Human Rights Watch, 22.12.2022
Autoritarismus: Der Entwurf für ein neues Datenschutzgesetz (Digital Personal Data Protection Bill) ist der jüngste Versuch der von der Bharatiya Janata Party (BJP) geführten Zentralregierung, Indiens erstes Gesetz zum Schutz persönlicher Daten zu beschließen. Ein früherer Vorstoß, der im Dezember 2019 im Parlament eingebracht worden war, wurde im August 2022 fallengelassen. Die Bedenken von Parlamentarier*innen der Opposition, Technologieunternehmen und Advocacy-Gruppen gegen die frühere Gesetzesvorlage werden vom jetzt vorgelegten Entwurf nicht berücksichtigt. Die Regierung sollte daher den Vorschlag überarbeiten, um den Schutz der Privatsphäre vor einer unkontrollierten staatlichen Überwachung sicher zu stellen, erklärte Human Rights Watch, eine öffentliche Beratung durchführen und die Vorschläge zivilgesellschaftlicher Gruppen und Experten für digitale Rechte einarbeiten.
HRW, India: Data Protection Bill Fosters State Surveillance. Draft Law Fails to Protect Privacy, Rights of Children
B.S.Arun, 28.03.2023
Autoritarismus: Die BJP-Regierung des südindischen Bundesstaats Karnataka hat die Reservierungsquote für Muslime aufgehoben. Ihr bisheriger Anteil von vier Prozent wurde zwei großen Kastengruppen in Karnataka, den Lingayats und Vokkaligas, zugeschlagen, während sich Muslime jetzt die Reservierungsquote von zehn Prozent mit den wirtschaftlich schwächsten Gruppen teilen müssen. Muslime sind eindeutig die Verlierer dieser Maßnahme. Diese neue Quotenpolitik im Vorfeld der nächsten Wahlen in Karnataka ist ein Beispiel dafür, wie die Anti-Islamisierung Schritt für Schritt politisch umgesetzt wird und Hindu-Gruppen von der BJP umworben werden.
In: The Wire, March 28, 2023
Pushpa Sundar, 7.3.2023
Autoritarismus: In der Verfassung ist verankert, dass Indien ein säkularer Staat ist. Doch zunehmend setzten BJP-Regierungen Haushaltsmittel für die Förderung religiöser Einrichtungen ein, wie jüngst die Regierung des Bundesstaates Karnataka. Das wirft Fragen nach der Vereinbarkeit mit der Verfassung, der fehlenden Gleichbehandlung der unterschiedlichen Religionen und der Bekämpfung der Armut auf.
Siehe dazu auch: Irfan Engineer and Neha Dabhade, Bulldozers, Discriminatory Laws and Demonization of Minorities: Communal Violence 2022 – Part III, Center for Study of Society and Secularism, CSSS, 2022.
Dieser Bericht über "symbolische Gewalt" in Indien, der nachzeichnet, wie die rechte Hindu-Ideologie durch Finanzierung von Hindu Tempeln und Symbolen, Hassreden, sozialen und Wirtschaftsboycott und Umbenennung von Orten, deren Name die islamische Herkunft signalisiert, öffentliche Diskurse beeinflusst, ist der dritte Teil einer Serie 'Bulldozers, Discriminatory Laws and Demonization of Minorities: Communal Violence 2022'über unterschiedliche Formen von Gewalt gegen religiöse Gemeinschaften und soziale Minderheiten. Die beiden anderen Texte analysieren "direkte physische Gewalt" und "strukturelle Gewalt".
