Redaktionsnetzwerk Südasien, Mitte März 2024
Landwirtschaft und Bäuer*innen:Zwei Jahre, nachdem indische Bauern und Bäuerinnen durch eine einjährige Belagerung der Ausfallstraßen von Delhi die Regierung zwingen konnten, drei neue Landwirtschaftsgesetze zurückzunehmen, sind sie wieder auf den Straßen. Seit Mitte Februar fordern sie jetzt von der Regierung garantierte Mindestpreise für 22 ihrer landwirtschaftlichen Produkte, um ihre Existenz zu sichern. Als am 21. Februar einer der protestierenden Bauern getötet wurde, setzten die Bauernorganisationen die Proteste für einige Zeit aus. Danach marschierten sie weiter nach Delhi, und demonstrierten am 12. März in der Stadt, allerdings hatte die Regierung ihre Zahl auf 5000 beschränkt. Doch sie sind entschlossen, trotz der Einschränkungen und Repressionen nicht aufzugeben. Der Zeitpunkt der erneuten Proteste zwei Monate vor den Wahlen ist hochbrisant. Bäuer*innen stellen eine wichtige Wählerschaft dar. Deswegen reagiert die Regierung nervös, setzt Drohnen, Tränengas und Pellets gegen die Protestierenden ein, verbietet Traktoren und Lastwagen bei den Protesten und blockiert die Zufahrten nach Delhi.
Rifat Fareed,We want dignity’: Indian farmers defy pellets, drones to demand new deal. Al Jazeera, February 21, 2024
Rishi Lekhi and Ashok Sharma, Thousands of Indian farmers protest in New Delhi demanding a law guaranteeing minimum crop prices. Associated Press, March 14, 2024
The Wire Staff, 3. Februar 2024
Autoritarismus: Der Menschenrechts- und Friedensaktivist Harsh Mander und die von ihm gegründete NGO Centre for Equity Studies (CES) sind schon häufig in die Schusslinie indischer Verfolgungsbehörden geraten. Am 2. Februar wurden Manders Privaträume und das CES von der Polizei durchsucht. Das Central Bureau of Investigation behauptet, das CES habe gegen die Finanzierungsregel des Foreign Contribution Regulation Act (FCRA) verstoßen. Mehr als 250 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Indien verurteilen in einer Presseerklärung den erneuten Versuch des indischen Staates, Harsh Mander und das CSE mundtot zu machen. Mander und das CES stehen in der vordersten Reihe im Kampf um die Einhaltung verfassungsmäßiger Rechte und für das friedliche Zusammenleben der Glaubensgemeinschaften in Indien.
The Wire Staff, ‘Vindictive Witch Hunt’: Over 250 Activists, Scholars Condemn Raids on Harsh Mander and His NGO. TheWire, February 3, 2024
Redaktionsnetzwerk Südasien, Januar 2024
Seit Jahren klagen soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Organisationen angesichts autoritärer Tendenzen über die Einschränkung ihrer politischen Spielräume. Eine Studie der Asia Foundation untermauert diese Entwicklungjetzt durch eine umfassende Befragung von Nichtregierungsorganisationen in Sri Lanka, Bangladesch und Nepal zu den demokratischen Bedingungen für Meinungsfreiheit und politische Partizipation, Protestmöglichkeiten, Transparenz staatlicher Stellen usw. Noch am besten scheint demnach die Situation in Nepal zu sein. Das Besondere dieser Befragung ist, Erfahrungen aus erster Hand und aus einem breiten Spektrum von zivilgesellschaftlichen Organisationen zu präsentieren. Übereinstimmend berichten alle, dass die Finanzierung während Corona dramatisch um 50 bis 75 Prozent gesunken sei.
Mandakini D. Surie, Sumaya Saluja and Nicola Nixon, A Glass half full: Civic Space and Contestation in Bangladesh, Sri Lanka, and Nepal. GovAsia, Issue 2.2, published by The Asia Foundation, March 2023
Freedom Forum’s Annual Media Report, 31. Dezember 2023
Presse- und Meinungsfreiheit in Nepal sind im Jahr 2023 weiter unter Druck geraten. Der wirtschaftliche Abschwung führte zu einem Einbruch des Werbemarktes und die Verlagerung von Werbung auf digitale Medienplattformen bzw. Apps, viele Medienhäuser kämpfen um ihr wirtschaftliches Überleben. Die nepalesische Regierung und das nepalesische Parlament verhalten sich gegenüber Forderungen nach Gesetzesreformen im Medienbereich eher gleichgültig. Angriffe und Einschüchterungsversuche auf Journalist*innen, bis hin zu Morddrohungen, haben im vergangenen Jahr weiter zugenommen und gefährden in erheblichen Maße die Presse- und Meinungsfreiheit. Wie unabhängige Medien die Krise überwinden können, müsse ernsthaft überlegt werden, so das Freedom Forum Nepal. Ziel müsse sein, dass die Pressefreiheit in Nepal erhalten bleibt, geschützt und gefördert wird.
Freedom Forum Nepal, Economic Slump Takes Toll on Sustainability of Free Media, December 31, 2023
Manzoor Hasan und Arafat Reza, 18. Januar 2024
Rechtliches Empowerment verschafft marginalisierten Bevölkerungsgruppen Wissen und Zugang zu Recht und Gesetz. Zivilgesellschaftliche Organisationen (CSOs) kämpften seit der Unabhängigkeit Bangladeschs 1971 erfolgreich für mehr rechtliche Gleichstellung von Frauen und gegen die Einführung des Islam als Staatsreligion. In den 1990er Jahren, einem goldenen Zeitalter für NGOs und CSOs, erzielten sie Fortschritte inder rechtlichen Alphabetisierung und alternativen Rechtsprechung, während die Regierung ein staatliches Rechtshilfesystem aufbaute. Das führte wiederum zu einem edeutungsverlust von NGOs und CSOs, wobei NGOs immer mehr zu Dienstleistungseinrichtungen wurden, weniger divers sind und weniger ausländische Gelder bekommen. Rechtliches Empowerment muss trotz dieses Trends gewährleistet werden.
Die beiden Autoren sind Mitglieder des Centre for Peace and Justice, BRAC University, Dhaka
Manzoor Hasan and Arafat Reza, The Past, Present, and Future of Legal Empowerment in Bangladesh. The Diplomat, Januar 18, 2024
Eine Auswertung der Vermögenserklärungen der Kandidat*innen für die Parlamentswahlen in Bangladesh zeigt, dass zumindest für Mitglieder der Regierungspartei die Berufswahl ‚Politiker*in’ eine lukrative Entscheidung ist. In den vergangenen Jahren hat sich nicht nur das Vermögen vieler Politiker*innen vervielfacht, sondern auch die Zahl der Geschäftsleute hat zugelegt – ein Trend, der einen weiteren erschreckenden Mangel an demokratischer Kontrolle belegt, so Transparency International.
Transparency International Bangladesh, TIB Analysis Unveils Startling Wealth Surge Among Politicians. December 26, 2023
Redaktionsnetwerk Südasien, November 2023
Der bekannte Sozialwissenschaftler und Menschenrechtsaktivist Harsh Mander zeichnet ein düsteres Bild der Lage in Manipur, wo der Bürgerkrieg mit unverminderter Brutalität fortgesetzt wird. Der nordöstliche Bundesstaat ist praktisch zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen (Kukis, Meitei und Naga) geteilt. In der Geschichte wechselten sich Phasen des friedlichen Nebeneinanders und gewaltförmiger Auseinandersetzungen ab, wobei sich die Zahl militanter Gruppen in allen Bevölkerungsgruppen erhöhte. Ein Hauptverantwortlicher für die Eskalation ist nach Auffassung des Verfassers Ministerpräsident N Biren Singh (BJP), ein Verbündeter von Meitei-Militanten. Die Gewaltexplosion seit Mai 2023 folgte auf eine Ankündigung hin, die Anbaugebiete der Kuki unter Waldschutz zu stellen und die Bevölkerung selbst zu vertreiben. Die Zentralregierung Delhi und die Regierung in Manipur haben es seither versäumt, Übergriffe zu verhindern oder strafrechtlich zu verfolgen. Frontlinien und Allianzen werden immer unübersichtlicher.
Harsh Mander, Manipur: A Land of Settled Grief. The Wire, November 1, 2023.
Siehe dazu auch das Dossier: Krisenherd Nordostindien
Redaktionsnetzwerk Südasien, Dezember 2023/Januar 2024
In der letzten Parlamentssitzung vor den Neuwahlen im nächsten Jahr wurden Ende Dezember 2023 146 Parlamentsmitglieder wegen unliebsamer Anfragen an die Regierung und „ethischem“ Fehlverhalten aus Unter- und Oberhaus suspendiert. Die Bürgerrechtsorganisation PUCL kritisert das Vorgehen als ‚einen Schandfleck in der Geschichte der verfassungsmäßigen Demokratie in Indien‘.
Kavita Chowdhury, 28.December 2023
Die regierende Indische Volkspartei (BJP) bemüht sich um ein oppositionsfreies Parlament. In der letzten Parlamentssitzung vor den Neuwahlen im nächsten Jahr wurden Ende Dezember 2023 146 Parlamentsmitglieder wegen unliebsamer Anfragen an die Regierung und „ethischem“ Fehlverhalten aus Unter- und Oberhaus suspendiert, ein Vorgehen, das der oppositionelle INDIA Block aus 28 Parteien als autokratische und undemokratische Bulldozing-Strategie bezeichnete. In ihrer Abwesenheit verabschiedete die Regierung 14 teilweise umstrittene Gesetze wie drei neue Strafrechtsgesetze, die mit dem Anspruch der Dekolonisierung das 160 Jahre alte, von den Briten eingeführte Strafrecht ersetzen.
Kavita Chowdhury, India’s Opposition-free Parliament. The Diplomat, December 28, 2023
Die Bürgerrechtsorganisation PUCL fordert die Rücknahme der Suspendierungen von Mitgliedern des Parlaments, die ‚einen Schandfleck in der Geschichte der verfassungsmäßigen Demokratie in Indien‘ darstellen würden. Sie hätten zur Folge, dass 190 Millionen Menschen nicht im Unterhaus repräsentiert seien und im Oberhaus die von oppositionellen Parteien geführten Bundesstaaten weniger stark vertreten sind.
PUCL Press statement, Revoke suspension of 146 Members of Parliament. December 23, 2023
Deepanshu Mohan, 3. Januar 2024
Inzwischen tut der staatliche Machtapparat alles, um öffentlichen Widerstand und bürgerliche Freiheiten zu unterdrücken und Rechtsstaatlichkeit (Rule of law) durch Recht als von der Regierungsmacht definiertes Herrschaftsinstrument (Rule by law) zu ersetzen. Angesichts dieses Vorgehens stellt sich die Frage, wie Opposition überhaupt noch aussehen kann. Massenproteste auf der Straße scheinen derzeit die einzige Möglichkeit, Druck auf die Modi-Regierung auszuüben und sie zu Verhandlungen zu zwingen. Ein Beispiel dafür sind die Streiks der Lastwagenfahrer Anfang Januar 2024, die zumindest die Zusage der Regierung erreicht haben, die neuen Strafrechtsgesetze erst nach Konsultationen mit ihrer Gewerkschaft auch auf Delikte wie Fahrerflucht anzuwenden. Vorbild sind die gewaltfreien Bäuer*innenproteste von 2021/22, die eine Rücknahme von dreiLandwirtschaftsgesetzen erreichten. Um die indische Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gegen den staatlichen Autoritarismus zu verteidigen, sollten im Vorfeld der anstehenden Wahlen der oppositionelle INDIA Block Allianzen mit solchen Formen von ‚People’s Power’ bilden.
Deepanshu Mohan, Trucker Protests Are Another Instance of the Success of Street Politics. The Wire, 3. Januar 2024
22. Dezember 2023
Die Mehrzahl der als staatenlos identifizierten Personen in Assam sind Frauen, weil sie noch seltener als Männer offizielle Dokumente über den Aufenthalt ihrer Eltern und Großeltern in Indien vorweisen können. Wenn ein Tribunal sie mangels Papieren zu ‚Ausländer*innen‘ erklärt, werden sie in sogenannten Detention Centers interniert, selbst wenn sie schwanger sind. So sind die meisten Internierten in den Lagern Frauen mittleren Alters mit ihren Kindern. Einige waren bereits jahrelang in verschiedenen Lagern, ständig unterschiedlichen Formen physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt. Dadurch markieren die Bewacher*innen ihre Überlegenheit als indische Staatsbürger*innen an den Körpern der ‚Bangladeshi‘-Frauen und ihrer Kinder.
