Redaktionsnetzwerk Südasien, 28. April 2023
Die Grenzen freier Meinungsäußerung sind umkämpftes Terrain, nicht nur, weil Hassbotschaften inzwischen zum Internet-Alltag gehören, sondern mehr noch, weil autoritäre Regime Regulierung benutzen, um Kritik und Opposition einzuschränken. Die neuen Regeln und Gesetze für soziale Medien gewähren nicht den notwendigen Schutz der Privatsphäre und der Meinungsfreiheit vor unkontrollierter staatlicher Überwachung. Zu befürchten sind staatliche Übergriffe gegen Regimekritiker*innen, Kontrolle journalistischer Berichterstattung und Eingriffe in die Privatsphäre Einzelner unter dem Deckmantel der Datenverwaltung und der Abwehr von 'Fake news'.
Himanshu Jha, 12.08.2023
Autoritarismus: In der zweiten August-Woche verabschiedete das indische Parlament ein Gesetz, dass dem Namen nach dem Datenschutz dienen soll. Vordergründig soll mit dem Digital Personal Data Protection Bill der Datenmissbrauch durch große Hightech-Unternehmen unterbunden werden. Datenschutz- und Menschenrechtsorganisationen befürchten allerdings, dass dadurch der Schutz der Privatsphäre und das Recht auf Information ausgehöhlt werden. Das 2005 verabschiedete bahnbrechende Right to Information-Gesetz (RTI Act) habe mit einigem Erfolg die Un-Kultur der Intransparenz und Korruption von Behörden und mächtigen Interessengruppen durchbrochen, schreibt Himanshu Jha, doch dieser Fortschritt und damit die Demokratie seien jetzt in Gefahr. Bereits 2021 setzte die Regierung Modi weitreichende Regulierungen durch, um soziale Medien und digitale Plattformen direkt unter ihre Kontrolle zubringen, was nach Auffassung von Kritikern zu einer Online-Zensur in Indien führen kann.
In: The Diplomat, August 12, 2023
Human Rights Watch, 22.12.2022
Autoritarismus: Der Entwurf für ein neues Datenschutzgesetz (Digital Personal Data Protection Bill) ist der jüngste Versuch der von der Bharatiya Janata Party (BJP) geführten Zentralregierung, Indiens erstes Gesetz zum Schutz persönlicher Daten zu beschließen. Ein früherer Vorstoß, der im Dezember 2019 im Parlament eingebracht worden war, wurde im August 2022 fallengelassen. Die Bedenken von Parlamentarier*innen der Opposition, Technologieunternehmen und Advocacy-Gruppen gegen die frühere Gesetzesvorlage werden vom jetzt vorgelegten Entwurf nicht berücksichtigt. Die Regierung sollte daher den Vorschlag überarbeiten, um den Schutz der Privatsphäre vor einer unkontrollierten staatlichen Überwachung sicher zu stellen, erklärte Human Rights Watch, eine öffentliche Beratung durchführen und die Vorschläge zivilgesellschaftlicher Gruppen und Experten für digitale Rechte einarbeiten.
HRW, India: Data Protection Bill Fosters State Surveillance. Draft Law Fails to Protect Privacy, Rights of Children
Indian Newspaper Society, 14. 04. 2023
Auch in Indien werden IT-Regeln genutzt, um Zensur auszuüben. Die Information Technology Rules geben einem von der Regierung bestellten Komitee die Macht zu entscheiden, was ‚Fake news’ sind, was falsch oder irreführend ist. Die Indian Newspaper Society (INS) kritisiert, dass die Regeln ohne jegliche Konsultation mit der Presse eingeführt wurden und ein Mittel sind, die Meinungsfreiheit einzuschränken.
In: The Wire, April 14, 2023
Faiz Ahmad Taiyeb, 15.03.2023
Das vorgeschlagene Datenschutzgesetz (Data Protection Act, DPA) von Bangladesch hat im Land und über die Landesgrenzen hinaus ernsthafte menschenrechtliche und wirtschaftliche Bedenken hervorgerufen. Kritisiert wird, dass der Gesetzentwurf keine klare Definition personenbezogener Daten enthält und datenschutzrechtliche Grundsätze nicht ausreichend eingehalten werden: Den Strafverfolgungsbehörden würde Zugang zu allen privaten Daten gewährt, private und öffentliche Unternehmen könnten unter Druck gesetzt werden, vertrauliche Informationen preiszugeben. Amnesty International befürchtet, dass das Gesetz eine tiefgreifende staatliche Überwachung unter dem Deckmantel der Datenverwaltung und Eingriffe in die Privatsphäre des Einzelnen ermöglichen könnte. Damit würde der Unterdrückung der politischen Opposition und der freien Meinungsäußerung im Namen staatlicher Interessen Tür und Tor geöffnet.
