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Was, zum Teufel, ist 'Klima-smarte Landwirtschaft'?

von Uwe Hoering, Dezember 2011

Als Antwort auf Ernährungskrise, Hunger und Klimawandel propagieren Institutionen wie die Weltbank und die FAO eine „Klima-smarte Landwirtschaft“. Sie soll Ernährungssicherheit bringen, die Landwirtschaft auf die Auswirkungen der Klimaveränderungen vorbereiten und gleichzeitig dazu beitragen, den Klimawandel zu bremsen. Ein „dreifacher Gewinn“ also, wie die Weltbank verspricht – doch die Gewinner könnten am Ende weder das Klima noch die Bauern, sondern die Agrarindustrie sein.

Anscheinend hat die Weltbank die ökologische Landwirtschaft entdeckt (1). Sie schwärmt von bodenbedeckenden Anbaufrüchten und Mischkulturen, vom Mulchen und Brache-Management, von Kompost, Gründüngung und Verwertung von Ernterückständen, von Agroforstwirtschaft und Anbauzyklen – alles Praktiken, die typisch sind für eine nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft. Zudem würden gerade in Ländern mit vielen Arbeitskräften und geringer Verwendung von Agrochemikalien organische Anbaumethoden kleinbäuerlicher Produzenten zu höheren Erträgen führen können. Es sieht ganz so aus, als hätte sich die Weltbank jetzt endlich den „Weltagrarbericht“ zu Herzen genommen, der eine Agrarwende weg von der industriellen Landwirtschaft fordert (2). Bislang galten ihr diese landwirtschaftlichen Methoden, die seit langem bekannt sind, nämlich als unproduktiv.

Außerdem sei diese Form der Landwirtschaft geeignet, Auswirkungen des Klimawandels abzufedern, indem sie sich flexibel an veränderte Niederschlagszyklen und steigende Temperaturen anpassen könne. Eine derartige 'Adaptionsfähigkeit' gilt besonders für Afrika als notwendig, weil einige Prognosen vor einem erheblichen Produktionsrückgang warnen. Bei der Klimakonferenz in Durban trugen daher viele Delegierte aus Afrika Sticker mit dem Slogan: „Ohne Landwirtschaft kein Abkommen“. Einer von ihnen erklärte gegenüber Mail&Guardian (3), um was es ihnen geht: Gelder zur Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel. Und scheinbar haben sie dabei auch die Weltbank an ihrer Seite. „Anpassung muss Vorrang haben“, verkündet sie und macht sich stark dafür, dass Regierungen und Entwicklungsorganisationen dafür mehr Finanzmittel in die Landwirtschaft stecken sollten: „Ohne wirksame Anpassungsmaßnahmen und die finanziellen Mittel dafür werden Ziele wie Armutsminderung und Ernährungssicherung nicht erreicht werden“.

 

Münchhausen-Landwirtschaft

Wirklich „Klima-smart“ wird die Landschaft nach dem Verständnis von Weltbank & Co (4) aber erst, wenn sie zudem auch im Kampf gegen den Klimawandel selbst hilft. Schließlich ist sie nicht nur Opfer, sondern trägt auch erheblich zu klimaschädlichen Emissionen bei, vor allem dadurch, dass natürliche Wälder, Savannen und Feuchtgebiete erschlossen werden. Aber auch der Einsatz von Dünger und Methan-Emissionen durch Tierhaltung und bewässerte Reisfelder beschleunigen die Klimaveränderungen.

Da trifft es sich gut, dass landwirtschaftliche Methoden, die die Humusbildung erhöhen und den -verlust reduzieren, Kohlenstoff binden beziehungsweise die Emissionen verringern können. Böden fungieren damit in der Sprache der Klimaexperten als „Kohlenstoffsenke“. Und damit eröffnet sich in der marktwirtschaftlichen Logik von Weltbank & Co für die Landwirtschaft über den Verkauf von Nahrungsmitteln, agrarischen Rohstoffen oder Klein- und Großvieh hinaus eine neue, innovative Einnahmequelle: Mit Gutschriften für die Einsparung von Emissionen könnte sie am Handel mit Emissionszertifikaten teilnehmen. „Klima-smarte landwirtschaftliche Techniken können Produktivität und Einkommen erhöhen und die Landwirtschaft angesichts des Klimawandels stärken“, schwärmt die Bank denn auch und wirbt, ebenso wie die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft, FAO, intensiv um eine Aufnahme der Böden als CO2-Senken in den Emissionshandel.