Deepanshu Mohan, Samragnee Chakraborty, Yashovardhan Chaturvedi, Hima Trisha M., Nitya Arora, Rieshav Chakraborty and Aman Chain, ‘I’d Cut My Saree Into Pieces to Cover My Child’: How Women Survive in Assam’s Detention Centres. The Wire, December 22, 2023
Siehe dazu auch das Dossier: Krisenherd Nordostindien
Redaktionsnetzwerk Südasien, Dezember 2023
Seit den terroristischen Anschlägen 2019 in Sri Lanka plant die Regierung ein Gesetz zur Online-Sicherheit. Im September 2023 legte das Ministerium für Öffentliche Sicherheit einen Gesetzentwurf vor, der darauf abzielt, Online-Kommunikation einschneidend zu regulieren, um – wie die Regierung sagt – Frauen und Kinder zu schützen, die Verbreitung von „falschen“ und „verbotenen“ Inhalten zu verhindern und Bedrohungen für die nationale Sicherheit abzuwenden. Das ohne öffentliche Beteiligung erarbeitete, komplexe Gesetz wurde Anfang Oktober ins Parlament eingebracht. Seither reißt die Kritik daran nicht ab: Mehrere Vorschriften schränken die Meinungsfreiheit und privaten Rechte schwerwiegend ein; der Präsident allein kann über die Besetzung der fünfköpfigen Regulierungskommission entscheiden; Maßstäbe für Anklagen und Bestrafung sind vage. Inzwischen hat der Oberste Gerichtshof den Entwurf auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft und die meisten Vorschläge bestätigt, dabei jedoch die menschenrechtlichen Einwände nicht ausreichend berücksichtigt. Jetzt gibt es Anzeichen, dass die Regierung einlenkt und demnächst zumindest eine umfassende öffentliche Beratung des Gesetzesentwurf organisieren könnte, die seit langem von Medienschaffenden wie der International Federation of Journalists gefordert wird.
Namashya Ratnayake and Taahira Lafir, Sri Lanka’s Proposed Online Safety Bill: Regulation, but at What Cost? Media Diversity Institute, December 9, 2023
Soorya Balendra, Falsehood vs. Free Speech: Competing Narratives of the Online Safety Bill. Groundviews, December 7, 2023
Sajini Wickramasinghe, UK and Sri Lanka: A Comparison of Two Online Safety Bills. groundviews, October 4, 2023
Rezwan, 22. November 2023
Im November 2023 sperrte Nepals Regierung überraschend TikTok, weil es laut offizieller Begründung "soziale Harmonie, Familienstruktur und –beziehungen“ zerstöre. Wenige Tage vorher hatte die Regierung eine neue Regelung eingeführt, die soziale Medien-Unternehmen verpflichtet, ein Büro im Land aufzumachen und strikte Regeln für Veröffentlichungen einzuhalten. Das Internet wird in Nepal nach Angaben der BBC von knapp zwei Dritteln der Erwachsenen genutzt, während andere Medien seit 2020 einen drastischen Einbruch erlebt haben. Eine Stellungnahme von nepalischen Journalist*innen und Menschenrechts-Aktivist*innen, veröffentlicht auf der Website von Freedom Forum, nennt das Verbot “unzeitgemäß und willkürlich”, einen ernsten Angriff auf die Demokratie und eine Schwächung von Bürger*innenrechten und Rechtsstaatlichkeit. TikTok wurde bereits in vielen Ländern verboten, meist wegen der Befürchtung, die Nutzer*innendaten könnten an die chinesische Regierung weitergeleitet werden.
Rezwan, Nepal's TikTok ban is the first step towards more government control on social media. In: Global Voices, November 22, 2023
Ananya Bhattacharya, Is Nepal's TikTok ban unconstitutional and undemocratic? In: Quartz, November 14, 2023
Im Bezirk Gadchiroli im Bundesstaat Maharashtra protestieren seit dem 11. März 2023 Adivasi gegen die Vergabe von Pachtverträgen für die Eröffnung von sechs Minen zum Eisenerzabbau. Das Waldgebiet von fast 5.000 Hektar ist bislang Lebensraum und – grundlage für die Madia-Gond. Der Bergbau würde Land, das ihnen heilig ist, ihre landwirtschaftliche Existenzgrundlage und ihre Gesundheit zerstören. Bereits jetzt werden in den Surjagarh-Bergen durch Minen, die 2011 den Betrieb aufgenommen haben, die umliegenden Gebiete, Flüsse und Felder mit dem rotem Staub aus den Minen und durch Abwässer kontaminiert. Die Gesundheit der Bevölkerung ist seitdem massiv beeinträchtigt. Am 10. November wurde der Protest durch einen brutalen Polizeieinsatz zerschlagen, Aktivist*innen inhaftiert. Die Sicherheitsbehörden behaupten, dass die Proteste von der bewaffneten und verbotenen Bewegung der Naxaliten unterstützt würden, ein seit Jahrzehnten gängiges Narrativ, um gegen jeden Widerstand der Adivasi vorzugehen und ihre Rechte zu unterlaufen, indem sie als „Maoist*innen“ und als „antinational“ abstempelt werden.
Redaktionsnetzwerk Südasien, Dezember 2023
Sozialreformer*innen, Revolutionär*innen und historische Vorkämpfer*innen der Adivasi (von rechts nach links): Bhagat Singh, Jyotiba Phule, Savitribai Phule, Rani Durgavati, Dr. B.R. Ambedkar, Birsa Munda.
Quelle: Sabrangindia, 21. November 2023
Anjali und Shubha, 22. November 2023
Am Morgen des 20. November wurde der Ort Todgatta im Distrikt Gadchiroli in Maharashtra von einem großen Polizeiaufgebot umstellt und anschließend zerstört. In dem Dorf hatten Demonstrant*innen aus über 70 Adivasi-Dörfern seit acht Monaten friedlich gegen die sechs geplanten und versteigerten Eisenerzminen protestiert.
Anjali und Shubha, Gadchiroli: Police Arrest 21 After 'Brutal Crackdown' on 8-Month Adivasi Protest Against Mining, in: The Wire, November 22, 2023
5. Dezember 2023
In einer Solidaritätserklärung haben indische zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Solidarität mit dem Kampf der Adivasi im Bezirk Gadchiroli zum Schutz ihres Landes und ihrer Wälder gegen Eisenerzabbauprojekte bekundet.
sabrangindia, November 21, 2023
Der Artikel stellt die Ergebnisse eines Berichts vor, der bei einer öffentlichen Versammlung und Pressekonferenz in Neu-Dehli am 20. November 2023 zum Thema "Bewegung gegen Vertreibung und staatliche Repression" veröffentlicht wurde. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Forum gegen Privatisierung und Militarisierung. Dokumentiert werden unterschiedliche Aspekte des Kampfes der Adivasi in Gadchoroli seit 2005 (mit einer Zeitleiste des Bergbaus in Surjagarh und Hinweisen auf weiterführende Informationen).
Chandi Prasad Bhatt, born 1934, is the Gandhian activist best known for the pioneering groundwork which led to the start of Indian environmentalism, when in the early 1970s Himalayan peasant women “hugged the trees” as a form of non-violent protest against the logging of age-old forests, resulting in the internationally renowned Chipko Movement. Inspired by the Sarvodaya messages of Vinoba Bhave and Jayaprakash Narayan he renounced the security of a salaried career in favour of full-time social work. Gentle Resistance outlines the core sympathies of a man who fought to make women the equals of men, and who rejected caste to embrace Dalits as no different from himself. Beyond that, it shows us an unfamiliar aspect of India – peasant life in forested mountains where demanding weather conditions, a fragile ecology, and lack of opportunity blend into an eco-system being changed only now by consumerism and modernity.
Gentle Resistance: The Autobiography of Chandi Prasad Bhatt, by Samir Banerjee, Published by Permanent Black, October 2023
Abdul Khaliq, 18. November 2023
In Pakistan findet gerade eine massive Privatisierungswelle statt. Der IMF macht massiven Druck auf das hochverschuldete Pakistan, Staatsunternehmen und öffentliche Einrichtungen zu privatisieren oder zu zwingen, mit privaten Unternehmen zu kooperieren (Public Private Partnership). Zunächst werden die National Highway Authority (NHA), die Pakistan National Shipping Corporation (PNSC), die Pakistan Broadcasting Corporation (PBC) und die Pakistan Post privatisiert.
Abdul Khaliq, New wave of IMF-Imposed Privatisation in Pakistan. In: CADTM, November 18, 2023
Maryam Missal, 17. Oktober 2023 / Qaiser Sherazi, 16. Oktober 2023
Im Oktober 2023 hatte die Ankündigung, dass mehr als 11.000 Schulen privatisiert und damit Kürzungen der Renten und Urlaubsgelder einhergehen würden, zu Protesten von Lehrer*innen geführt. Im Punjab verlangen Lehrer*innen-Assoziationen, dass die Regierung die Entscheidung zurücknimmt, 1.000 öffentliche Schulen an die private Organisation Muslim Hands Pakistan zu übergeben. Daraufhin suspendierte die Regierung streikende Lehrer*innen vom Dienst, auch wurden Lehrer*innen verhaftet.
Maryam Missal, Why Are Teachers Protesting? Auf: voicepak.net, October 17, 20
Qaiser Sherazi,Protesting educators suspended. In: The Express Tribune, October 16, 2023
Usman Khan, 17. November 2023
Da als nächstes die Privatisierung der Fluggesellschaft Pakistan International Airlines (PIA) ansteht und dort auch mit Protesten zu rechnen ist, hat das Kabinett ein Verbot von gewerkschaftlichen Aktionen und Streiks für die Angestellten der Fluglinie verhängt.
Usman Khan, Govt enacts Compulsory Service Act to avert protests in PIA privatisation, auf: SamaaTV, November 17, 2023
30. November 2023
Arbeit und Arbeitkämpfe: Die 41 Arbeiter, die beim Einsturz des Silkyara-Tunnels im nordindischen Uttarakhand am 12. November 2023 eingeschlossen wurden, sind zwar nach 17 Tagen in einer dramatischen Aktion gerettet worden. Damit geraten die Ursachen für die Beinahe-Katastrophe, die bereits bei der aktuellen Berichterstattung kaum erwähnt wurden, wieder in Vergessenheit. Wie die Umweltorganisation South Asia Network on Dams, Rivers and People (SANDREP) berichtet, sind die Warnungen von zahllosen Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen, darunter der bekannte Geologe CP Rajendran in Newsclick,vor einem Bau in dem ökologisch fragilen und erdbebengefährdeten Gebiet systematisch ignoriert worden. Ein Grund für die schludrige Planung und übereilte Durchführung ist nach Auffassung der Working Peoples Coalition der Druck der Regierung, die Verkehrsverbindungen zwischen vier hinduistischen Pilgerstätten auszubauen – Hindutva-Politik im Vorfeld der nächsten Wahlen ohne Rücksicht auf das Leben von Arbeitern. Redaktionsnetzwerk Südasien
The Working Peoples’ Coalition (WPC), Rescue the Workers! Create accident-free workplaces! Erklärung vom 27. November 2023. Posted by Indian Labour Solidarity auf Twitter/X
Rashme Sehgal, Finally, a Light at the end of Silkyara Tunnel? In: newsclick, November 24, 2023
SANDRP, Nov 2023 Uttarakhand Barkot-Silkyara Tunnel Disaster: Where is rescue plan? November 15, 2023
All-India Feminist Forum, 20. November 2023
Feminismen/Queer: Das Statement des All-India Feminist Forum weist am 20. November, dem Tag, an dem an Transgender-Personen erinnert wird, auf deren Kämpfe gegen erfahrene Ungerechtigkeit und Gewalt hin, die in vielen indischen Bundesstaaten und weltweit stattfinden. Es erinnert vor allem an diejenigen, die entwürdigt, gequält, ermordet oder zur Selbsttötung gtrieben wurden. Sowohl die strukturelle institutionelle als auch die familiale Gewalt gegen Transgender-Personen bleibt oft unsichtbar und schließt sie von sozialer Sicherheit und Menschenrechten wie dem Recht auf Gesundheit und dem Recht auf Wohnung aus. Die vorherrschende gesellschaftliche Heteronormativität führt zu Transgender-Phobie. In Indien wurde das Transgender-Gesetz von 2019 nicht systematisch umgesetzt: Der Zugang zu Gesundheitsdiensten bleibt schwierig, Personalausweise für Transgender-Personen werden nur mit großen Verzögerungen ausgestellt, es wurden weder Quoten für Transgender-Personen eingeführt noch ein Wohlfahrtskomitee für sie eingerichtet. Das Statement fordert nachdrücklich Solidarität mit den Kämpfen von Transgender-Personen für Selbstbestimmung und Würde.
