Globe Spotting

Themendienst

Reportagen & Analysen

"Nur Gewinner, keine Verlierer"

Kritische Fragen zur neuformulierten BMZ-Position zu „Land Grabbing“.

Ein Beitrag des FIAN-Agrarexperten Roman Herre, Februar 2012

 

Landraub eskaliert weiter. Nach neuen Untersuchungen wurden in den letzten zehn Jahren etwa 200 Millionen Hektar Ackerland an Investoren vergeben oder ihnen versprochen. Das ist mehr als die gesamte Ackerfläche der Europäischen Union. Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat nun seine Position zum Thema Land Grabbing neu formuliert. Wird damit dem globalen Landraub der Kampf angesagt? Drei kritische Fragen.

 

Warum eine neue Position?

Schon 2009 hatte das BMZ zum Thema Land Grabbing politisch Stellung genommen. Auf den ersten Blick scheint sich die Position kaum geändert zu haben. Beispielsweise formuliert das damalige Papier genauso wie die neue Position sechs Grundprinzipien. Von einer neuen Positionierung würde man erwarten, dass neue Erkenntnisse, die es reichlich gibt, genutzt und Handlungsanweisungen entsprechend konkretisiert würden.

Ein Blick ins Detail lohnt. „Kampf um knapper werdende Landressoucen“ hieß es noch 2009. Heute – nachdem Dutzende von Fällen dokumentiert sind, in denen Menschenrechte verletzt und Land von Arm nach Reich transferiert wurden – spricht das BMZ abgemildert vom „Wettbewerb um knapper werdende Ressourcen“. Neue Erkenntnisse flossen hier sicher nicht ein.

Noch offensichtlicher ist es bei den Handlungsansätzen. Auch hier wieder viel Ähnliches wie das Schaffen von Transparenz und die Unterstützung internationaler Leitlinien. Ein Punkt wurde jedoch ausgetauscht. Stand da 2009 noch „Teilnahme und zivilgesellschaftliche Kontrolle“, wurde dieser Part durch „Zusammenarbeit mit dem Privatsektor“ ersetzt.

Aus diesem Blickwinkel kann die neue Position als Teil der neuen BMZ-Politik des Private Sector Market Mainstreaming verstanden werden und weniger als eine Kampfansage an das Land Grabbing. Sie reiht sich damit ein in die Ausrichtung des BMZ, mehr und mehr der Wirtschaft das Feld der Armutsbekämpfung zu überlassen, wie es beispielsweise auch in der BMZ-Position zur Kooperation mit dem Privatsektor von 2011 zum Ausdruck kommt.

 

Sechs Prinzipien… welchen Mehrwert haben sie?

Man kann sich in Detaildiskussionen zu den formulierten Prinzipien verlieren, positive Aspekte wie Recht auf Nahrung und negative wie Umsiedlung sei akzeptabel, wenn „unvermeidbar“, aufzählen. Eher grundsätzlicher Natur ist die Frage, welche Relevanz solche Prinzipien in der politischen Praxis haben.

Auf internationaler Ebene setzt sich die Bundesregierung für die Erarbeitung und Umsetzung von Freiwilligen Leitlinien zum Thema Land und natürliche Ressourcen ein. Das wird auch im Positionspapier unterstützt. Welchen Mehrwert haben darüber hinaus dann aber die Prinzipien des BMZ? Und warum bezieht sich das BMZ bei solchen Prinzipien nicht klipp und klar auf die Leitlinien? Auch wenn die Leitlinien noch nicht verabschiedet sind, so wurde sich in langwierigen Verhandlungen mit allen relevanten Akteuren einschließlich Kleinbauernorganisationen auf Positionen geeinigt, auf die man hätte zurückgreifen können. So hätte man diese Leitlinien glaubhaft stärken können.

Die Idee, eigenen Prinzipien „international Geltung“ zu verschaffen, kann daher als eine Unterstützung der sehr ähnlichen, von Weltbank und G20 geförderten Prinzipen für verantwortungsvolle Agrarinvestitionen (RAI) interpretiert werden. Und diese sind von weiten Teilen der Zivilgesellschaft stark kritisiert worden, beispielsweise im Dakar-Appell.

 

Wie wird auf unsere Mitverantwortung reagiert?

Noch 2010 antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage im Parlament, dass sie keine Kenntnisse über die Beteiligung deutscher Unternehmen beim Land Grabbing habe. Mittlerweile kann sie sich nicht mehr so einfach aus der Affäre ziehen. Eine Vielzahl von Studien und Pressemeldungen haben gezeigt, dass Akteure wie die Deutsche Bank oder Lufthansa beim Land Grabbing beteiligt sind. So hat beispielsweise die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe angekündigt, mit 100 Millionen US-Dollar in einen Landfonds einzusteigen, der Ackerland unter anderem in Brasilien aufkauft.

Hier könnte das BMZ seinen Prinzipien zur Anwendung verhelfen und deutschen Akteure auf die Finger schauen. Aber gerade dieser Blick nach innen wird im Papier ausgeklammert. Und Rückfragen dazu werden mit Schweigen beantwortet wie auf der internationalen Konferenz Politik gegen Hunger im Dezember 2011 in Berlin, als die Staatssekretärin Gudrun Kopp eine solche Frage aus dem Plenum nicht beantwortete. FIAN beispielsweise fordert seit zwei Jahren, dass die Bundesregierung in einem ersten Schritt ein Register deutscher Akteure anlegt.

Mit keiner Silbe erwähnt wird auch die negative Rolle der deutschen und europäischen Agrartreibstoffpolitik, die diese Jagd nach Land enorm anheizt. Fehlanzeige auch bei der negativen Rolle der Investitionsschutzpolitik Deutschlands und Europas, durch die Investoren de-facto höheren Schutz genießen als die Menschen vor Ort.

Also Verantwortung überall, nur nicht bei uns selbst? Durch das Schweigen zu diesen Themen wird implizit die Mitverantwortung bestritten und die Regulierung der Investoren den „Zielländern der Investitionen und insbesondere ihren Regierungen“ allein überlassen. Gleichzeitig hebt das Papier die „schwachen Governance-Strukturen“ der Zielländer hervor und widerlegt damit den Ansatz, die Regulierung diesen Ländern aufzuerlegen.

 

Fazit: Ausklammern der Gerechtigkeitsfrage

Letztendlich stellt sich das Papier nicht dem entwicklungspolitischen Kernproblem, das hinter dem Land Grabbing steht. Strukturelle Implikationen wie die Verschärfung der Verteilungsungerechtigkeit und weitere Konzentration von Land und damit Macht, die eine zentrale Ursache für den weltweiten Hunger sind, werden nicht angesprochen. Die Idee, „das Investitionsinteresse in eine Richtung zu lenken, bei der es nur Gewinner, aber keine Verlierer gibt“, klingt schön, ist aber angesichts des Ausklammerns dieser zentralen Fragen und der Lebenswirklichkeit vor Ort nicht realistisch. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens positive, konkrete Einzelaspekte wie die Förderung der Durchführung von menschenrechtlichen Risikoprüfungen (Human Rights Impact Assessment) durch das Ministerium aktiv vorangetrieben werden. (6.200 Zeichen)

Roman Herre, Agrarreferent bei FIAN Deutschland, formuliert in diesem Beitrag seine persönliche Einschätzung.