zukunft besser klappen sollte.

Insofern könnte man den Bericht ruhigen Gewissens vergessen, zumal vermutlich nur Wenige ihn gründlich lesen werden. Wäre da nicht diese zentrale Botschaft, die immer wieder in die Debatten um die Entwicklung der Landwirtschaft gepuscht wird: Um in den kommenden vier Jahrzehnten 70 Prozent mehr landwirtschaftliche Produktion zu schaffen, brauchen wir gewaltige private Investitionen, vor allem in die Intensivierung der industriellen Landwirtschaft. Also Mehr statt Anders, Business as usual, versehen mit einem schicken Nachhaltigkeits-Aufkleber. (7.200 Zeichen)