All-India Feminist Forum: National Alliance of People’s Movements, Transgender Day of Remembrance Statement, Remembrance and Resistance against Gendered Crimes & Injustices! November 20, 2023. Download (pdf)
Prachi Dubey, 2023
Feminismen: Obwohl in Indien eine Vielzahl von Gesetzen den Schutz von Frauen vor Gewalt und Diskriminierung garantieren und eine rechtliche Gleichstellung und ihr Empowerment fördern soll, hat sich auch nach der national und international skandalisierten Vergewaltigung und Ermordung von Nirbhaya 2012 die Sicherheitslage für Frauen nicht verbessert. Stattdessen ist eine anti-feministische Männerrechtsbewegung entstanden, die Männer vor „falschen Beschuldigungen“, aber auch vor sexueller Belästigung und Gewalt durch Frauen schützen will. Sie fordert eine geschlechterneutrale Umformulierung des Vergewaltigungsgesetzes, das bisher nur Männer als Schuldige vorsieht. Auch Transgender-Personen und gleichgeschlechtliche Paare fordern an Stelle einer „rechtlichen Bevorzugung“ von Frauen Gleichheit vor dem Gesetz durch Schutz vor Diskriminierung und Gewalt. Der Beitrag gibt einen Überblick über die geschlechtsspezifische Gesetzeslage und fordert eine geschlechtsneutrale gleichheitsorientierte Reformulierung von Gesetzen, was mit einem internationalen Trend korrespondiert.
Prachi Dubey, Gender Neutrality in India and it’s Analysis, in: India Law Journal, 2023
Arafatul Islam, 7. November 2023
Nachdem der Verband der Textilunternehmen, BGMEA, am 22. Oktober eine Anhebung des Mindestlohns von 8.300 taka (umgerechnet 72 Euro) um 2.000 bis 4.000 taka verkündet hatte, kam es in der Hauptstadt Dhaka zu großen Demonstrationen und teils gewaltsamen Protesten, hunderte Fabriken blieben geschlossen. Gewerkschaften fordern angesichts einer hohen Inflation seit Monaten eine Verdreifachung des Mindestlohns. Bangladesch ist der zweitgrößte Textilproduzent der Welt nach China, von den rund vier Millionen Beschäftigten sind die meisten Frauen. Die Fabriken beliefern unter anderem bekannte Marken wie Adidas, H&M, Nike, Marc O’Polo und Zara. Bogu Gojdz, Sprecherin der Clean Clothes Campaign, forderte die Firmen auf, die Gewerkschaftsforderung zu akzeptieren.
Arafatul Islam, Bangladesh: Garment workers say current wages unsustainable, In: Deutsche Welle, 7. November 2023
Eine Studie des Forschungsinstituts Centre for Policy Dialogue (CPD) zeigt, dass die Löhne in der Textilindustrie von Bangladesch niedriger liegen aus in Kambodscha, China, Indien, Indonesien und Vietnam.
Redaktionsnetzwerk Südasien, 2. November 2023
Politische Krise:Die folgenden vier Texte beleuchten unterschiedliche Aspekte des Kontexts, in dem die heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Awami League (AL), die in Bangladesch seit 2008 unter Premierministerin Sheikh Hasina an der Regierung ist, und der Opposition, der Bangladesh Nationalist Party (BNP) stattfinden. Gewaltförmige Konfrontationen auf den Straßen Dhakas, politische Schlammschlachten, Repressionen gegen BNP-Aktivist*innen und Regierungskritiker*innen aus der Zivilgesellschaft, Streikaufrufe und sogar einige politisch motivierte Morde bestimmen die Schlagzeilen im Vorfeld der nächsten Wahlen im Januar 2024. Die BNP fordert eine unparteiische Übergangsregierung, unter der dann feie und faire Wahlen durchgeführt werden sollen. Sie boykottierte die Wahlen 2014 und 2018, weil sie nach ihrer Auffassung von der AL-Regierung manipuliert waren.
Mubashar Hasan, 30. Oktober 2023
On October 28, the Bangladesh Nationalist Party (BNP) organized a massive rally in Dhaka. Despite police intimidation, thousands of people from all over the country converged at the capital to demand the resignation of Prime Minister Sheikh Hasina and the installation of a non-partisan caretaker government to oversee national elections to be held in January 2024.
Mubashar Hasan, Bangladesh Government Doubles Down on Pressure Campaign Against Opposition.The Diplomat, October 30, 2023
Nava Thakuria, Uncertainty looms as Bangladesh awaits another chaotic elections. Tehelka, October 1, 2023
Bereits Mitte September 2023 waren die beiden bekannten Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation OdhikarAdilur Rahman Khan and Nasiruddin Elan verhaftet worden. Sie hatten eine Dokumentation über 61 Morde im Jahr 2013, verübt von Polizeibeamten, veröffentlicht. Nach internationalen Protesten von Menschenrechtsnetzwerken wurden sie Mitte Oktober auf Kaution freigelassen.
Forum Asia, October 6, 2023
Mubashar Hasan, 26. September 2023
Umfragen haben gezeigt, dass bei der Bevölkerung Bangladeschs allgemeine staatsbürgerliche und politische Rechte sogar noch vor wirtschaftlichen und sozialen Rechten rangieren. Gefordert wird, dass Regierungen für die Verletzung von Menschenrechten zur Verantwortung gezogen wird. Große Teile der Bevölkerung fürchten, dass die Demokratie mit Füßen getreten wird, und zwar durch Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit, Wahlfälschungen und Unterdrückung oppositioneller Stimmen. Protest wird aber auch von den astronomischen Lebenshaltungskosten angetrieben.
Mubashar Hasan, What Do Bangladeshis Think About Democracy, Human Rights, and Elections? The Diplomat, September 26, 2023
Redaktionsnetzwerk Südasien, Oktober 2023
Repression: Am Morgen des 3. Oktober 2023 wurden Wohnungen und Arbeitsräume von fast 100 Journalist*innen und Aktivist*innen, die mit dem Nachrichtenportal NewsClick direkt oder indirekt in Verbindung stehen, durchsucht und Telefone, Laptops, Festplatten und Bücher beschlagnahmt. Die Aktion führte eine Sondereinheit der Polizei von Delhi durch, die normalerweise Terrorismusfälle untersucht. NewsClick wird vorgeworfen, Gelder von einem pro-chinesischen Lobbyisten aus den USA angenommen zu haben, um die Politik der indischen Regierung zu kritisieren und chinesische Propaganda zu verbreiten. Prabir Purkayastha, Herausgeber von NewsClick, und Amit Chakravarty, Personalleiter des Nachrichtenportals, sollen zudem einen Teil der Gelder auf die Konten von prominenten Menschenrechtsaktivist*innen geleitet haben. Purkayastha und Chakravarty wurden auf der Grundlage des Gesetzes zur Verhinderung rechtswidriger Handlungen (Unlawful Activities (Prevention) Act) festgenommen. Reporter ohne Grenzen erklärte Indien im vergangenen Jahr zu einem der gefährlichsten Länder für Journalist*innen.
Ajoy Ashirwad Mahaprashasta, 5. Oktober 2023
Die Durchsuchungen bei NewsClick und die Verhaftungen führender Mitarbeiter lösten Befürchtungen aus, dass der kritische Journalismus vor den Parlamentswahlen 2024 zum Schweigen gebracht werden soll. NewsClick-Journalist*innen berichteten, dass die Polizei sie am 3. Oktober immer wieder danach fragte, warum sie über Themen berichteten, die Indien in einem schlechten Licht darstellen würden.
Ajoy Ashirwad Mahaprashasta, This Is the Biggest Crackdown on the Indian Press by the Indian State. The Wire, October 5, 2023
Taru Bhatia, 8. Oktober 2023
Bericht einer jungen NewsClick-Journalistin über die Razzien am 3. Oktober: Für ein Journalistin sei es eine verzweifelte, hoffnungslose Situation. 'Umso mehr, als wir jetzt wissen, dass sie auch Nachwuchskräfte und freie Mitarbeiter*innen nicht verschonen werden, wenn sie beschließen, gegen eine Nachrichtenorganisation vorzugehen’.
Taru Bhatia, Witnessing the NewsClick raids, up close and personal.Scroll.In, October 08, 2023
The Wire Staff, 9. Oktober 2023
In der Strafanzeige gegen den NewsClick-Herausgeber Purkayastha wird indirekt behauptet, dass die Samkyukt Kisan Morcha (SKM), der Zusammenschluss von mehr als vierzig indischen Gewerkschaften der Bäuerinnen und Bauern zur Koordinierung des gewaltlosen Widerstands gegen die im September 2020 erlassenen Agrargesetze, darauf abzielen würde, die Versorgung der Menschen mit lebenswichtigen Gütern zu unterbinden und die öffentliche Ordnung in Indien zu stören. Die Bewegung der Landwirt*innen wies diese Anschuldigung in einer Stellungnahme zurück.
The Wire Staff, 'Extent of Falsehoods Astounding': Farmers Launch Nationwide Protest Against Allegations.The Wire, October 9, 2023
Shiv Inder Singh, 11. Oktober 2023
Bäuerinnen und Bauern, Arbeiter*innen, Studierende, Menschenrechts- und Kulturorganisationen im Bundesstaat Punjab haben ihre Stimme gegen die von der Polizei in Delhi eingereichte Anzeige gegen NewsClick und zahlreiche mit dem Unternehmen verbundene Journalist*innen erhoben und dies als Angriff auf die Demokratie und die Meinungsfreiheit bezeichnet.
Shiv Inder Singh, Voices Raised in Favour of NewsClick on a Large Scale in Punjab. NewsClick, October 11, 2023
Bei einem Treffen der SKM am 20. Oktober appellierte die Kampagnen-Leitung an die Menschen, die BJP in fünf wahlentscheidenden Bundesstaaten abzuwählen. Die SKM kündigte an, dass die Bäuer*innen nach einer Kampagne auf Dorfebene im ganzen Land am 6. November Kopien der Strafanzeige gegen NewsClick verbrennen werden.
Ravi Kausha, BJP Defaming Farmers' Movement, Will Appeal to People to Defeat it: SKM.NewsClick, October 21, 2023
The Wire, 28.09.2023
Autoritarismus: Seit Jahrzehnten kämpfen Migrant*innen aus Bangladesh in Assam darum, Dokumente für die indische Staatsbürgerschaft zu bekommen. Unter dem Vorwand, sie seien illegal eingewandert, stufte die indische Wahlkommission 1997 mehr als 100.000 Menschen als „fragwürdige“ (doubtful) Wahlberechtigte (D-Voters) ein und behielt ihnen damit das Stimmrecht vor. Jetzt hat der autoritäre Überwachungsstaat Mechanismen geschaffen, um „undokumentierte“ Migrant*innen im Land aufzuspüren. Zudem wurden Tribunale für „Ausländer*innen“, vor allem für bengalische Muslime eingerichtet, die dabei die Beweislast für die Staatsbürgerschaft tragen. Ziel der Maßnahmen ist es, ihnen die staatsbürgerlichen Rechte zu verweigern und sie letztlich zu internieren. Viele seit Jahrzehnten in Assam lebende Zugewanderte engagieren Rechtsbeistand, um die für die Beantragung der Staatsbürgerschaft notwendigen Dokumente zu besorgen. Das wiederum scheitert jedoch häufig daran, dass eine große Zahl von ihnen in Armut lebt und sich die hohen Verfahrenskosten nicht leisten kann. Die Exklusion auf staatsbürgerlicher wie auf wirtschaftlicher Ebene gehen Hand in Hand.
