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Reportagen & Analysen

Dossier: Digital Security threatens Digital Rights

Die Grenzen freier Meinungsäußerung sind umkämpftes Terrain, nicht nur, weil Hassbotschaften inzwischen zum Internet-Alltag gehören, sondern mehr noch, weil autoritäre Regime Regulierung benutzen, um Kritik und Opposition einzuschränken. Die neuen Regeln und Gesetze für soziale Medien gewähren nicht den notwendigen Schutz der Privatsphäre und der Meinungsfreiheit vor unkontrollierter staatlicher Überwachung. Zu befürchten sind staatliche Übergriffe gegen Regimekritiker*innen, Kontrolle journalistischer Berichterstattung und Eingriffe in die Privatsphäre Einzelner unter dem Deckmantel der Datenverwaltung und der Abwehr von 'Fake news'.                                                                                                        Redaktionsnetzwerk Südasien 


Wessen Sicherheit im Internet?

Sri Lanka Online Safety Bill

Redaktionsnetzwerk Südasien, Dezember 2023

Seit den terroristischen Anschlägen 2019 in Sri Lanka plant die Regierung ein Gesetz zur Online-Sicherheit. Im September 2023 legte das Ministerium für Öffentliche Sicherheit einen Gesetzentwurf vor, der darauf abzielt, Online-Kommunikation einschneidend zu regulieren, um – wie die Regierung sagt – Frauen und Kinder zu schützen, die Verbreitung von „falschen“ und „verbotenen“ Inhalten zu verhindern und Bedrohungen für die nationale Sicherheit abzuwenden. Das ohne öffentliche Beteiligung erarbeitete, komplexe Gesetz wurde Anfang Oktober ins Parlament eingebracht. Seither reißt die Kritik daran nicht ab: Mehrere Vorschriften schränken die Meinungsfreiheit und privaten Rechte schwerwiegend ein; der Präsident allein kann über die Besetzung der fünfköpfigen Regulierungskommission entscheiden; Maßstäbe für Anklagen und Bestrafung sind vage. Inzwischen hat der Oberste Gerichtshof den Entwurf auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft und die meisten Vorschläge bestätigt, dabei jedoch die menschenrechtlichen Einwände nicht ausreichend berücksichtigt. Jetzt gibt es Anzeichen, dass die Regierung einlenkt und demnächst zumindest eine umfassende öffentliche Beratung des Gesetzesentwurf organisieren könnte, die seit langem von Medienschaffenden wie der International Federation of Journalists gefordert wird.

Namashya Ratnayake and Taahira Lafir, Sri Lanka’s Proposed Online Safety Bill: Regulation, but at What Cost? Media Diversity Institute, December 9, 2023

Soorya Balendra, Falsehood vs. Free Speech: Competing Narratives of the Online Safety Bill. Groundviews, December 7, 2023

Sajini Wickramasinghe, UK and Sri Lanka: A Comparison of Two Online Safety Bills. groundviews, October 4, 2023


Nepal: TikTok "zerstört die Familie"

Rezwan, 22. November 2023

Im November 2023 sperrte Nepals Regierung überraschend TikTok, weil es laut offizieller Begründung "soziale Harmonie, Familienstruktur und –beziehungen“ zerstöre. Wenige Tage vorher hatte die Regierung eine neue Regelung eingeführt, die soziale Medien-Unternehmen verpflichtet, ein Büro im Land aufzumachen und strikte Regeln für Veröffentlichungen einzuhalten. Das Internet wird in Nepal nach Angaben der BBC von knapp zwei Dritteln der Erwachsenen genutzt, während andere Medien seit 2020 einen drastischen Einbruch erlebt haben. Eine Stellungnahme von nepalischen Journalist*innen und Menschenrechts-Aktivist*innen, veröffentlicht auf der Website von Freedom Forum, nennt das Verbot “unzeitgemäß und willkürlich”, einen ernsten Angriff auf die Demokratie und eine Schwächung von Bürger*innenrechten und Rechtsstaatlichkeit. TikTok wurde bereits in vielen Ländern verboten, meist wegen der Befürchtung, die Nutzer*innendaten könnten an die chinesische Regierung weitergeleitet werden.