Die Weltbank sieht die glücklichen und erfolgreichen Bauern und Bäuerinnen schon vor sich: Dafür, dass sie auf ihren Äckern Emissionen verringern, erhalten sie Gutschriften, Zertifikate, die sie verkaufen können. Mit dem Geld können sie ihre Landwirtschaft weiter verbessern und sich auf den sich abzeichnenden Klimawandel einstellen. „Wenn CO2 eingelagert wird, erhält jeder Bauer Einnahmen aus der Kohlenstoff-Finanzierung, ein zusätzlicher Bonus zu erhöhter Produktivität und Widerstandsfähigkeit“. Damit verspricht sich die Weltbank von der Klima-smarten Landwirtschaft einen „dreifachen Gewinn“ – für die Landwirtschaft, das Klima und die Ernährungssicherung. Besonders in Afrika mit seinen nach wie vor zahlreichen kleinbäuerlichen Betrieben bieten sich dafür anscheinend die besten Voraussetzungen. Mit der Möglichkeit, am Emissionshandel teilzunehmen, würde sich die Landwirtschaft selbst aus der Klimafalle retten, also quasi am eigenen Schopf aus der Misere ziehen.

 

Praxistest

Um den Klimaeffekt nachhaltiger Landnutzungsmethoden zu demonstrieren, hat die Weltbank in Kenia ein Vorzeigeprojekt gestartet. Tausende Bauern führen Maßnahmen gegen die Bodenerosion durch und verbessern degradierte Böden, um so mehr Kohlenstoff zu speichern. Das Kenya Biocarbon Project, das bis zu eine Million US-Dollar kostet, soll nicht nur höhere Produktivität und bessere Anpassung an den Klimawandel bringen, sondern vor allem für die Idee der Emissionsminderung werben.

Nach Berechnungen der nichtstaatlichen Entwicklungsorganisation IATP rechnet sich die Sache allerdings nicht (5). Danach würde das zusätzliche Einkommen über eine 20jährige Laufzeit bei etwa einem Dollar pro Bauer und Jahr liegen. Auch die Weltbank und das Projektmanagement geben zu, dass dies keine solide Finanzierung darstellt, sondern nur mit Entwicklungsgeldern als Anschub funktioniert. Zudem sind Messungen zur Kohlenstoff-Speicherung in Böden äußerst schwierig und unzuverlässig, wie Susanne Gura schreibt, weil es viele Unsicherheits- und Einflussfaktoren gibt (6).

Die bekannte kenianische Aufforstungskampagne Green Belt Movement hat bereits Erfahrungen mit dem Konzept. Mitte des vergangenen Jahrzehnts ließ sie sich anwerben für ein Pilotprojekt der Weltbank, wie durch Aufforstung Emissionen vermindert werden könnten. Die ländliche Bevölkerung sollte auf Brachland Bäume pflanzen und damit hunderttausende Tonnen Kohlenstoff einlagern. Anfang Dezember stellte GBM jetzt einen Bericht darüber vor (7). Darin listet sie eine ganze Reihe von „Herausforderungen“ auf: Hohe Kosten und unzulängliche Finanzierung, Schwierigkeiten, die lokale Bevölkerung zu beteiligen und unzureichende staatliche Unterstützung und Erfahrung auf. Das Verfahren, Emissions-Gutschriften zu bekommen, sei kompliziert, die Zeit, bis Einnahmen fließen würden, lang. Und am Ende hätten sie weniger eingenommen als sie investiert hatten. Das Resümee: Das Projekt würde weder der Bevölkerung noch den Wäldern helfen. Den größten Nutzen haben Experten und Berater (8).

Der Vorsitzende der Afrika-Gruppe in Durban, Tosi Mpanu-Mpanu, hat denn auch Zweifel, dass Emissionshandel für Afrika etwas bringen kann. Die meisten Felder „sind zu klein, um genug Kohlenstoff einzulagern, damit sich ein Verkauf lohnen würde. Wir haben den Verdacht, dass derartige Ausgleichsmechanismen zu einer Perversion der Landwirtschaft führen können, indem Bauern nur noch anbauen, was Anreize bietet, und herkömmliche Nutzpflanzen aufgeben“.

Ganz anders könnte sich die Sache allerdings für große Betriebe und private Unternehmen mit ausreichend Kapital rechnen. Sie haben die Flächen, die finanziellen Mittel und die Expertise, um eventuell die Idee der "Klima-smarten Landwirtschaft" wirklich zu Geld machen zu können. Doch noch ist es nicht so weit.

 

....und Action

Während man mit Wäldern und Aufforstung bereits Emissions-Guthaben erwerben kann, muss das für Böden erst noch durch die zuständigen Gremien der UN-Klimarahmenkonvention anerkannt werden. Für solche „markt-basierten Mechanismen der CO2-Minderung“ machte die Weltbank bei den jüngsten Klimaverhandlungen in südafrikanischen Durban denn auch kräftig Werbung. „Die COP 17 bietet Afrika eine einmalige Gelegenheit, die globale Klima-Agenda zu gestalten und ein 'landwirtschaftliches Arbeitsprogramm' auf den Weg zu bringen, das wissenschaftlich fundiert ist und sowohl Anpassung als auch Emissionsminderung umfasst“.