For 'Doubtful Voters' of Assam, Financial Precarity Makes Citizenship Quest Doubly Hard. In: The Wire, September 28, 2023
Siehe dazu die ausführliche Analyse Pushed into the fringes of Poverty: The D-Voters of Assam, Azaad Awaaz, Vol VII, Issue II
Siehe auch das Dossier: Krisenherd Nordostindien
Zaen Alkazi, 25.09.2023
Arbeit und Arbeitskämpfe: Am 2. Juni 2023 stießen im ostindischen Bundessstaat Odisha zwei Personen- und ein Güterzug mit hoher Geschwindigkeit zusammen, 288 Menschen kamen dabei ums Leben. Es war das verheerendste Eisenbahnunglück in Indien seit 1995. Bei der Suche nach den Ursachen wurden die Arbeitsbedingungen der Arbeiter*innen der indischen Eisenbahngesellschaft, die die größte Belegschaft des öffentlichen staatlichen Sektors bilden, weitestgehend ignoriert. Seit drei Jahrzehnten ist die Anzahl der Beschäftigten der indischen Staatsbahn um ein Viertel zurückgegangen, während in dieser Zeit die Gesamtstreckenlänge um 18 Prozent ausgebaut wurde und sich die Anzahl der Waggons um 21 Prozent und die der eingesetzten Lokomotiven um 57 Prozent erhöht hat. Entsprechend haben die psychischen und physischen Belastungen von Lokomotivführer*innen, besonders im Güterverkehr („Loco pilots“) enorm zugenommen durch Ausdehnung der Arbeitszeiten, häufige Nachtschichten und eine Verringerung der Ruhephasen zwischen den Schichten. Während die Lokführer*innen somit an ihre Belastungsgrenzen (und darüber hinaus) getrieben werden, um den Abbau der Belegschaft auszugleichen, werden gleichzeitig keine neue Bewerber*innen eingestellt.
Zaen Alkazi, Pushed to the Limit. The Working Lives of India’s Freight Train Drivers. The Wire, 25.September 2023
Knapp 30 Jahre nach seiner Formulierung wurde das Gesetz zur Frauenquote im indischen Parlament verabschiedet. Es kann aber nicht die strukturelle Diskriminierung von Frauen auf dem Land, aus muslimischen und niedrigkastigen Gruppen sowie den grassierenden Sexismus beseitigen. Redaktionsnetzwerk Südasien, September 2023
Banani Gosh, 22.09.2023
Feminismen: Am 22. September 2023 hat das indische Parlament mit Zustimmung der regierenden BJP ein Jahr vor der nächsten Wahl ein verfassungsänderndes Gesetz verabschiedet, durch das eine Quotierung von 33 Prozent für Frauen eingeführt wird. Ein derartiger Beschluss war seit 1996 mehrmals gescheitert, während eine Quotierung in politischen Institutionen auf lokaler Ebene seit 1994 praktiziert wird. Weil Frauen eine sehr heterogene Gruppe sind, fordern Muslima und Frauen aus rückständigen Kasten (OBC) eine Reservierung innerhalb der Quotenregelung, so wie es sie auch für Personen aus SC/ST (gelistete Kasten und „Stämme“) im Parlament gibt.
Banani Ghosh, The Women’s Reservation Bill: Contexts And Concerns. In: Feminism in India, September 2023
Mehwash Hussain, 08.09.2023
Feminismen: Das neue Quotengesetz ändert nichts an den vielen Hindernissen für politische Partizipation von Frauen, die auf der strikt patriarchalen dörflichen Ebene und durch Ausschluss von Bildung bestehen. Politisch aktive Frauen werden immer wieder auf Kochen und Kinder verwiesen und durch Internet-Trolle persönlich diskreditiert und attackiert.
Mehwash Hussain, Why Do Rural Women Have Little To No Opportunity To Participate In Politics? In: Feminism in India, September 8, 2023
Shreya K Sugathan, 29.09.2023
Feminismen: Kerala gilt mit seiner Frauenquote von 50 Prozent für lokale politische Institutionen als progressiv in bezug auf politische Repräsentation von Frauen. Doch noch nie waren mehr als zehn Prozent Frauen im Parlament des Bundesstaats. Sexismus in allen Parteien und durch Internet-Trolle sind Alltag, während der bekannte Schauspieler Alencier Ley Lopez die echte Maskulinität politischer Führer feiert. Das neue Quotengesetz ändert dieses männliche Ethos in der Politik nicht. Nur Frauen, die sich an diese Spielregeln anpassen, haben überhaupt Chancen. Im gesellschaftlichen Bewusstsein muss sich vieles ändern, damit politische Partizipation tatsächlich zu einem kollektiven Empowerment führt.
Shreya K Sugathan, We Appreciate Women In Politics, Especially If They Are Men: ‘Masculinised Ethos’ Of Kerala Politics. In: Feminism in India, September 29, 2023
Santosh Sharma Poudel, 16.9.2023
Religiöse Spannungen sind ein relativ neues Phänomen in Nepal, einem Land mit mehrheitlich hinduistischer Bevölkerung. Die 2008 verabschiedete neue Verfassung, die die absolute, von höherkastigen Eliten dominierte Monarchie ablöste, erklärte Nepal zu einem ‚säkularen Staat’. Doch die Idee des Säkularismus wurde von der Mehrheit nicht getragen, die Verfassung wurde verwässert, selbst in den großen säkularen Parteien gibt es Widerspruch, wichtige politische Entscheidungsträger bleiben ambivalent. Die Stimmen, die eine Rückkehr zu einem hinduistischen Staat fordern, wurden stärker und bekamen durch den Erfolg der BJP in Indien weiter Aufwind. Redaktionsnetzwerk Südasien
Santosh Sharma Poudel, What’s Driving Hindu Nationalism in Nepal? In: Countercurrents, September 16, 2023
Redaktionsnetzwerk Südasien, August 2023
Am 9. Juli jährte sich in Sri Lanka der erste Jahrestag des historischen Volksaufstandes („Janatha Aragalaya"). Das Land war hoch verschuldet und konnte nur durch immer neue Hilfskredite von Woche zu Woche überleben, es mangelte an überlebenswichtigen Gütern, Grundnahrungsmittel wurden für arme Bevölkerungsgruppen so gut wie unerschwinglich. Die Bewegung zwang schließlich Präsident Gotabaya Rajapaksa und Premierminister Mahinda Rajapaksa aus dem Amt. Nach der Wahl von Ranil Wickremesinghe zum Staatspräsidenten am 21. Juli 2022 wurde die im Wesentlichen spontan und von unten agierende Protestbewegung zerschlagen, mit dem Internationalen Währungsfonds IIWF ein „Rettungspaket“ ausgehandelt. Die wirtschaftlichen Probleme bestehen nach wie vor, Nahrungsmittel sind überteuert, viele Kinder unterernährt und neue Sozialprogramme schließen Teile der Bedürftigen von Sozialleistungen aus. Besonders hart trifft es Frauen, die neben Reallohnkürzungen vermehrt Care-Arbeit leisten müssen. Trotz der staatlicher Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen, der Verschiebung von Kommunalwahlen und repressiver Gesetzesvorhaben versucht die Zivilgesellschaft weiterhin Druck auf die Regierung aufzubauen, derzeit hauptsächlich in Form von gewerkschaftlichen Protesten und Streiks.
Zinara Rathnayake, 15. August 2023
In Sri Lanka hungert heute fast die Hälfte der Kinder unter fünf Jahren. Eine sehr alarmierende Situation, so Unicef Sri Lanka.
Zinara Rathnayake, No milk, no eggs, small hope: fears rise for Sri Lanka’s malnourished children, in: The Guardian, August 15, 2023
Ambika Satkunathan, 31.Juli 2023
Die Militarisierung des Staates wird fortgesetzt. Gesetze wie der Bureau of Rehabilitation Act und der Anti-Terrorism Act sind eine logische Folge der Nachkriegsmilitarisierung des Nordens und Ostens Sri Lankas.
Ambika Satkunathan, Sri Lanka continues to militarise the state, despite the Rajapaksas’ fall, in: HIMĀL Southasian, July 31, 2023
Tasnim Nazeer, 12. Juli 2023
Marginalisierte und verarmte Bevölkerungsgruppen tragen die Hauptlast der Politik der früheren Regierung, unter der eine Kultur der Straflosigkeit, Korruption und Kriegsverbrechen zur Norm geworden war. Auch wenn es kaum noch offenen Protest gibt, die Forderung nach Gerechtigkeit ist ungebrochen.
Tasnim Nazeer,1 Year Later, Sri Lanka’s Struggle Continues - On the first anniversary of the people’s uprising, the spirit of dissent among Sri Lankan citizens remains strong, in: The Diplomat, July 12, 2023
Civil society statement, 23. Juni .2023
Besorgniserregend ist der anhaltende Missbrauch von Gesetzen wie des Gesetzes aus dem Jahr 2007 über den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) und dessen selektive Anwendung zur Verletzung der Meinungsfreiheit. Der Staat benutzt das ICCPR, das der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte dienen sollte, systematisch dazu Kritiker*innen und Aktivist*innen zum Schweigen zu bringen. Dagegen regt sich zivilgesellschaftlicher Protest.
Sri Lanka: Civil society statement condemning the abuse of the ICCPR Act to violate the freedom of expression, in: Sri Lanka Brief, June 23,.2023
Civicus, 7. Juli .2023
Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen äußert sich ebenfalls besorgt über die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung in Sri Lanka. Die Maßnahmen der srilankesischen Regierung ermutigten chauvinistische und gewalttätige extremistische Gruppen dazu, Einzelpersonen wegen ihrer Äußerungen ins Visier zu nehmen, zu bezeichnen und offen zu bedrohen.
Despite UN calls to protect civic freedoms, government targets activists and critics and stifles dissent – CIVICUS. In: Sri Lanka Brief, July 7, 2023
Feminist Collective for Economic Justice (FCEJ), 8. Mai 2023
Das Feminist Collective for Economic Justice (FCEJ)hat im Frühjahr 2023 Untersuchungen zu Sozialen Sicherungssystemen durchgeführt. Ein Dossier vom Mai 2023 enthält die wichtigsten Ergebnisse und gibt Empfehlungen für eine geschlechtsspezifische soziale Absicherung.
FCEJ Policy Brief, Social Protection for Sri Lanka: A Progeressive Gender Sensitive Response to the Crisis, Policy Brief
Feminist Collective for Economic Justice (FCEJ), 8. Mai 2023
Um den Überprüfungsprozess zur Identifizierung von Empfänger*innen für das von der Weltbank und dem IWF empfohlene neue Sozialhilfeprogram Aswesuma besser zu verstehen, führte das Feministische Kollektiv für wirtschaftliche Gerechtigkeit (FDEJ) in vier Bezirken - Jaffna, Batticaloa, Colombo und Kilinochchi - Befragungen durch.
FCEJ, World Bank and IMF’s targeted discourse against working poor of Sri Lanka, in: Daily FT, Sri Lanka, May 08, 2023
National Alliance of People’s Movements (NAPM), Press release, 13.8.2023
Am 12.August 2023 wurden die Gebäude der gandhianischen Organisation Sarva Seva Samiti nahe der nordindischen Pilgerstadt Varanasi in einer brutalen Aktion zerstört. Den Bulldozern fiel auch die sechs Jahrzehnte alte Bibliothek zum Opfer, die 10.000 Bücher zum Gedankengut von Mahatma Gandhi, Acharya Binoba und Jayprakash Narayan enthielt. Trotz einer großen Protestveranstaltung am Vortag gegen die repressive BJP-Politik in den Bundesstaaten Uttar Pradesh und Haryana und einer ausstehenden Entscheidung des zuständigen Gerichts schickte die Regierung von Uttar Pradesh die Bulldozer, um diese wichtige Quelle für die politische Geschichte Indiens platt zu machen.
In: Countercurrents, August 2023
National Alliance of People’s Movements, Press release, 25.07.2023
Eine geplante Ergänzung zum nationalen Waldschutzgesetz (Forest Right Act, 2006) ruft in 16 indischen Bundesstaaten heftige Proteste von Klima- und Waldaktivist*innen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Wissenschaftler*innen hervor. Obwohl in indischen Städten die Temperaturen ins Unerträgliche steigen, sollen durch das neue Gesetz große Waldflächen freigegeben werden, um „Entwicklungs- und Sicherheitsprojekte von nationaler Bedeutung“ durchzuführen. Das betrifft insbesondere Regionen, in denen Adivasi leben, die Bergkette der Western Ghats (einschließlich Goa) und Gebiete im Nordosten, deren Reichtum an biologischer Vielfalt und deren Bedeutung als wichtige CO2-Senken dadurch bedroht sind.