In: The Daily Star, March 15, 2023
The Wire, 30.03.2023
Die Verhaftung von Shamsuzzaman Shams, Reporter der in Dhaka ansässigen Tageszeitung Prothom Alo, zeigt, wie in Bangladesch das drakonische Digitale Sicherheitsgesetz (DSA) zur Kontrolle journalistischer Berichterstattung benutzt wird. Shams wird beschuldigt, mit einem Bericht über den Preisanstieg im Land dem Image des Staates zu schaden, Unwahrheiten zu verbreiten und damit Recht und Ordnung zu gefährden.
In: The Wire, March 30, 2023
Zarif Faiaz, 18.04.2023
Anfang April stürmte eine Gruppe von etwa 20 Männern die Büros von Prothom Alo, der größten überregionalen Tageszeitung Bangladeschs. Dieser Angriff ging einher mit dem Vorwurf von Bangladeschs Premierministerin Sheikh Hasina, die Zeitung sei ein "Feind der Awami-Liga, der Demokratie und der Menschen im Land". Zuvor waren bereits der Herausgeber von Prothom Alo und einer der Journalisten wegen Verstoßes gegen das umstrittene Gesetz über digitale Sicherheit (DSA) verhaftet worden.
Die Kampagne gegen Prothom Alo ist Teil eines umfassenderen Angriffs auf die freie Presse in Bangladesch. Die verschiedenen Regierungen in Dhaka haben die Medien immer als ihr Sprachrohr betrachtet und kritische Stimmen bestraft. Aber die derzeitige Regierung der Awami-Liga greift noch härter durch. Das Center for Governance Studies (CGS) berichtet, dass seit 2013 mindestens 4.500 Personen, die meisten von ihnen Politiker*innen und Journalist*innen, unter dem Information Technology (ICT) Act 2006 und seinem Nachfolger, dem Digital Security Act (DSA), verklagt wurden. Die Regierung hat Zeitungen geschlossen und Websites gesperrt, weil sie "staatsfeindliche Nachrichten" veröffentlicht hätten.
Es ist zu erwarten, dass das drakonische Vorgehen gegen Medien weiter eskaliert, da die öffentliche Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Misere wächst, sich die Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen und der Verfolgung der politischen Opposition häufen und Anfang nächsten Jahres Parlamentswahlen anstehen.
In: The Diplomat, April 18, 2023
Santosh Sigdel, 06.02.2023
Die nepalesische Verfassung garantiert in Artikel 28 das Grundrecht auf Privatsphäre. Angeblich um dieses Recht weiter zu stärken, hat Nepal 2015 das Gesetz über das individuelle Recht auf Privatsphäre verabschiedet. Das Gesetz deckt jedoch nicht alle Aspekte des Datenschutzes umfassend ab. Mit der zunehmenden Nutzung des Internets und der Datenerfassung hat die Regierung immer mehr Daten der Bürger*innen gesammelt. Die Regierung muss diese Daten vor möglichen Angriffen und Missbrauch schützen. Derzeit ist in den nepalesischen Gesetzen die Verantwortung der Regierung für die Verwaltung und Speicherung dieser Daten nicht klar definiert. Ein umfassendes Datenschutzgesetz muss auch die Pflichten privater Einrichtungen festlegen. Bei den jüngsten Datenschutzverletzungen in privaten Unternehmen wurde niemand zur Rechenschaft gezogen, Fragen der Sorgfaltspflicht und der Datensicherheit sind ungelöst.
Santosh Sigdel ist Vorsitzender von Digital Rights Nepal
In: The Annapurna Express, February 6, 2023
Ahmed Abbas, 22.06.2022
Entsprechend dem allgemeinen Trend in der Region hat auch Pakistan die rechtlichen Mittel zur Beschränkung von Meinungsfreiheit verschärft. Die neuen Regeln für soziale Medien zur „Beseitigung und Blockierung nicht rechtmäßiger online-Inhalte“ (Removal and Blocking of Unlawful Online Content (Procedure, Oversight and Safeguards) Rules 2021’, RBUOC Rules), sind so strikt und vage, dass selbst Social Media-Konzerne dagegen protestieren. Ihr Interesse daran, ihr Geschäftsmodell gegen allzu starke Eingriffe zu verteidigen, trifft sich punktuell mit der Verteidigung von allgemeinen Rechten auf Lebensgrundlagen, Freiheit des Handels und der Berufsausübung, die in den Artikeln 9 und 18 der pakistanischen Verfassung garantiert sind. Seit der Verabschiedung der RBUOC-Regeln schwanken die Meinungen höchster Gerichte zur freien Meinungsäußerung im Internet zwischen den gegensätzlichen Polen.
In: International Bar Association, June 22, 2022