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"Land grab": Zu Risiken fragen Sie die Weltbank

 Ein Kommentar von Uwe Hoering zum Weltbank-Bericht Rising Global Interest in Farmland, September 2010

Jetzt haben wir es sozusagen aus berufenem Munde: Das Ausmaß von „Land grabbing“ ist anscheinend weitaus größer als bislang vermutet. Allein im Jahr 2009 fanden Verhandlungen und Vereinbarungen mit privaten Investoren über 45 Millionen Hektar Land statt, über 70 Prozent davon in Afrika. Das jedenfalls steht im mit Spannung erwarteten Bericht der Weltbank (1) über das "steigende globale Interesse an Agrarland". (2) In der heftigen Diskussion um Ausmaß und Auswirkungen dieser Landübernahmen und geeignete Antworten darauf (3) kommt der Position der Weltbank als der wichtigsten Entwicklungsinstitution einiges Gewicht zu.

Der Bericht bestätigt die Befürchtungen von nichtstaatlichen Entwicklungsorganisationen, Bauernverbänden und Umweltgruppen auch in anderen Punkten: Durch Investitionen in Viehweiden oder Plantagen mit Ölpalmen gehen erfahrungsgemäß große Waldflächen verloren, ihr Beitrag zur Armutsminderung ist gering und um Kapital aufs Land zu locken, sind üppige Subventionen und Anreize erforderlich. Vor allem bevorzugen die Investoren Länder mit schwachen Landrechten, weil sich dort die Bevölkerung leichter vertreiben lässt. Risiken seien daher „immens“, räumt die Weltbank ein, um im gleichen Atemzug Zuversicht zu verbreiten: Auch die Chancen für eine nachhaltige und gerechte Entwicklung seien gut, würden doch dringend notwendige Gelder für die Landwirtschaft, der Transfer von Technologie und Wissen, höhere Produktivität und Beschäftigung winken, vor allem für Länder mit „reichlich vorhandenem und untergenutztem Land und niedrigen landwirtschaftlichen Erträgen“, also besonders in Afrika.

Gleichzeitig stellt die Bank fest, dass erst jede fünfte Vereinbarung wirklich zu landwirtschaftlicher Nutzung geführt hat. Das mag teilweise an der Kürze der Zeit liegen. Es ist aber auch ein Hinweis auf den hochgradig spekulativen Charakter dieser Landnahmen – ein Aspekt, den die Weltbank weitgehend ausblendet und unverdrossen behauptet, auch die ländliche Bevölkerung und bäuerliche Betriebe würden profitieren, zum Beispiel als Vertragslandwirte.

Ähnlich zwiespältig die Erkenntnis des Berichts, dass „starke und klare“ Landrechte notwendig sind, um gegen Risiken wie Vertreibung und Benachteiligung zu schützen. Bislang haben aber die meisten Programme, bei denen sich Regierungen und Entwicklungsinstitutionen wie die Weltbank für die Verankerung von Landrechten einsetzten, den Verlust von Nutzungsrechten an Land, Wasser und anderen Ressourcen für bäuerliche Landwirtschaft und wandernde Viehhalter eher beschleunigt oder sind wie die sogenannten „Marktorientierten Landreformen“ zum Beispiel in Südafrika gescheitert. So könnte sich die an sich richtige Erkenntnis rasch zu einer weitere Bedrohung auswachsen.

Um die Risiken einzudämmen und die vorgeblichen Chancen für die ärmeren Bevölkerungsgruppen zu nutzen, setzt die Bank auf die üblichen Instrumente – auf freiwillige Verhaltensregeln und unverbindliche Prinzipien für Investoren, auf bessere staatliche Institutionen, Gesetze und Regulierungen, auf Empfehlungen für mehr Transparenz und Beteiligung, damit zivilgesellschaftliche Gruppen und Betroffene Bescheid wissen, was Kapital und Staat im Schilde führen. Sich selbst sieht die Bank, immer um neue Aufgaben und Rechtfertigungen ihrer Existenz bemüht, dabei in einer Schlüsselrolle. Doch das sind leere Versprechungen, denn so mächtig ist die Weltbank dann doch wieder nicht, um dem Einfluss und den Profitinteressen von Agrarinvestoren Paroli bieten zu können. Und während die Chancenauswertung erst einmal auf sich warten lässt, geht die Landnahme munter weiter – mit Wissen der Weltbank um deren Risiken und Nebenwirkungen. Ihrem Rat sollte man allerdings nicht trauen. (4.400 Zeichen)

(1) World Bank, Rising Global Interest in Farmland. Can It Yield Sustainable and Equitable Benefits? Washington D.C., September 2010. www.worldbank.org.

(2) Siehe ausführlich dazu: Uwe Hoering, „Land grab“: Fluch oder Segen für den Süden? In: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, 09/September 2010 (W&E), und die Kritik von GRAIN: "Beyond the smoke and mirrors"

(3) Siehe zum Beispiel www.agrardebatte.de

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