Rezwan, Nepal's TikTok ban is the first step towards more government control on social media. In: Global Voices, November 22, 2023

Ananya BhattacharyaIs Nepal's TikTok ban unconstitutional and undemocratic? In: Quartz, November 14, 2023


How India’s Data Protection Law Weakens Citizens’ Right to Information

Himanshu Jha, 12. August 2023

Autoritarismus: In der zweiten August-Woche verabschiedete das indische Parlament ein Gesetz, dass dem Namen nach dem Datenschutz dienen soll. Vordergründig soll mit dem Digital Personal Data Protection Bill der Datenmissbrauch durch große Hightech-Unternehmen unterbunden werden. Datenschutz- und Menschenrechtsorganisationen befürchten allerdings, dass dadurch der Schutz der Privatsphäre und das Recht auf Information ausgehöhlt werden. Das 2005 verabschiedete bahnbrechende Right to Information-Gesetz (RTI Act) habe mit einigem Erfolg die Un-Kultur der Intransparenz und Korruption von Behörden und mächtigen Interessengruppen durchbrochen, schreibt Himanshu Jha, doch dieser Fortschritt und damit die Demokratie seien jetzt in Gefahr. Bereits 2021 setzte die Regierung Modi weitreichende Regulierungen durch, um soziale Medien und digitale Plattformen direkt unter ihre Kontrolle zubringen, was nach Auffassung von Kritikern zu einer Online-Zensur in Indien führen kann.

In: The Diplomat, August 12, 2023


In Bangladesh, the War on the Press Rages On

Zarif Faiaz, 18. April 2023

Anfang April stürmte eine Gruppe von etwa 20 Männern die Büros von Prothom Alo, der größten überregionalen Tageszeitung Bangladeschs. Dieser Angriff ging einher mit dem Vorwurf von Bangladeschs Premierministerin Sheikh Hasina, die Zeitung sei ein "Feind der Awami-Liga, der Demokratie und der Menschen im Land". Zuvor waren bereits der Herausgeber von Prothom Alo und einer der Journalisten wegen Verstoßes gegen das umstrittene Gesetz über digitale Sicherheit (DSA) verhaftet worden.

Die Kampagne gegen Prothom Alo ist Teil eines umfassenderen Angriffs auf die freie Presse in Bangladesch. Die verschiedenen Regierungen in Dhaka haben die Medien immer als ihr Sprachrohr betrachtet und kritische Stimmen bestraft. Aber die derzeitige Regierung der Awami-Liga greift noch härter durch. Das Center for Governance Studies (CGS) berichtet, dass seit 2013 mindestens 4.500 Personen, die meisten von ihnen Politiker*innen und Journalist*innen, unter dem Information Technology (ICT) Act 2006 und seinem Nachfolger, dem Digital Security Act (DSA), verklagt wurden. Die Regierung hat Zeitungen geschlossen und Websites gesperrt, weil sie "staatsfeindliche Nachrichten" veröffentlicht hätten.

Es ist zu erwarten, dass das drakonische Vorgehen gegen Medien weiter eskaliert, da die öffentliche Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Misere wächst, sich die Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen und der Verfolgung der politischen Opposition häufen und Anfang nächsten Jahres Parlamentswahlen anstehen.

In: The Diplomat, April 18, 2023


Indien: IT Rules on Fact-Checking Tantamount to Censorship of Press

Indian Newspaper Society, 14. April 2023

Auch in Indien werden IT-Regeln genutzt, um Zensur auszuüben. Die Information Technology Rules geben einem von der Regierung bestellten Komitee die Macht zu entscheiden, was ‚Fake news’ sind, was falsch oder irreführend ist. Die Indian Newspaper Society (INS) kritisiert, dass die Regeln ohne jegliche Konsultation mit der Presse eingeführt wurden und ein Mittel sind, die Meinungsfreiheit einzuschränken.

In: The Wire, April 14, 2023


Bangladesh: Media Groups Condemn Arrest of Journalist Under Draconian Digital Security Act

The Wire, 30. März 2023

Die Verhaftung von Shamsuzzaman Shams, Reporter der in Dhaka ansässigen Tageszeitung Prothom Alo, zeigt, wie in Bangladesch das drakonische Digitale Sicherheitsgesetz (DSA) zur Kontrolle journalistischer Berichterstattung benutzt wird. Shams wird beschuldigt, mit einem Bericht über den Preisanstieg im Land dem Image des Staates zu schaden, Unwahrheiten zu verbreiten und damit Recht und Ordnung zu gefährden.