National Alliance of People’s Movements, Press release, July 25, 2023
Juli 2023
Seit Anfang Mai tragen verschiedene Ethnien im nordöstlichen indischen Bundesstaat Manipur ihre Konflikte mit brutaler Gewalt aus. Anlass war, dass die Bevölkerungsmehrheit der Meitei, vorwiegend in den Tälern lebende Hindus, ebenso wie die beiden Ethnien der Kuki und Naga, die in den Bergen wohnen und mehrheitlich Christen sind, in das indische Quotensystem (‚Reservation system’) aufgenommen werden wollen. Das würde ihnen feste Anteile bei Regierungsjobs, im Parlament und im Bildungssystem sichern. Mindestens 160 Personen haben bisher ihr Leben verloren, 400 Kirchen sollen zerstört und 50.000 Christinnen und Christen vertrieben worden sein. Die Regierung in Delhi schweigt zu den Ereignissen, hat aber tausende Soldaten in die Region geschickt. Inzwischen wird aber auch heftig gegen die eskalierende Gewalt protestiert, unter anderem von Frauen. Redaktionsnetzwerk Südostasien
Manipur women rise against ethnic violence
Murali Krishnan,10. Oktober 2023
As ethnic conflict rages on in Manipur, women groups are organizing protests amid the violence between the majority Meitei and tribal Kuki communities that has claimed more than 130 lives since it first broke out in May. Women are challenging the government and security forces in India's Manipur as deadly unrest sweeps across the state. The army accuses them of aiding the rioters.
Murali Krishnan,In: Deutsche Welle, Oktober 7, 2023
Die folgenden beiden Artikel berichten, wie sexualisierte Gewalt systematisch als Waffe von den Konfliktparteien eingesetzt wird, was eine lange Geschichte in Indien hat.
Sangeeta Barooah Pisharoty, Manipur Video: What Connects 3 Kuki Women Stripped, Paraded Naked to Manorama and Bilkis Bano? DW, 21.07.2023
Tora Agarwala, Everyone should know what happened to us: Four Kuki women recount butal assaults they survived. In: scroll, 21.07.2023
Die Regierung hat eine Internet-Sperre für Manipur verhängt, vorgeblich um zu verhindern, das 'Fake News' verbreitet werden. Die beiden folgenden Artikel diskutieren diese Maßnahmen als Einschränkung der Informationsfreiheit, was mehr Schaden als Nutzen bringen würde.
John Brittas, Manipur Is Further Proof That Internet Shutdowns Do More Harm than Good. In: The Wire,14.07.2023
Srinivas Kodali, We Can’t Look Away From Internet Shutdowns in Manipur. In: scroll, 20.07.2023
Derweil äußern zivilgesellschaftliche Kreise, Frauenorganisationen und andere soziale Bewegungen zunehmend Kritik am ignoranten Verhalten der Regierung und protestieren gegen die unerträgliche sexuelle Gewalt in dem Konflikt.
Presseerklärung von Frauenorganisationen und besorgten Bürger*innen, In: Countercurrents, 21.07.2023
Offener Brief der National Alliance of People's Movements (NAPM) und anderer Organisationen an die indische Präsidentin, 22.07.2023
Siehe auch das Dossier: Krisenherd Nordostindien
Feminismen: Seit Januar 2023 protestieren mehrere indische Ringer*innen, die olympische Medaillen gewonnen haben, gegen die sexuelle Gewalt, die ihnen jahrelang von dem Präsidenten des indischen Ringerverbands Brijbhushan Sharan Singh angetan wurde. Singh ist auch Parlamentsabgeordneter der BJP. Während Premierminister Modi zu den Vorwürfen schweigt, erfahren die Ringer*innen Solidarität von unterschiedlichen Seiten. So von Frauen, die die Ringerinnen als Pionierinnen einer selbstständigen Lebensweise feiern, und von Aktivist*innen aus der Bäuer*innenbewegung von 2020, weil die Polizei sich wieder einmal weigert, Anzeigen aufzunehmen.
Why the wrestlers’ protest matters so much to the sisterhood of working women
von Shrayana Bhattacharya, in: Times of India, June 3, 2023. In: Times of Indi
Indian farmers break down barricades to join protesting wrestlers
Al Jazeera, May 8, 2023
Rathindra Kuruwita, 28.04.2023
Autoritarismus: In Sri Lanka gilt immer noch ein drakonisches Gesetz zur Terrorismusvorbeugung aus der Zeit des Bürgerkriegs zwischen der Sri Lankesischen Regierung und der militanten tamilischen Organisation LTTE. Die nun vorliegende Neuformulierung eines Anti-Terrorismus-Gesetzes ist jedoch nicht weniger rabiat und klingt wie eine Antwort auf die sri-lankesische Demokratiebewegung von 2022. Deren Proteste richteten sich gegen die Wirtschaftskrise und die vom IWF verordneten Sparmaßnahmen, drückten aber auch eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem politischen Establishment aus. Der zivilgesellschaftliche Widerstand artikuliert sich derzeit in gewerkschaftlichen Protesten und Streiks. Das neue Gesetz würde der Regierung eine Handhabe geben, diesen Widerstand brutal zu brechen. Der anhaltende öffentliche Widerstand sowie die internationale Kritik haben dazu geführt, dass der Justizminister den Gesetzentwurf erst einmal aus dem Parlament zurückgezogen hat.
In: The Diplomat, April 28, 2023
Siehe auch: Mass Usuf, Anti-Terrorism Bill Terrifies The Public. In: Colombo Telegraph, April 26, 2023
Redaktionsnetzwerk Südasien, 28. April 2023
Die Grenzen freier Meinungsäußerung sind umkämpftes Terrain, nicht nur, weil Hassbotschaften inzwischen zum Internet-Alltag gehören, sondern mehr noch, weil autoritäre Regime Regulierung benutzen, um Kritik und Opposition einzuschränken. Die neuen Regeln und Gesetze für soziale Medien gewähren nicht den notwendigen Schutz der Privatsphäre und der Meinungsfreiheit vor unkontrollierter staatlicher Überwachung. Zu befürchten sind staatliche Übergriffe gegen Regimekritiker*innen, Kontrolle journalistischer Berichterstattung und Eingriffe in die Privatsphäre Einzelner unter dem Deckmantel der Datenverwaltung und der Abwehr von 'Fake news'.
zum Dossier
Somaiyah Hafeez, 22.03.2023
Feminismen: Auch beim sechsten Aurat-Marsch, der Anfang März 2023 von der renommierten Frauen-NGO Aurat Foundation in mehreren pakistanischen Städten organisiert wurde, wurden den Frauen viele Steine in den Weg gelegt. Stadtverwaltungen verweigerten eine Demonstrationserlaubnis, behaupteten, es gäbe ein Sicherheitsrisiko, und versperrten Straßen, während Fundamentalist*innen einen „Sittsamkeitsmarsch“ durchführen durften. Trotz der Hindernisse fanden die Märsche mit einer diversen Beteiligung statt: Frauen aus Belutschistan protestierten gegen das „Verschwinden“ von Personen, andere gegen den Klimawandel, Transpersonen forderten ihre Rechte ein. Um inklusiver zu sein, wurde in Islamabad für Frauen aus der Arbeiter*innenklasse ein besonderes Meeting organisiert, damit ihre Probleme nicht untergehen. Die Aurat-Märsche werden auch die 4.Welle des pakistanischen Feminismus genannt, weil sie patriarchale Strukturen in der Privatsphäre anprangern und sexuelle Autonomie und Selbstbestimmung über die Körper fordern. Die nächste Herausforderung ist, aus den Märschen eine feministische inklusive Bewegung zu machen.
In: The Diplomat, March 22, 2023
Ayyaz Mallick, 10.11.2022
Der abgesetzte pakistanische Regierungsschef Imran Khan versucht nach dem gescheiterten Attentat auf ihn weiterhin, die Macht wiederzuerlangen. Da das populistische Projekt Khans gescheitert ist, die traditionellen Parteien diskreditiert sind und sich im Militär Spaltungen auftun, begibt sich das Land in gefährliche gesellschaftspolitische Verwerfungen. Wegen ihrer politischen Querelen und des Machtgerangels versagen die politischen Eliten auf ganzer Linie und öffnen Räume für gewaltförmige Übergänge.
Originaltext: Jacobin, October 11, 2022
Deutsche Übersetzung
Tariq Ali, 10.11.2022
Nach dem Attentat auf den früheren Premierminister Imran Khan stellt der Autor diesen Mordversuch in die unrühmliche Geschichte von Attentaten und Morden an führenden Politiker*innen in Pakistan seit den 1950er Jahren. Diese Gewalt war schon immer systemischer Teil des brutalen Kampfes zwischen politischen Machtblöcken, wenn es um Regierungsposten und wirtschaftliche Bereicherung ging.
In: New Left Review, November 10, 2022
Pakistan’s Political Turmoil Can Hinder Recovery from Serious Disasters
Bharat Dogra, 06.11.2022
Nach der furchtbaren Überschwemmung brauchen große Teile der Bevölkerung und der Regionen dringend Nothilfe. Doch seit dem Attentat auf den früheren Premierminister Imran Khan, den nachfolgenden Protesten, Vorwürfen der beiden führenden Parteien gegeneinander und Spekulationen über die Rolle des Militärs ist die politische Klasse unfähig, Rehabilitations- und Unterstützungsmaßnahmen in den Überschwemmungsgebieten zu leisten. Regierungs- und Infrastrukturen müssten von Grund auf reformiert werden, um das politische Versagen und Korruption zu überwinden.
In: Countercurrents, November 6, 2022
Tanupriya Singh, 03.12.2022
Klimakrise: Mehr als 1.700 Menschen verloren ihr Leben in den Wassermassen, die immer noch Teile Pakistan überschwemmen. Infrastrukturen und die Gesundheitsversorgung sind zusammengebrochen, Ernten ausgefallen, die Regierung ist unfähig zu effektiver Hilfeleistung. Ein Rettungsprogramm des Internationalen Währungsfonds zwingt zu Liberalisierung, Privatisierung und dramatischer Erhöhung der Lebenshaltungskosten. Mitten in dieser Krise fordern Aktivist*innen Schuldenerlass und Klimaentschädigungen.
In: Countercurrents, December 3, 2022 Deutsche Übersetzung
Shailaja Fennell, 17.11.2022
Landwirtschaft: Auf eine extreme Hitze folgte in Pakistan die katastrophale Überschwemmung – nicht zum ersten Mal. Die Zyklen von Trockenheit und Fluten werden kürzer und heftiger. Ernten werden zerstört, die Fläche bebaubaren Lands nimmt ab. Wie kann sich die Landwirtschaft davon erholen? Der Anbau von alten kleinkörnigen Getreidesorten wie Hirse wäre resistenter gegen Extremwetter als Weizen und Reis. Widerstandsfähigere Sorten, Diversifizierung des Anbaus und bessere Wasserspeicher könnten die Ernährung der lokalen Bevölkerung sichern und Hunger im Nachgang von Extremwettern vermeiden.
In: The Conversation, November 17, 2022
Faiza Ilyas & Imtiaz Ali, 12.11.2022
Arbeit und Arbeitskämpfe: Nach mehreren Tagen Protesten und Streiks der Grand Health Alliance von Ärzt*innen und Pflegepersonal in öffentlichen Krankenhäusern in Karachi und Sindh ging die Polizei mit Wasserwerfen und Knüppeln gegen die im Regierungsviertel Demonstrierenden vor. Diese hatten vergeblich eine Risiko-Zulage und andere Vergünstigungen gefordert, da sie unter Pandemie- und Überschwemmungsbedingungen arbeiten. 25 Protestierende wurden verhaftet. Zivilgesellschaftliche Kräfte verurteilten die brutale Polizeigewalt auf Schärfste.
In: Dawn, November 12, 2022
Hassaan Ahmed, 10.02.2022
Soziale Bewegungen und Proteste: Der frühere Machthaber Pakistans, General Zia-ul-Haq, verbot im Februar 1984 alle studentischen Organisationen. Bis heute lähmt dieses Verbot ihre politische Arbeit ganz erheblich. Gegen das Verbot demonstrierten Studierende, Menschenrechtsaktivist:innen, Rechtsanwält:innen und Gewerkschaftsmitglieder in Lahore am Jahrestag des Verbots im Februar 2022 und forderten eine De-Militarisierung der Universitäten Pakistans.
