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SPECIAL: Allianzen von Regierungen und Konzernen

Zahlreiche Studien haben gezeigt: PPP-Projekte sind teuer, sie sind nicht besser als öffentliche Betreiber, sie belasten vor allem ärmere Bevölkerungsgruppen und sie stellen eine gravierende Einschränkung demokratischer Kontrolle dar. Widerstand und Fehlschläge führten zur Einstellung vieler Vorhaben – vor wenigen Jahren noch schienen PPPs überholt. Doch als Bestandteil neuer umfassender „Partnerschaften“ und „Allianzen“ zwischen Staat und Wirtschaft erleben sie eine Wiedergeburt.

Mit den "Public Private Partnerships" (PPP) oder "Öffentlich-private Partnerschaften" wurde im Rahmen der neoliberalen Globalisierung in den 1990er Jahren ein Instrument populär, um Wirtschaftsbereiche beziehungsweise staatliche Aufgaben zu privatisieren, die überschuldeten Regierungen zur Last wurden, privaten Unternehmen hingegen zu riskant waren. Das galt vor allem für Bereiche, die in den meisten Ländern zum staatlichen Kernaufgabenbereich gehörten wie Strom- und Wasserversorgung, Straßenbau und Eisenbahnen, Bildung und Gesundheit. Private Investoren zögerten wegen der oft hohen und langfristigen Investitionen, etwa im Wassersektor, vor allem aber wegen der ungewissen Amortisation, handelte es sich doch vielfach um Daseinsvorsorge und andere gesellschaftliche Bereiche, die vor allem von weniger zahlungskräftigen Bevölkerungsgruppen genutzt beziehungsweise benötigt wurden. Bereits früh wurde der Paradigmenwechsel dieser neuen Kooperationsformen zwischen Staat und Privatwirtschaft über konkrete Projekte hinaus auf sogenannte ‚strategische Allianzen’ ausgeweitet.

 

Öffentliche Risikominderung

Zahlreiche Modelle solcher ‚Partnerschaften’ oder ‚Private Sector Participation’, wie beispielsweise die Weltbank sie gerne nennt, versuchten, das Spannungsverhältnis zwischen Investitionsbedarf und unsicheren Gewinnaussichten zu überbrücken, beispielsweise durch weitreichende Anreize für Investoren. So sollten durch öffentliche Gelder multilateraler Entwicklungsbanken wie der Weltbank und der Entwicklungszusammenarbeit, deren Vergabe an Regierungen an die Umsetzung von PPP-Projekten gebunden war, und höhere Preise und Gebühren (‚Kostendeckung’) die wirtschaftlichen Risiken für Investoren abgefedert werden.

PPP-Projekte wurden damit zum Hoffnungsträger nicht nur der Entwicklungspolitik. Sowohl auf der globalen als auch auf der kommunalen Ebene wird unter anderem mit dem Vorwand leerer Kassen versucht, immer mehr bislang öffentliche Aufgaben wie Bildung, Gesundheit, Straßenbau oder Nahverkehr privaten Unternehmen zu übertragen - oft mit gravierenden Folgen für die Bevölkerung. In der Entwicklungspolitik bedeutete dieser Paradigmenwechsel, dass es zu Zielkonflikten zwischen nachhaltiger Entwicklung und Armutsbekämpfung einerseits, wirtschaftlichen Interessen privater Partnerunternehmen andererseits kommen kann.

 

Rosinenpickerei’

Während diese Privatisierungsmodelle in Bereichen wie Post und Telekommunikation, Energie und Fernstraßenbau Investoren den Weg ebneten, da die hier die Profitaussichten günstiger waren, scheiterten sie vielfach im Wasserbereich, bei der Versorgung mit sanitären Einrichtungen oder im Agrarbereich oder führten zu einer Spaltung in einen lukrativen privatwirtschaftlichen Bereich, etwa bei Bildungseinrichtungen, und einen vernachlässigten, finanziell ausgehungerten öffentlichen Bereich. Die Übernahme der gewinnbringenden griechischen Flughäfen durch den deutschen Betreiber Fraport ist ein aktuelles Beispiel für diese ‚Rosinenpickerei’ mit staatlicher Förderung.