In: The Wire, March 30, 2023


Bangladesh: Why the Data Protection Act is concerning

Faiz Ahmad Taiyeb, 15. März 2023

Das vorgeschlagene Datenschutzgesetz (Data Protection Act, DPA) von Bangladesch hat im Land und über die Landesgrenzen hinaus ernsthafte menschenrechtliche und wirtschaftliche Bedenken hervorgerufen. Kritisiert wird, dass der Gesetzentwurf keine klare Definition personenbezogener Daten enthält und datenschutzrechtliche Grundsätze nicht ausreichend eingehalten werden: Den Strafverfolgungsbehörden würde Zugang zu allen privaten Daten gewährt, private und öffentliche Unternehmen könnten unter Druck gesetzt werden, vertrauliche Informationen preiszugeben. Amnesty International befürchtet, dass das Gesetz eine tiefgreifende staatliche Überwachung unter dem Deckmantel der Datenverwaltung und Eingriffe in die Privatsphäre des Einzelnen ermöglichen könnte. Damit würde der Unterdrückung der politischen Opposition und der freien Meinungsäußerung im Namen staatlicher Interessen Tür und Tor geöffnet.

In: The Daily Star, March 15, 2023


Nepal: Digital Rights - Agenda for Change

Santosh Sigdel, 06. Febuar 2023

Die nepalesische Verfassung garantiert in Artikel 28 das Grundrecht auf Privatsphäre. Angeblich um dieses Recht weiter zu stärken, hat Nepal 2015 das Gesetz über das individuelle Recht auf Privatsphäre verabschiedet. Das Gesetz deckt jedoch nicht alle Aspekte des Datenschutzes umfassend ab. Mit der zunehmenden Nutzung des Internets und der Datenerfassung hat die Regierung immer mehr Daten der Bürger*innen gesammelt. Die Regierung muss diese Daten vor möglichen Angriffen und Missbrauch schützen. Derzeit ist in den nepalesischen Gesetzen die Verantwortung der Regierung für die Verwaltung und Speicherung dieser Daten nicht klar definiert. Ein umfassendes Datenschutzgesetz muss auch die Pflichten privater Einrichtungen festlegen. Bei den jüngsten Datenschutzverletzungen in privaten Unternehmen wurde niemand zur Rechenschaft gezogen, Fragen der Sorgfaltspflicht und der Datensicherheit sind ungelöst.

Santosh Sigdel ist Vorsitzender von Digital Rights Nepal

In: The Annapurna Express, February 6, 2023


Indien: Data Protection Bill Fosters State Surveillance

Human Rights Watch, 22.Dezember 2022

Autoritarismus: Der Entwurf für ein neues Datenschutzgesetz (Digital Personal Data Protection Bill) ist der jüngste Versuch der von der Bharatiya Janata Party (BJP) geführten Zentralregierung, Indiens erstes Gesetz zum Schutz persönlicher Daten zu beschließen. Ein früherer Vorstoß, der im Dezember 2019 im Parlament eingebracht worden war, wurde im August 2022 fallengelassen. Die Bedenken von Parlamentarier*innen der Opposition, Technologieunternehmen und Advocacy-Gruppen gegen die frühere Gesetzesvorlage werden vom jetzt vorgelegten Entwurf nicht berücksichtigt. Die Regierung sollte daher den Vorschlag überarbeiten, um den Schutz der Privatsphäre vor einer unkontrollierten staatlichen Überwachung sicher zu stellen, erklärte Human Rights Watch, eine öffentliche Beratung durchführen und die Vorschläge zivilgesellschaftlicher Gruppen und Experten für digitale Rechte einarbeiten.

HRW, India: Data Protection Bill Fosters State Surveillance. Draft Law Fails to Protect Privacy, Rights of Children


Pakistan tightens restrictions on social media giants

Ahmed Abbas, 22. Juni 2022

Entsprechend dem allgemeinen Trend in der Region hat auch Pakistan die rechtlichen Mittel zur Beschränkung von Meinungsfreiheit verschärft. Die neuen Regeln für soziale Medien zur „Beseitigung und Blockierung nicht rechtmäßiger online-Inhalte“ (Removal and Blocking of Unlawful Online Content (Procedure, Oversight and Safeguards) Rules 2021’, RBUOC Rules), sind so strikt und vage, dass selbst Social Media-Konzerne dagegen protestieren. Ihr Interesse daran, ihr Geschäftsmodell gegen allzu starke Eingriffe zu verteidigen, trifft sich punktuell mit der Verteidigung von allgemeinen Rechten auf Lebensgrundlagen, Freiheit des Handels und der Berufsausübung, die in den Artikeln 9 und 18 der pakistanischen Verfassung garantiert sind. Seit der Verabschiedung der RBUOC-Regeln schwanken die Meinungen höchster Gerichte zur freien Meinungsäußerung im Internet zwischen den gegensätzlichen Polen.

In: International Bar Association, June 22, 2022