In: Minute Mirror, February 10, 2022 Deutsche Übersetzung
Khushi Singh Rathore
Autoritarismus: Vor über einem Jahr, im Februar 2022, stellte Khushi Singh Rathore die Frage, ob feministische Außenpolitik eine Zukunft in Südasien hat. Diese Frage hat neue Aktualität bekommen, weil sich die deutsche Außenpolitik jetzt mit diesem Aushängeschild zu profilieren versucht, so wie jüngst beim Besuch von Ministerin Annalena Baerbock in Indien. Khushi Singh Rathore verweist auf das Dilemma, dass feministische Prinzipien von Frieden und demokratischer Partizipation in und mithilfe von patriarchalen Institutionen wie dem Staat durchgesetzt werden sollen. Dieser Widerspruch wird durch den zunehmenden Autoritarismus in Südasien noch verstärkt. Feministische Politiken, so Rathore, sind immer auch ein Kampf für Demokratisierung. Eine feministische Außenpolitik, die ihrem Anspruch gerecht werden will, müsse Staatsmacht, Hypernationalismus, die koloniale Machtmatrix des Regierens und die Nähe politischer Herrschaft zu Fundamentalismen hinterfragen. Im Unterschied zum verbreiteten Anspruch der Außenpolitik, diplomatisch vorzugehen, müsse sie undiplomatisch und antihegemonial sein und marginalisierte dissidente Stimmen einbeziehen. Khushi Singh Rathore ist denn auch skeptisch, was eine feministische Politik überhaupt in patriarchalen, nationalistischen staatlichen Institutionen erreichen kann. Redaktionsnetz Südasien
Khushi Singh Rathore, Feminist Foreign Policy and Anti-Authoritarianism in South Asia. In: South Asian Voices, February 14, 2022
Vaishnavi Varadarajan, 26.09.2022
Klimakrise: Indigene (Magar) und Dalit Communities im Tanahu Bezirk in Nepal fürchten wegen eines großen Wasserkraftwerks von ihrem Land vertrieben und enteignet zu werden. Das Projekt, das unter anderem von der European Investment Bank, der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Asian Development Bank finanziert und von chinesischen und vietnamesischen Firmen gebaut wird, wird einerseits als Lösung der nepalesischen Energiekrise mit erneuerbarer Energie gepriesen, andererseits als falsche Lösung für die Klimakrise kritisiert. Die betroffenen Gemeinschaften und lokale NGOs haben offiziell Beschwerde bei Behörden und im Rahmen des European Investments-Complaint Mechanism eingelegt und verlangen, dass zunächst einmal ihr Recht auf informierte Zustimmung (Free, Prior and Informed Consent, FPIC) berücksichtigt wird und darüber hinaus eine angemessene Entschädigung. Inzwischen fordern sie einen Stopp der Bauarbeiten wegen der absehbaren regionalen Klimaveränderungen aufgrund des Projekts und darüberhinaus Entwicklungsstrategien, bei denen die lokale Bevölkerung ein entscheidendes Mitspracherecht hat.
Vaishnavi Varadarajan, What will our children get? Communities in Nepal assert their right to land for compensation and meaningful consultations. in: International Accountability Project, September 29, 2022
Alok Gupta, 12.01.2023
Klimakrise: In Indien wurden ebenfalls Warnungen ignoriert, dass der Bau großer Wasserkraftwerke in den Himalaya Landschaften und Dörfer zerstören können. Sowohl auf nepaleischer als auch auf indischer Seite wurden eine Vielzahl von Wasserkraftwerken gebaut. In Joshimath im Chamoli Distrikt in Uttarakhand sinken Ortsteile ab und die Häuser haben so starke Risse, dass sie unbewohnbar sind. Die Anwohner*innen sind erbost, weil das seit Langem prognostiziert wurde.
Alok Gupta, Sinking town exposes perils of Himalayan hydropower: In: Climate Home News, January 12, 2023
Times of India, 14.03.2023
Feminismen/Queer: Mehrere gleichgeschlechtliche Paare stellten eine Petition, dass der indische Staat ihre Ehe anerkennen sollte. Doch obwohl die Heirat gleichgeschlechtlicher Paare in Indien entkriminalisiert ist, verweigert die Regierung vor dem Obersten Gerichtshof die Legalisierung dieser Eheschließungen. Begründung: Diese Ehen würden dem indischen Konzept von Familie widersprechen, das zutiefst heterosexuell sei. Auch wenn homosexuelle Ehen in der Alltagsrealität bestehen, will der Staat sie nicht formal anerkennen. Wegen der bahnbrechenden Bedeutung für die Gesellschaft hat der Oberste Gerichtshof die Entscheidung jetzt an ein fünfköpfiges Gremium von Verfassungsrichtern verwiesen.
Interview mit Lilith Raza
Feminismen/Queer: Pakistan erkennt seit 2018 mit dem Transgender Persons Act die Rechte von trans-Personen an. Im Alltag ist allerdings davon wenig zu spüren. Queere Personen sind gefährdet, durch die eigene Familie und die aggressive Ablehnung einer breiten Öffentlichkeit, die sie ständig als Bürger*innen in Frage stellt. Lilith Raza ist in Pakistan aufgewachsen und lebt seit Oktober 2012 in Deutschland. Sie arbeitet in dem Projekt Queer Refugees Deutschland beim Lesben- und Schwulenverband Deutschland. iz3w veröffentlichte im Juni 2022 ein Interview mit ihr im Heft 390.
Kavita Krishnan, 20.12.2022
Die marxistische, feministische Aktivistin und Autorin Kavita Krishnan ist im vergangenen Jahr aus der CPI-ML (Communist Party of India-Marxist Leninist) ausgetreten, weil die Partei Russland nicht als Aggressor im Ukraine-Krieg kritisierte. In diesem Artikel analysiert sie das neue Verständnis vieler Linker von internationalen Beziehungen als Multipolarität, die die US-geführte Unipolarität ablösen würde. Diese Position würde nicht reflektieren, dass der Aufstieg neuer Großmächte und diese multipolare Weltordnung, die sich als Anti-Imperialismus legitimiert, auf Autoritarismus und anti-demokratischer Machtbildung in Staaten wie Indien, Russland, China und anderen beruht. Der Debatten-Beitrag erschien gerade in deutscher Übersetzung in iz3w (Heft 395, März/April 2023).
Originalbeitrag: Kavita Krishnan, Multipolarity, the Mantra of Authoritarianism.In: The India Forum, December 20, 2022
Anupam Debashis Roy, 24.02.2023
Vor fünf Jahre konnte eine breite Protestbewegung ein Kohlekraftwerk in der Nachbarschaft der Sundarbans, dem größten zusammenhängenden Mangrovengebiet der Welt und geschütztes UNESCO-Weltnaturerbe, stoppen. Doch der Sieg war nur kurz. Inzwischen hat die regierende Awami League in Bangladesch das Kraftwerk Rampal durchgesetzt. Warum war der Widerstand gegen Rampal erfolglos, wo andere Bewegungen erfolgreich waren? Der Artikel untersucht die Gründe dafür, vor allem die Rolle, die die Beteiligung lokaler Bevölkerungsgruppen an den Kämpfen und zudem Gemeinschaftssinn und Solidarität hatten, indem er frühere erfolgreiche Kämpfe mit dem Widerstand gegen das Rampal-Projekt vergleicht.
Dies ist die leicht gekürzte Fassung eines Beitrags, der in Himal Southasian am 24.Februar 2023 erschienen ist.
Siehe dazu auch: Dieter Reinhardt, Kohle, Kapital und Konflikte. Das Kraftwerk Rampal in Bangladesch, der Schutz der Sundarbans und die Rolle deutscher Unternehmen. 2022. Herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung. Download pdf
März 2023
Die indischen sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Gruppen, die dieses Statement vorgelegt haben, betrachten die G20, deren Vorsitz in diesem Jahr Indien hat, als exklusiven Club der Reichen und Mächtigen zur Stabilisierung neoliberaler Politiken und Rettung der globalen (Finanz-)Märkte. Das Modi-Regime benutzt diese dramatische Situation einer Mehrfachkrise, um sich nach innen vor den nächsten Wahlen als weltpolitischer Akteur zu profilieren und international das Image als größte Demokratie und größte Diversität der Welt aufzupolieren. Zum indischen Autoritarismus, der Verletzung von Menschenrechten, mangelnder Pressefreiheit, der rücksichtslosen Durchsetzung von großen Infrastrukturprojekten und wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten schweigt die G20. Arme und marginale Bevölkerungsgruppen haben keinerlei Einfluss auf die Themen und Entscheidungen der G20, aber kämpfen jenseits der Schönfärberei durch die indische Regierung weiter für demokratische, sozial und umweltgerechte Ökonomien und Gesellschaften.
Presserklärung, in: Countercurrents, March 3, 2023
Global Voices, 16. März 2023
Autoritarismus: Rana Ayyub, Kolumnistin der Washington Post und eine der prominentesten unabhängigen Journalistinnen Indiens, war online täglich mit umfangreichen Drohungen, Belästigungen und Beschimpfungen konfrontiert. die von einer Armee von Trollen ausgehen.
Diese offen sexistische und mit Desinformationen gespickte Kampagne wird von „Lynchmobs“ getragen, die sich mit Indiens hindu-nationalistischer Regierungspartei identifizieren. Im Fall von Rana Ayyub bewegen sie sich an der Schnittstelle von muslim- und frauenfeindlicher Bigotterie, denn sie wurde wegen ihres muslimischen Glaubens attackiert und als "Dschihadistin" und "Terroristin" bezeichnet. Die Angriffe werden auch von regierungsnahen Boulevard-TV-Sendern und Propaganda-Websites geführt, die sich als Nachrichtenagenturen ausgeben und die kritische Berichterstattung von Rana Ayyub als Beweis für ausländische Einflussnahme und für ihre Illoyalität gegenüber Indien darstellen. Ihr Fall ist symptomatisch für die Verfolgung von Journalistinnen in Indien und der Region.
Online gender-based violence: A tool of digital authoritarianism in India. In: Global Voices, March 16, 2023
Siehe dazu auch die Studie des International Centre for Journalists (ICFJ), Rana Ayyub. Targeted online violence at the intersection of misogyny and islamophobia. February 14, 2023. Nach einer detaillierten Darstellung der Angriffe geht sie auch auf Hintergründe ein wie die Aushöhlung der Pressefreiheit in Indien unter der Regierung Modi und die Aufforderung von UN-Experten, Journalist*innen wie Rana Ayyub vor derartigen Angriffen zu schützen.
Redaktionsnetzwerk Südasien, 20. Februar 2023
Queer: Die Regierung lehnt es seit über fünf Jahren ab, den erfahrenen und offen über seine homosexuelle Orientierung sprechenden Juristen Saurath Kirpal als Richter am Delhi High Court zu bestellen, und setzt sich damit über eine entsprechende Empfehlung des Obersten Gerichtshofs hinweg. Die offizielle Begründung: Geheimdienstliche Bedenken gegen Kirpals Partner, den Schweizer Menschenrechtsaktivisten Nicholas German Bachmann. Zwar werden homosexuelle Ehen in Indien nicht anerkannt und Homosexualität gilt in Teilen der indischen Gesellschaft noch als großes Tabu, aber durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofs in Neu-Delhi von 2018 wurden homosexuelle Beziehungen mittlerweile entkriminalisiert.
Quelle: Times of India, January 20, 2023
Feminismen: Trotz aller Versprechen zu Geschlechtergleichheit wartet das Gesetz zu einer Quotenregelung im Parlamentseit 26 Jahren auf seine Verabschiedung. 33 Prozent der Sitze sollen für Frauen reserviert werden. Fünf Mal scheiterte das Gesetz daran, dass keine zusätzliche Quotierung für Frauen aus unteren Kasten und gesellschaftlichen Minderheiten vorgesehen war. Doch daran führt kein Weg mehr vorbei.
Kanchana Yadav, in: Feminism in India, January 21, 2023
Kastengesellschaft: Trotz der Quotenregelungen für Adivasi und andere marginalisierte Kastengruppen, die Dalits, sind Spitzenpositionen in Forschung, Wissenschaften und Technologien immer noch von den privilegierten Kasten und Klassen besetzt. Die Studie liefert umfangreiches Zahlenmaterial dafür. So sind zwar auf Promotionsebene immerhin zehn Prozent Dalits, aber nur zwei Prozent Adivasi vertreten. Danach schrumpft die Diversität sozialer Herkunft in den wissenschaftlichen Eliteinstituten dramatisch: Weniger als ein Prozent aller Professor*innen sind Dalits oder Adivasi. Um das zu ändern, müssen Unterstützungsstrukturen im gesamten Bildungssystem für die benachteiligten Gruppen geschaffen werden, denn bislang besteht für sie keine Chancengleichheit.