Zahlreiche Studien zeigten, dass PPP-Projekte nicht unbedingt erfolgreicher waren als Betriebe in öffentlicher Hand, beispielsweise von Kommunen. Wohl aber erwiesen sie sich vielfach als teurer, sowohl für die öffentlichen Haushalte, als auch für die Bürger. Der verbreitete Widerstand gegen hohe Kosten und den Verlust demokratischer Kontrolle über ‚Öffentliche Güter’ trug dazu bei, dass sich in vielen Bereichen die Erwartungen an private Investitionen nicht erfüllten. Selbst vehemente Befürworter wie die Weltbank ruderten daher zurück - PPP schien zeitweise eher ein überholtes Modell für ‚Entwicklung’.

 

Wiederauferstehung

Inzwischen feiert die ‚öffentlich-private Partnerschaft’ allerdings eine Wiederauferstehung – wenn auch in anderen Form, mit weiteren Akteuren und neuer Aufgabenverteilung: ‚Neue Geschäftsmodelle’, ‚Allianzen’ von Regierungen, Unternehmen, Stiftungen und nichtstaatlichen Organisationen, ‚Foren’ wie das Weltwirtschaftsforum Davos, die Global Partnership for Oceans oder das World Water Forum dominieren zunehmend die Politik und entwicklungsstrategische Weichenstellungen. PPP-Projekte spielen dabei eine zentrale Rolle. Aber während bei den früheren Projekten häufig die Gestaltungshoheit zumindest dem Anspruch nach noch weitgehend bei Regierungen und Entwicklungsorganisationen lag, verschiebt sich jetzt die Führungsrolle mehr und mehr zu Unternehmen. Deren Profitinteressen sollen nicht nur Wachstum bringen, sondern Armut, Hunger, Ungleichheit und Umweltzerstörung verringern, ja, beseitigen.

‚Grüne Ökonomie’ und ‚Unternehmensverantwortung’ werden jetzt als Entwicklungsmodell ausgeben, dem sich Regierungen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Bevölkerungen unterzuordnen haben – beziehungsweise in das sie, beschönigend formuliert, „integriert“ werden. Ein wachsende Rolle spielen bei dieser ‚Integration’ finanzkräftige Stiftungen wie die Bill & Melinda Gates Foundation, die Rockefeller Foundation, die Nestlé oder die Syngenta Foundation, die mit Milliardenbeträgen Regierungen, UN-Organisationen, Forschungsinstitutionen und Medien ködern und zunehmend die Entwicklung im Gesundheitsbereich, im Bildungswesen oder im Agrar- und Ernährungsbereich bestimmen.

So hat die Ökonomie in allen Bereichen die Kommandogewalt darüber übernommen, welche ‚Entwicklung’ stattfindet, beispielsweise

·       mit parallelen Governance-Strukturen außerhalb multilateraler Institutionen wie den Vereinten Nationen,

·       mit der Umwidmung von entwicklungspolitischen Geldern und Aktivitäten in die Förderung von Investoren, wie es die G8-Initiative ‚New Alliance for Food Security and Nutrition’ oder die ‚German Food Partnership’ vormachen,

·       und mit der Reduzierung staatlicher Regulierung zugunsten freiwilliger Selbstverpflichtungen.

Die Spielräume für andere, alternative Entwicklungskonzepte schrumpfen damit immer weiter. Ein dramatisches Beispiel dafür ist der Agrar- und Ernährungsbereich. Aber auch im Infrastrukturausbau, bei der Energie- und Wasserversorgung oder im Gesundheitswesen schreitet diese staatlich geförderte und finanzierte Privatisierung voran. Der Paradigmenwechsel, dessen erstes Modell PPP-Projekte waren, ist inzwischen (entwicklungs)politischer Mainstream.

Zum Einstieg:

Trojanisches Pferd. Public-Private Partnership und Privatisierung. In: Die Privatisierung der Welt. Reader des wissenschaftlichen Beirats von Attac. Hamburg (VSA-Verlag) 2004, S. 72-78. Download (pdf-Datei 128 kb)