Oktober 2015: „In zunehmendem Maße fördern die UN marktbasierte Ansätze und Multi-Stakeholder Partnerschaften als das Geschäftsmodell für die Lösung globaler Probleme.“ Dieser Befund der Mitautorin Barbara Adams fasst die Studie „Fit for Whose Purpose? Private Funding and Corporate Influence in the United Nations“ des Global Policy Forum (September 2015) treffend zusammen.
So bestimmt beispielsweise die Bill & Melinda Gates Foundation, deren Einfluss auf die Weltgesundheitsorganisation WHO ein ganzes, informatives Kapitel gewidmet ist, „heute weitreichend den Gesundheitssektor“, während die UN-Organisation selbst weitgehend handlungsunfähig ist, wie sie bei der Ebola-Krise in tragischer Weise unter Beweis stellte. Mit ihren Milliarden-Spenden für Impfprogramme hat die Stiftung „auf der einen Seite Marktabhängigkeit geschaffen, mit dem Vorrang für technische beziehungsweise technologische Ansätze, auf der anderen Seite von den notwendigen Anstrengungen, die institutionellen Kapazitäten des öffentlichen Gesundheitssystems zu stärken, abgelenkt.“
Klarsichtig spricht die WHO-Chefin Margaret Chan darüber, wie "Big Tobacco, Big Food, Big Soda und Big Alcohol" die Gesundheitspolitik unter Druck setzen und beeinflussen - durch Lobbygruppen, Gerichtsverfahren und Geld: „Marktmacht setzt sich problemlos in politische Macht um.“ Und: „Der Einfluss der Stakeholder, besonders des privaten Sektors, in zahlreichen Bereichen wächst sehr schnell, während die institutionellen und regulatorischen Kapazitäten vieler Länder schwach ausgeprägt bleiben “.
Materialreich zeigt die Studie an zahlreichen weiteren Beispielen die Auswirkungen „Globaler Partnerschaften“ zwischen Vereinten Nationen und Konzernen, die weit in die Ausgestaltung und Umsetzung der jüngst von den UN verabschiedeten Nachhaltigkeitsziele SDGs reichen. Dazu gehört auch die „Scaling Up Nutrition-Initiative“, bei der über ein „Business Network“ Länder dazu gebracht werden, „Unternehmensinteressen in ihren Ernährungsstrategien zu berücksichtigen“.
Gezwungen, sich nach anderen Geldgebern umzusehen, hätten die UN inzwischen weder Mittel noch Zeit, ihre Rolle von „unparteiischer Regel- und Normsetzung, von Politikkoordinierung und Global Governance angemessen zu erfüllen“, sondern würden zum „Vertragsunternehmen für bilaterale und öffentlich-private Projekte “. Transparenz, Rechenschaftspflicht und demokratische Verfahren bleiben dabei auf der Strecke, so die Klage. Offensichtlich sind die Ursachen dafür aber nicht nur fehlendes Geld: „Versagen und Schwächen des UN Systems (sind) ein Ergebnis bewusster Entscheidungen von mächtigen Regierungen, UN-Chefs von UN-Organisationen und Programmen, und einflussreichen Unternehmens-Akteuren“.
Wenn dem so ist, bleibt allerdings unklar, wer die umfassenden Empfehlungen der Studie eigentlich umsetzen könnte - vom Aufruf an die Regierungen, mehr Geld bereit zu stellen, bis zu Tobin Tax und Verschmutzungsabgaben, von der Aufforderung, negative Auswirkungen von Partnerschaften offen zu analysieren, bis zu Forderungen nach Regulierung, Transparenz und klaren Regeln für die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft, um unzulässigen Einfluss auf die Politik der UN zu verhindern. Offen bleibt, wer überhaupt ein Interesse – und die Macht – hat, die UN aus dem Griff der Konzerne zu retten.
Vielleicht stößt ja wenigstens die letzte Empfehlung auf offene Ohren - der eher zaghafte Hinweis, zivilgesellschaftliche Gruppen sollten die Situation der Vereinten Nationen ganz genau analysieren und beobachten und „möglicherweise ihr Engagement überprüfen “.
Barbara Adams; Jens Martens, Fit for whose purpose? Private funding and corporate influence in the United Nations. Bonn/New York (Global Policy Forum) September 2015. Download (pdf-Datei 2,5mb)