Rokibuz Zaman, 07.03.2023
Autoritarismus: In Indiens größtem Auffanglager für "illegale Einwanderer*innen", in Matia in Assam, sind derzeit "Ausländer" sowie 300 Personen untergebracht, die im Rahmen des staatlichen Vorgehens gegen Kinderheirat festgenommen wurden. 69 Inhaftierte wurden von den Ausländergerichten Assams, quasi-richterlichen Gremien, die über Fragen der Staatsangehörigkeit in diesem Bundesstaat entscheiden, zu „illegalen Migrant*innen“ erklärt. Hintergrund ist das neue Staatsbürgerschaftsgesetz von 2019 (Citizenship Amendment Act) und das Nationale Bürger*innenregister, das die Aufgabe hat, eingewanderte Muslime als nicht-indische Bürger*innen auszusondern und abzuschieben. Auf Anordnung des Obersten Gerichtshofs wurden in Assam erstmals 2009 Haftanstalten für die Inhaftierung von als Ausländer deklarierten Personen errichtet. Die BJP-Regierung stellte 2018 erhebliche Geldmittel zur Verfügung und unterstützte den Bau eines großen Zentrums in Matia, in dem rund 3.000 Häftlinge untergebracht werden sollen. Die Reportage beleuchtet die Willkür der Inhaftierungen und die miserablen Haftbedingungen der in Matia eingesperrten Frauen, Männer und Kinder.
In: scroll.de, March 7, 2023
Global Voices, 16. März 2023
Autoritarismus: Rana Ayyub, Kolumnistin der Washington Post und eine der prominentesten unabhängigen Journalistinnen Indiens, war online täglich mit umfangreichen Drohungen, Belästigungen und Beschimpfungen konfrontiert. die von einer Armee von Trollen ausgehen.
Diese offen sexistische und mit Desinformationen gespickte Kampagne wird von „Lynchmobs“ getragen, die sich mit Indiens hindu-nationalistischer Regierungspartei identifizieren. Im Fall von Rana Ayyub bewegen sie sich an der Schnittstelle von muslim- und frauenfeindlicher Bigotterie, denn sie wurde wegen ihres muslimischen Glaubens attackiert und als "Dschihadistin" und "Terroristin" bezeichnet. Die Angriffe werden auch von regierungsnahen Boulevard-TV-Sendern und Propaganda-Websites geführt, die sich als Nachrichtenagenturen ausgeben und die kritische Berichterstattung von Rana Ayyub als Beweis für ausländische Einflussnahme und für ihre Illoyalität gegenüber Indien darstellen. Ihr Fall ist symptomatisch für die Verfolgung von Journalistinnen in Indien und der Region.
Online gender-based violence: A tool of digital authoritarianism in India. In: Global Voices, March 16, 2023
Siehe dazu auch die Studie des International Centre for Journalists (ICFJ), Rana Ayyub. Targeted online violence at the intersection of misogyny and islamophobia. February 14, 2023. Nach einer detaillierten Darstellung der Angriffe geht sie auch auf Hintergründe ein wie die Aushöhlung der Pressefreiheit in Indien unter der Regierung Modi und die Aufforderung von UN-Experten, Journalist*innen wie Rana Ayyub vor derartigen Angriffen zu schützen.
März 2023
Die indischen sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Gruppen, die dieses Statement vorgelegt haben, betrachten die G20, deren Vorsitz in diesem Jahr Indien hat, als exklusiven Club der Reichen und Mächtigen zur Stabilisierung neoliberaler Politiken und Rettung der globalen (Finanz-)Märkte. Das Modi-Regime benutzt diese dramatische Situation einer Mehrfachkrise, um sich nach innen vor den nächsten Wahlen als weltpolitischer Akteur zu profilieren und international das Image als größte Demokratie und größte Diversität der Welt aufzupolieren. Zum indischen Autoritarismus, der Verletzung von Menschenrechten, mangelnder Pressefreiheit, der rücksichtslosen Durchsetzung von großen Infrastrukturprojekten und wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten schweigt die G20. Arme und marginale Bevölkerungsgruppen haben keinerlei Einfluss auf die Themen und Entscheidungen der G20, aber kämpfen jenseits der Schönfärberei durch die indische Regierung weiter für demokratische, sozial und umweltgerechte Ökonomien und Gesellschaften.