Ankur Paliwal, in: Nature, January 11, 2023
Redaktionsnetzwerk Südasien, 17. Februar 2023
Mitte September vergangenen Jahres brach Rahul Gandhi, vorübergehend Präsident der Congress-Partei, zu einem langen Marsch (Yatra) von Kerala im Süden des Landes nach Kaschmir im Norden auf. Die Organisator*innen erklärten, diese Yatra, die an ähnliche Märsche von Mahatma Gandhi erinnern sollte, sei nicht parteipolitisch motiviert, sondern solle „Indien vereinen“ („Bharat Jodo“) und die Spaltung durch die hindu-fundamentalistische Politik überwinden. Sie hofften dabei, eine breite Unterstützung durch zivilgesellschaftliche Gruppen und säkulare politische Organisationen zu mobilisieren. Der Marsch endete nach 150 Tagen Ende Januar. Die folgenden Beiträge ziehen Bilanz: Shivasundar, ein Aktivist aus Karnataka, fasst einige Überlegungen und Erwartungen zu Beginn der Yatra zusammen, der Politikwissenschaftler Dhruv Janssen-Sanghavi fragt, wie sich Bestrebungen zu Einheit, Solidarität und Rechenschaftspflicht politisch umsetzen lassen, eine Reportage von Avani Bansal nimmt die Beteiligung von Frauen in den Blick. Sowie ein Appell von über 80 zivilgesellschaftlichen Organisationen, welche innovativen, grundlegenden Alternativen zum bestehenden politischen und wirtschaftlichen System die Yatra thematisieren müsste, um politisch relevant zu werden.
By Shivasundar, In: The Wire, September 12, 2022,
by Vikalp Sangam Core Group, December 7, 2022
By Avani Bansal, in The Wire, January 15, 2023.
By Dhruv Janssen-Sanghavi, In: The Wire, February 8, 2023
Suryashekhar Biswas / Sachi, Januar 2023
Arbeiter*innen der Indian Telecommunication Industries Ltd. (ITI) befinden sich seit dem 1. Dezember 2021 in Bangalore in einem Streik. Sie protestieren gegen ihre willkürliche Entlassung nach der Gründung einer Gewerkschaft und fordern ihre grundlegenden Rechte ein, wie die Gleichbehandlung von Arbeiter*innen aus marginalisierten Kasten und faire Löhne. Die Situation der Arbeiter*innen ist so prekär, weil sie Vertragsarbeiter*innen bzw. Leiharbeiter*innen sind.
Der Beitrag erschien am 4. Januar 2023 auf Countercurrents. Deutsche Übersetzung
Varsha Singh, 30.11.2022, The Third Pole
Klimakrise: 2023 jährt sich zum 50sten Mal der Beginn der Chipko-Bewegung in den Dörfern Uttarakhands. Damals inspirierte das Bäume-Umarmen der Dorffrauen den Umweltaktivismus in Indien und die Entwicklung theoretischer und praktischer Konzepte des Ökofeminismus. Heute zwingt der Klimawandel die Menschen in der Region, in der Indiens bekannteste Umweltbewegung begann, ihr Land zu verlassen. Die Erfolge von damals fallen den aktuellen Überschwemmungen zum Opfer.
In: The Third Pole, November 11, 2022. Deutsche Übersetzung
Landwirtschaft und Bäuer*innenkämpfe: Seit Jahrzehnten ist die Einführung genmanipulierter Pflanzen in der indischen Landwirtschaft heftig umstritten. Aktuell gibt es eine juristische und agrarpolitische Kontroverse über die Freigabe einer gentechnisch veränderten Senfsorte, und damit der ersten Nahrungsmittelpflanze in Indien (Text-Sammlung)
Redaktionsnetzwerk Südasien, Dezember 2022
Snigdhendu Bhattacharya, 28.11.2022
Landwirtschaft und Bäuer*innenkämpfe: Die Bäuer*innenorganisationen, die die Modi-Regierung zu ihrer größten Niederlage gezwungen haben, gehen wieder auf die Straße und beklagen gebrochene Versprechen. Im Zentrum der aktuellen Proteste stehen Forderungen zu Mindestpreisen für landwirtschaftliche Produkte. Allerdings ist umstritten, ob diese allein die Situation aller Bäuer*innen entscheidend verbessern können.
Quelle: The Diplomat, 28. November 2022. Übersetzung
Redaktionsnetzwerk Südasien, Dezember 2022
Um einen Überblick über die aktuelle politische, ökonomische und ökologische Krise in Pakistan zu geben, haben wir zwei Texte übersetzt, einen zur politischen Situation nach der Amtsenthebung von Premierminister Imran Khan und einen zu den Folgen der katastrophalen Überschwemmung. Außerdem haben wir Links zu weiteren aktuellen Texten zu Politik, Landwirtschaft und Arbeitskämpfen im Gesundheitssektor zusammengestellt. Link
Redaktionsnetzwerk Südasien, November 2022
Arbeit und Arbeitskämpfe: Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) arbeiten mehr als 80 Prozent der indischen Arbeitskräfte informell. Informelle Arbeit findet sich sowohl in den traditionellen als auch in modernen Sektoren. Durch neuere Entwicklungen wie Digitalisierung und Plattformisierung verändern sich die Arbeitsformen und -verhältnisse und kommen neue Formen von Informalität und Prekarität hinzu. Der Zuwachs von informeller Arbeit im formellen Sektor beruht auf Vertrags- und Leiharbeit und zunehmender Auslagerung. Frauen arbeiten häufiger informell als Männer. Informell Arbeitende in verschiedenen Sektoren sind zunehmend organisiert. Sie kämpfen für eine rechtliche Absicherung ihrer Arbeit, den Einschluss in Mindestlohn- und Rentenregelungen und Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Eine Sammlung von Links, Texten und Podcasts stellt exemplarisch einige zentrale Sektoren informeller Arbeit dar.
Visual Storyboard Team, 30.10.2022
Arbeitsverhältnisse: Der Industriekomplex von Narela ist eine der größten Wirtschaftszonen in Asien, vollgepackt mit florierenden Kleinbetrieben. Er lebt ausschließlich von der Arbeit von Geringverdiener*innen, die kaum Einfluss auf ihre Bezahlung und Lebensbedingungen haben. Um Handel und Industrieproduktion zu liberalisieren, begann der indische Staat Anfang der 1990er Jahre mit der Umsetzung einer Reihe neoliberaler Wirtschaftsreformen nach dem Vorbild des Washington-Konsens. Dieser Liberalisierungsschub in einigen Sektoren öffnete zwar in der Zeit nach 1991 die Türen für ausländische Kapitalinvestitionen, doch der Staat war nicht frei von einer "Vereinnahmung" durch private Geschäftsinteressen in den Bundesstaaten und Provinzen. Ein näherer Blick auf die Industriekorridore in und um die nationale Hauptstadtregion Delhi und die Struktur der bestehenden Beschäftigungsmöglichkeiten veranschaulicht die strukturellen Schwächen des neoliberalen Pakts zwischen Staat und Arbeitnehmer*innen. Link
Redaktionsnetzwerk Südasien, November 2022
Klimakrise: Regierungen und Nicht-Regierungsorganisationen aus Südasien fordern anlässlich der COP27 in Ägypten, der 27. Konferenz der Vertragsparteien des multilateralen Klimaabkommens von Paris, dass alle Vertragsparteien die besonderen Risiken klimabedingter Unwetterereignisse in der Region anerkennen und dass der Globale Norden den schon lange vom Globalen Süden erhobenen Schadensersatzforderungen nachkommt. Eine Sammlung von Texten über die Auswirkungen und Erklärungen zivilgesellschaftlicher Organisationen.
Rahul Mukherji, 27.07.2022
Autoritarismus: Das Markenzeichen indischer Demokratie war jahrzehntelang die lebendige, vielfältige Zivilgesellschaft, die ihre Diversität spiegelte. Zwar waren auch schon frühere indische Regierungen misstrauisch gegenüber Nichtregierungsorganisationen (NRO). Aber jetzt werden von der Modi-Regierung die Rechte zivilgesellschaftlicher Gruppen durch Gesetze wie dem zur ausländischen Finanzierung (FCRA) und dem zur Vermeidung von Geldwäsche (PMLA) nach und nach abgebaut. Und das, obwohl Teile der Zivilgesellschaft während der Covid-19 Pandemie unermüdlich Hilfe an der Basis leisteten, während der Staat durch Abwesenheit glänzte. Link
Sunny Uke und Prashant Bhaware, 06. Oktober 2022
Kastengesellschaft: Dalit-Politik und -Organisationen spielen eine immer wichtigere Rolle in der indischen politischen Landschaft, unter anderem die 1984 als Interessenvertretung der Dalits gegründete Bahujan, die „Partei der Mehrheitsbevölkerung“, die zeitweise an Regionalregierungen beteiligt war. Angesichts der gegenwärtigen politischen Krise sehen die beiden Verfasser in einer Wiederbelebung der republikanischen Ideen von B.R. Ambedkar eine Chance für eine sozialistische
Rettung der säkularen Demokratie. Wir halten den Text für einen wichtigen Beitrag zur gegenwärtigen politischen Diskussion der Dalits. Zentral ist seine Kritik an der Bahujan-Position, die auf eine Mehrheit innerhalb des Kastensystems abzielt, während Ambedkars Position die Überwindung des Kastensystems war. Für das bessere Verständnis wurde der Text in der Übersetzung leicht bearbeitet. Link Redaktionsnetzwerk Südasien
Redaktionsnetzwerk Südasien, September 2022
Das indische Bildungssystem, Schulen und Universitäten rutschen weiter in eine Krise ab. Einerseits findet personell und politisch eine Gleichschaltung mit der hindu-chauvinistischen Ideologie des Modi-Regimes statt, andererseits eine neoliberale Orientierung auf Privatisierung durch Sparmaßnahmen bei der Beschäftigung und Bezahlung von Lehrpersonal und durch stärkere finanzielle Belastung der Lernenden/Studierenden. Leidtragende der Bildungsdefizite ist die Generation von Schüler*innen und Studierenden, deren Bildung bereits wegen der Covid-Pandemie zu kurz gekommen sind. Im Folgenden sind einige Links zusammengestellt, die eine Momentaufnahme des Bildungssektors vermitteln sollen. Link
India Justice Project, 26.September 2022
Autoritarismus: Das India Justice Project verurteilt die landesweiten Übergriffe und Razzien gegen systemkritische Organisationen, die die Rechte von Muslim*innen vertreten, mit dem Vorwurf des Terrorismus und krimineller Aktivitäten. Politische Grundrechte und die Demokratie werden auf diese Weise systematisch ausgehebelt. Link
Feministisches Kollektiv für wirtschaftliche Gerechtigkeit, September 2022
Gender Watch: Das Feministische Kollektiv gibt einen informativen Überblick darüber, welche verheerenden Auswirkungen die dramatische Wirtschaftskrise Sri Lankas in Kombination mit anhaltender staatlicher Repression gegen die Demokratie-Bewegung und den wirtschaftspolitischen Empfehlungen des Internationalen Währungsfonds hat, besonders auf die Lebenssituation von Frauen und ihre unbezahlte und bezahlte Arbeit. Link
Speak up! hat zwischen September 2021 und Juni 2022 auf der Website der Stiftung Asienhaus Texte und Podcasts zu den drei Themenschwerpunkten (Corona) Autoritarismus, Soziale Bewegungen und Proteste sowie Feminismen und Gender veröffentlicht.