Presserklärung, in: Countercurrents, March 3, 2023
Kavita Krishnan, 20.12.2022
Die marxistische, feministische Aktivistin und Autorin Kavita Krishnan ist im vergangenen Jahr aus der CPI-ML (Communist Party of India-Marxist Leninist) ausgetreten, weil die Partei Russland nicht als Aggressor im Ukraine-Krieg kritisierte. In diesem Artikel analysiert sie das neue Verständnis vieler Linker von internationalen Beziehungen als Multipolarität, die die US-geführte Unipolarität ablösen würde. Diese Position würde nicht reflektieren, dass der Aufstieg neuer Großmächte und diese multipolare Weltordnung, die sich als Anti-Imperialismus legitimiert, auf Autoritarismus und anti-demokratischer Machtbildung in Staaten wie Indien, Russland, China und anderen beruht. Der Debatten-Beitrag erschien gerade in deutscher Übersetzung in iz3w (Heft 395, März/April 2023).
Originalbeitrag: Kavita Krishnan, Multipolarity, the Mantra of Authoritarianism.In: The India Forum, December 20, 2022
Rahul Mukherji, 27.07.2022
Autoritarismus: Das Markenzeichen indischer Demokratie war jahrzehntelang die lebendige, vielfältige Zivilgesellschaft, die ihre Diversität spiegelte. Zwar waren auch schon frühere indische Regierungen misstrauisch gegenüber Nichtregierungsorganisationen (NRO). Aber jetzt werden von der Modi-Regierung die Rechte zivilgesellschaftlicher Gruppen durch Gesetze wie dem zur ausländischen Finanzierung (FCRA) und dem zur Vermeidung von Geldwäsche (PMLA) nach und nach abgebaut. Und das, obwohl Teile der Zivilgesellschaft während der Covid-19 Pandemie unermüdlich Hilfe an der Basis leisteten, während der Staat durch Abwesenheit glänzte. Link
India Justice Project, 26.September 2022
Autoritarismus: Das India Justice Project verurteilt die landesweiten Übergriffe und Razzien gegen systemkritische Organisationen, die die Rechte von Muslim*innen vertreten, mit dem Vorwurf des Terrorismus und krimineller Aktivitäten. Politische Grundrechte und die Demokratie werden auf diese Weise systematisch ausgehebelt. Link
Samina Salim, Mai 2022
Autoritarismus: Anlässlich des Kopftuchverbots für muslimische Schülerinnen reflektiert Samina Salim, eine gebürtige Inderin, die seit über 20 Jahren in den USA lebt, in diesem Beitrag, dass Indien heute nicht mehr das multikulturelle diverse Land ihrer Kindheit ist. Politisch geschürt und von Verschwörungstheorien getrieben hat sich in breitenBevölkerungsschichten eine aggressive anti-islamische Stimmung ausgebreitet. Wir dokumentieren Salims Meinungsartikel, auch wenn wir nicht alle ihre Einschätzungen teilen. Das trifft insbesondere auf die Behauptung zu, Indien befinde sich schon auf dem Weg zu einem „Völkermord“ an den Muslim:innen.
Speak Up! Deutsche Übersetzung: link
People's Union for Civil Liberties (PUCL), Mai 2022
Autoritarismus: Indiens Oberster Gerichtshof hat die Exekutive aufgefordert, keine Verhaftungen unter Berufung auf Volksverhetzung vorzunehmen und den entsprechenden Paragrafen des Strafgesetzbuchs zu überdenken. Unter der Modi-Regierung wird das Gesetz aus der Kolonialzeit exzessiv gegen Regierungskritiker:innen eingesetzt.