Samina Salim, Mai 2022
Autoritarismus: Anlässlich des Kopftuchverbots für muslimische Schülerinnen reflektiert Samina Salim, eine gebürtige Inderin, die seit über 20 Jahren in den USA lebt, in diesem Beitrag, dass Indien heute nicht mehr das multikulturelle diverse Land ihrer Kindheit ist. Politisch geschürt und von Verschwörungstheorien getrieben hat sich in breiten Bevölkerungsschichten eine aggressive anti-islamische Stimmung ausgebreitet. Wir dokumentieren Salims Meinungsartikel, auch wenn wir nicht alle ihre Einschätzungen teilen. Das trifft insbesondere auf die Behauptung zu, Indien befinde sich schon auf dem Weg zu einem „Völkermord“ an den Muslim:innen. Link
Ben Andak, Mai 2022
Krise und Kämpfe: Sri Lanka verfügt über einen Militärapparat, der im Rahmen verschiedener Wirtschaftskrisen und zur Niederschlagung tamilischen Widerstands stark aufgebläht wurde. Er hilft dem autoritären Regime, einen singhalesisch-buddhistischen Staat gegen die tamilische und die muslimische Minderheit durchzusetzen. Link
Bharat Bushan, Mai 2022
Autoritarismus: Der Journalist und Kolumnist Bharat Bhushan beschreibt, wie das hindu-fundamentalistische Regime in Indien den Medien immer engere ideologische Fesseln anlegt. Die internationale Kritik an der Missachtung von Verfassungsrechten kann die Modi-Regierung aber nur schwer kontrollieren. Link
People`s Union for Civil Liberties (PUCL), Mai 2022
Autoritarismus: Indiens Oberster Gerichtshof hat die Exekutive aufgefordert, keine Verhaftungen unter Berufung auf Volksverhetzung vorzunehmen und den entsprechenden Paragrafen des Strafgesetzbuchs zu überdenken. Unter der Modi-Regierung wird das Gesetz aus der Kolonialzeit exzessiv gegen Regierungskritiker:innen eingesetzt. Link
Mai 2022
Autoritarismus: Im Vorfeld der 6. Deutsch-Indischen Regierungskonsulationen haben Organisationen von in Deutschland lebenden indischen Staatsbüger:innen einen offenen Brief an die deutsche Regierung geschrieben, um auf die dramatische Menschenrechtssituation in Indien aufmerksam zu machen. Mit einem Offenen Brief haben sich am 28. April Organisationen von in Deutschland lebenden indischen und deutschen Staatsbürger:innen an Außenministerin Baerbock, die Menschenrechtsbeauftragte Amtsberg, Bundeskanzler Scholz und weitere deutsche Bundestags- und Europaabgeordnete gewandt, um anlässlich der 6. Deutsch-Indischen Regierungskonsultationen ihre Bedenken bezüglich dieses Treffens auszudrücken und auf den autoritären Rechtsruck und die alarmierende Menschenrechtslage in Indien hinzuweisen. Wir halten es für wichtig, den offenen Brief zu dokumentieren. Wir möchten zugleich betonen, dass wir nicht alle politischen Einschätzungen und Schlussfolgerungen des offenen Briefes uneingeschränkt teilen. Das trifft insbesondere auf die thesenhaften Ausführungen zu einem drohenden „Völkermord“ an den Muslim:innen in Indien zu. Link
Erklärung der Gruppe zivilgesellschaaftlicher Aktivist:innen "Justice for all", Mai 2022
Krise und Kämpfe: Eine Gruppe führender zivilgesellschaftlicher Aktivist:innen in Sri Lanka verurteilt die von der Regierung inszenierten Attacken auf zwei friedliche Protestcamps. Sie fordern wie die Protestierenden - über einen Rücktritt des Präsidenten hinaus - einen Regimewechsel mit sozialer Gerechtigkeit. Gesellschaftlicher Wandel in Sri Lanka muss von #GoHomeGota ausgehen! Diese Forderungen wurde kürzlich auch von 250 Künstler:innen aus den Bereichen Theater, Schauspiel, Tanz, Puppenspiel, Musik, Design, Fotografie und Literatur unterstützt. Beide Gruppierungen verurteilen die Gewalt von beiden Seiten und machen sich für eine Fortführung der friedlichen Proteste stark. Eine Übersetzung des Aufrufs der Gruppe Justice for All. Link
Feminist Collective for Economic Justice, April 2022
Krise und Kämpfe: Das feministische Kollektiv für wirtschaftliche Gerechtigkeit in Sri Lanka schlägt Alarm wegen der dramatischen Krise im Land. Es analysiert Ursachen und die zentrale Rolle von Frauen als Betroffene und Akteurinnen. In einem politischen Forderungskatalog benennt es Sofortmaßnahmen, um einen freien Fall des Landes in Hunger und Elend zu verhindern. Link
Hassan Ahmed, April 2022
Jedes Jahr erinnern Studierende an pakistanischen Universitäten daran, dass 1984 der damalige Machthaber Zia-ul-Haq studentische Organisationen verboten und damit kritische zivilgesellschaftliche Organisierung nachhaltig zerschlagen hat. Dieses Verbot ist bis heute nicht aufgehoben und schwächt die pakistanische Zivilgesellschaft immer noch. Der frühere Machthaber General Zia-ul-Haq Pakistans verbot im Februar 1984 alle studentischen Organisationen. Bis heute lähmt dieses Verbot ihre politische Arbeit ganz erheblich. Gegen das Verbot demonstrierten Studierende, Menschenrechtsaktivist:innen, Rechtsanwält:innen und Gewerkschaftsmitglieder in Lahore am Jahrestag des Verbots im Februar 2022 und forderten eine De-Militarisierung der Universitäten Pakistans. Link
Pressemitteilung des Kollektivs der von Mikrofinanzierung betroffenen Frauen, März 2022
Krise und Kämpfe: In allen Ländern Südasiens sind Frauen wegen ihrer hohen Rückzahlungsmoral die Hauptzielgruppe für die Vergabe von Mikrokrediten. Wegen hoher Zinsforderungen geraten sie jedoch schnell in eine Verschuldungsspirale. Das ist international ein Thema, seit 2010 in Indien der Mikrokreditsektor wegen geringer Rückzahlungsquoten zusammenbrach und mehrere Frauen sich aus Verzweiflung selbst töteten. In Sri Lanka hat sich ein Kollektiv von betroffenen Frauen gebildet, das nicht nur Analysen der Mikrofinanzierung vorlegt, sondern sich weigert, Kredite zurückzuzahlen und neue hochverzinsliche Kleinkredite bei Mikrofinanzunternehmen aufzunehmen. Im Folgenden dokumentieren wir eine Pressemitteilung von Anfang Dezember 2021 und eine Erklärung anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März 2022. Link
März 2022
Feminismen und Gender: Swati Kamble versteht sich als Dalit-Aktivistin und intersektionale Feministin. In diesem Interview mit Christa Wichterich über Dalit Feminismus lehnt sie ein Konzept von Feminismus für Dalits ab, welches durch Feministinnen der oberen Kasten geprägt ist. (Audio) Link
Mantasha Ansari, März 2022
Januar 2022
Feminismen und Gender: Srilatha Batliwala berichtet im Gespräch mit Christa Wichterich über ihr Verständnis von Feminismus, das Besondere an südasiatischen Feminismen, warum sie den Begriff Gender selten benutzt, und davon, dass jungen Feminist:innen jenseits von Empowerment eine Veränderung gesellschaftlicher Strukturen zum Ziel haben. (Video) Link
Dezember 2021
Feminismen und Gender: Kalpana Sharma ist eine der bekanntesten unabhängigen Journalistinnen in Indien. Gewalt gegen Frauen in den unterschiedlichsten Formen war ein Schwerpunkt ihrer Berichterstattung in den Medien und das Thema ihres Buches „The Silence and the Storm“. (Video) Link
Interview mit Sunil Kumar, Dezember 2021
Bäuer*innenproteste: Im November 2021 hat die indische Regierung überraschend die Zurücknahme der drei umstrittenen Landwirtschaftsgesetze angekündigt, die im Mittelpunkt der von der Vereinigten Bauernfront (Samyukta Kisan Morcha / SKM) angeführten Protestaktionen standen. Es waren die größten Proteste, die Indien seit Jahrzehnten erlebt hat. Der Aktivist und Autor Sunil Kumar erklärt in einem Interview was für die Mobilisierungsfähigkeit der bäuerlichen Protestbewegung entscheidend war und ob der Erfolg der Bewegung der Bäuer:innen den Anfang vom Ende der Regierung Modi bedeuten kann. Link
Navsharan Singh, November 2021
Bäuer*innenproteste: Im Windschatten der Corona-Pandemie hatte die indische Regierung im September 2020 drei neue Gesetze auf den Weg gebracht, die den Landwirtschaftssektor der Macht großer Agrarkonzerne ausgeliefert hätten. Diese Gesetze hat die Regierung Modi nun überraschend zurückgenommen. Damit gibt sie dem anhaltenden Druck einer breiten Protestbewegung nach, die sich, angeführt von den bäuerlichen Gewerkschaften, vor fast genau einem Jahr vor den Toren von New Delhi formierte. Am 26. November 2021 jährt sich ihr ungebrochener Widerstand, in dem Frauen eine wichtige Rolle spielen. Er richtet sich nicht nur gegen die erwähnten Landwirtschaftsgesetze, sondern darüber hinaus gegen eine neoliberale Politik, die die Existenz von Millionen Kleinbäuer:innen und Landlosen gefährdet. Der Protest hat sich mittlerweile zur größten und am längsten andauernden gewaltfreien Bewegung in der Geschichte Indiens entwickelt. Die Rücknahme der drei Landwirtschaftsgesetze ist ihr historischer Erfolg. Link
November 2021
Bäuer*innenproteste: Die indische Bäuer:innenbewegung hat nach einem Jahr Protesten und Belagerung einen riesigen Erfolg erzielt: die Regierung hat angekündigt, die drei umstrittenen Landwirtschaftsgesetze zurückzuziehen. Das zielt unmissverständlich auf die bevorstehenden Wahlen in zwei nordindischen Bundesstaaten. Die Bäuer:innen warten nun auf die Umsetzung der Ankündigung und halten ihre Forderungen nach der Rücknahme weiterer Gesetze und nach einem demokratischeren Regierungsstil aufrecht. Link
Radhika Menon zu ASHAs, November 2021
Zum Höhepunkt der Pandemie 2020 wurden ‚freiwillige’ Gesundheitsarbeiterinnen, die für ihre Arbeit keinen regelmäßigen Lohn erhalten, dazu verpflichtet, Aufgaben der Pandemiebekämpfung in ihren Dörfern, vor allem gegenüber Wanderarbeiter:innen und ihren Familien zu übernehmen. Ihr Lohn dafür war symbolischer Applaus und Schlagzeilen in einer militarisierten Sprache in allen Medien, dass die ASHAs „an der Front“ und in der “vordersten Verteidigungslinie kämpfen“. Vor dem Hintergrund internationaler Debatten über neue Formen von Zwangsarbeit muss konstatiert werden, dass die schwierigsten und gesundheitsgefährdetsten Aufgaben den Gemeindearbeiterinnen als schwächsten Gliedern in der Kette der Gesundheitsversorgung übertragen wurden. Sie streikten und forderten – wie Gesundheitsarbeiter:innen in anderen Ländern – ein gut finanziertes öffentliches Gesundheitswesen. Link
von International Dalit Solidarity Network (IDSN), Oktober 2021
Kastenpolitik: Sozioökonomische und gesundheitliche Folgen der Covid-Pandemie betreffen in Indien besonders Dalits und andere marginalisierte Gruppen. Die Kluft zwischen ihnen und denjenigen, die höher im Kastensystem stehen, scheint zu wachsen. Soziale Distanzierung verstärkt soziale Ungleichheiten. Link
Goldy M. George und Sabina Yasmin Rahman, Oktober 2021
Kastenpolitik: Der Begriff der 'sozialen Distanzierung', den die indische Regierung von Beginn der Pandemie an popularisierteruft bei Dalits, Adivasi und Muslim:innen die Erinnerung und das Stigma wach, die mit Kasteismus und Exklusion, Trauma und Unterdrückung verbunden sind. In den beiden hier dokumentierten Artikeln wird beleuchtet, welchen Einfluss die Verwendung des Begriffs 'soziale Distanzierung' auf unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen und Dimension hat und wie dadurch gesellschaftliche Lebenswirklichkeiten und neue Ausgrenzungen konstruiert werden. Während der Text von Goldy George auf Dalits fokussiert, macht Sabina Rahman ein breiteres soziales Spektrum von Ausgrenzungen auf. Beide Autor:innen stimmen darin überein, dass soziale Distanzierung politisch eingesetzt wird, um soziale Ächtung und Ungleichheiten zu erhalten oder zu verstärken. Link
Pamela Philipose, September 2021
Autoritarismus: Die hindufundamentalistische BJP-Regierung unter Premierminister Modi nutzt die Covid-19- Krise, um ihre Vorherrschaft zu stärken und die Demokratie zu unterminieren. Im Schatten der Pandemiebekämpfung wurden drakonische Gesetze und Maßnahmen erlassen, die dazu bei- tragen, Minderheiten zu kriminalisieren und die Kluft zwischen Reich und Arm weiter zu ver- größern. Besonders betroffen sind Frauen, die mehr denn je unter Gewalt, Armut und Rechtlo- sigkeit zu leiden haben. Link
Nivedita Menon, September 2021
Autoritarismus: Die Covid-Pandemie wird sowohl von der Politik des Hindu-Reichs als auch vom neoliberalen Kapitalismus genutzt, um ihre Vorherrschaft durch Islamophobie und den Lockdown zu stabilisieren. Corona-Kapitalismus bedeutet, dass am oberen Ende im Gefolge der Corona-App ein Datenkapitalismus als politisches und wirtschaftliches Überwachungssystem installiert wird, während am unteren Ende Zwangsarbeit und extrem prekäre Arbeit durch die Wanderarbeiter:innen geschaffen wird, um die Produktion zu sichern.Nivedita Menon beleuchtet Aspekte des Corona-Kapitalismus. Link