Speak Up! Deutsche Übersetzung: link
Bharat Bushan, Mai 2022
Autoritarismus: Der Journalist und Kolumnist Bharat Bhushan beschreibt, wie das hindu-fundamentalistische Regime in Indien den Medien immer engere ideologische Fesseln anlegt. Die internationale Kritik an der Missachtung von Verfassungsrechten kann die Modi-Regierung aber nur schwer kontrollieren. Link
Mai 2022
Autoritarismus: Im Vorfeld der 6. Deutsch-Indischen Regierungskonsulationen haben Organisationen von in Deutschland lebenden indischen Staatsbüger:innen einen offenen Brief an die deutsche Regierung geschrieben, um auf die dramatische Menschenrechtssituation in Indien aufmerksam zu machen. Mit einem Offenen Brief haben sich am 28. April Organisationen von in Deutschland lebenden indischen und deutschen Staatsbürger:innen an Außenministerin Baerbock, die Menschenrechtsbeauftragte Amtsberg, Bundeskanzler Scholz und weitere deutsche Bundestags- und Europaabgeordnete gewandt, um anlässlich der 6. Deutsch-Indischen Regierungskonsultationen ihre Bedenken bezüglich dieses Treffens auszudrücken und auf den autoritären Rechtsruck und die alarmierende Menschenrechtslage in Indien hinzuweisen. Wir halten es für wichtig, den offenen Brief zu dokumentieren. Wir möchten zugleich betonen, dass wir nicht alle politischen Einschätzungen und Schlussfolgerungen des offenen Briefes uneingeschränkt teilen. Das trifft insbesondere auf die thesenhaften Ausführungen zu einem drohenden „Völkermord“ an den Muslim:innen in Indien zu.
Speak Up! Deutsche Übersetzung: Link
Pamela Philipose, September 2021
Autoritarismus: Die hindufundamentalistische BJP-Regierung unter Premierminister Modi nutzt die Covid-19- Krise, um ihre Vorherrschaft zu stärken und die Demokratie zu unterminieren. Im Schatten der Pandemiebekämpfung wurden drakonische Gesetze und Maßnahmen erlassen, die dazu beitragen, Minderheiten zu kriminalisieren und die Kluft zwischen Reich und Arm weiter zu vergrößern. Besonders betroffen sind Frauen, die mehr denn je unter Gewalt, Armut und Rechtlosigkeit zu leiden haben.
Speak Up! Deutsche Übersetzung: link
Interview mit Radhika Menon zu ASHAs, November 2021
Autoritarismus: Zum Höhepunkt der Pandemie 2020 wurden ‚freiwillige’ Gesundheitsarbeiterinnen, die für ihre Arbeit keinen regelmäßigen Lohn erhalten, dazu verpflichtet, Aufgaben der Pandemiebekämpfung in ihren Dörfern, vor allem gegenüber Wanderarbeiter:innen und ihren Familien zu übernehmen. Ihr Lohn dafür war symbolischer Applaus und Schlagzeilen in einer militarisierten Sprache in allen Medien, dass die ASHAs „an der Front“ und in der “vordersten Verteidigungslinie kämpfen“. Vor dem Hintergrund internationaler Debatten über neue Formen von Zwangsarbeit muss konstatiert werden, dass die schwierigsten und gesundheitsgefährdetsten Aufgaben den Gemeindearbeiterinnen als schwächsten Gliedern in der Kette der Gesundheitsversorgung übertragen wurden. Sie streikten und forderten – wie Gesundheitsarbeiter:innen in anderen Ländern – ein gut finanziertes öffentliches Gesundheitswesen.
Speak Up! Deutsche Übersetzung: link
Nivedita Menon, September 2021
Autoritarismus: Die Covid-Pandemie wird sowohl von der Politik des Hindu-Reichs als auch vom neoliberalen Kapitalismus genutzt, um ihre Vorherrschaft durch Islamophobie und den Lockdown zu stabilisieren. Corona-Kapitalismus bedeutet, dass am oberen Ende im Gefolge der Corona-App ein Datenkapitalismus als politisches und wirtschaftliches Überwachungssystem installiert wird, während am unteren Ende Zwangsarbeit und extrem prekäre Arbeit durch die Wanderarbeiter:innen geschaffen wird, um die Produktion zu sichern.Nivedita Menon beleuchtet Aspekte des Corona-Kapitalismus.
Speak Up! Deutsche Übersetzung: link