In einem Offenen Brief („Call to Action“), unterzeichnet von zahlreichen UN-Organisationen aus dem Agrarbereich und internationalen Entwicklungsinstitutionen, warb sie dafür, die Landwirtschaft in die weiteren Verhandlungen aufzunehmen und den Weg frei zu machen für einen Handel mit Emissionsrechten. Bei einer zeigten sich mehrere hundert Bauern, darunter einige Verbändevertreter, Wissenschaftler und Entwicklungspraktiker, „entschlossen, die Landwirtschaft auf die Tagesordnung zu setzen“. Länder wie Kanada, die USA und Australien griffen den Slogan „Ohne Landwirtschaft kein Abkommen“ auf, allerdings anders, als er gemeint war: Sie machten daraus eine Paket-Lösung, indem sie darauf bestanden, dass es keine Zusagen für Anpassungsmaßnahmen geben würde, wenn nicht auch über Minderungsmaßnahmen gesprochen würde. Am Ende einigte man sich auf einen Arbeitsauftrag an die zuständigen Gremien für weitere Verhandlungen.

Dabei waren die afrikanischen Delegierten gespalten gewesen: Bei einer politisch hochkarätig besetzten Veranstaltung warb Südafrikas Präsident Jacob Zuma damit, dass „die Landwirtschaft ein gewaltiges Potenzial besitzt, um Treibhausgase kostengünstig durch Änderungen in landwirtschaftlichen Technologien und Methoden zu verringern“. Angesichts des Milliarden schweren weltweiten Emissionshandels wollen sich auch manche Regierungen an diesen Geschäftsperspektiven beteiligen, besonders aus Ländern wie Südafrika, in denen es große Farmen gibt.

Dagegen gehörten Ghana, Mali und Tansania zu den Neinsagern, die forderten, dass es bei Verhandlungen nur um Anpassungsmaßnahmen gehe sollte. Ein afrikanischer Delegierter wird im Mail & Guardian zitiert: „Wir fürchten, dass das Minderungs-Thema dazu führt, dass entwickelte Länder Afrika CO2-Märkte aufzwingen und dadurch verhindern wollen, selbst Geld für Anpassungsmaßnahmen aufzubringen“. Und selbst der Planungsminister Südafrikas, Trevor Manuel, äusserte Zweifel: „Afrika erzeugt nur drei Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen, wo ist da der Markt, für welchen Kohlenstoff?“

 

Falsche Lösung

Unterstützung erhielten die Zweifler und Gegner durch afrikanische und internationale zivilgesellschaftliche Organisationen, die in Durban gegen diesen massiven Vorstoß zu Felde zogen, Landwirtschaft beziehungsweise landwirtschaftliche Böden in den Emissionshandel einzubeziehen. Nnimmo Bassey, Vorsitzender von Friends of the Earth International, bezeichnete ihn als „falsche Lösung“ für die Klimafrage, Simon Mwamba von der East and South African Small Farmers' Federation sagt: „Klima-smarte Landwirtschaft wird als nachhaltige Landwirtschaft verkauft – doch dieser Begriff ist so breit, dass wir befürchten, das ist nur eine Fassade, um auch die industrielle Landwirtschaft, eine Grüne Revolution, zu fördern, die Bauern in einem Kreislauf von Verschuldung und Armut festhält.“ So könnten im Gefolge des Arguments, die Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen, gentechnisch veränderte Agrarprodukte und Herbizide vorrücken. Und schon stehen auch die nächsten Kandidaten für derartige „smarte“ Geschäftsmodelle auf der Wunschliste: Biologische Vielfalt und Wasser, die ähnlich wie Böden und Wälder einen „markt-basierten“ Beitrag zum Klimaschutz leisten sollen.

Schon jetzt zeichnen sich solche Entwicklungen in anderen landwirtschaftlichen Bereichen ab: So hat der Getreide- und Sojahandelsriese Cargill vom Emissionshandel profitiert, weil er die Biogasanlagen von riesigen Schweinemästereien in Südamerika finanziert hat. Die FAO erklärt, die industrielle Milchproduktion in den USA sei „Klima-effizienter“ als die extensive, kleinteilige Milcherzeugung in Indien. Andere Experten behaupten, Ölpalmenplantagen würden weniger CO2 erzeugen als bäuerlicher Wanderfeldbau und sollten deshalb ebenfalls als Klima-smarte Landwirtschaft gelten. „Klimaeffizienz“, so Helena Paul von EcoNexus, „kann dann auch bedeuten, Kleinbauern durch industrielle Landwirtschaft zu ersetzen.“ (9)

Die Folgen wären katastrophal: Wenn großflächige Landinvestitionen durch zusätzliche Gewinne aus dem Emissionshandel lukrativer werden, weil sie zum Beispiel - wie vom Agrarmulti Monsanto propagiert - in der „klima-smarten“ Conservation agriculture anstelle des Pflugs zur Unkrautbeseitigung Herbizide einsetzen, wächst die Gefahr, dass die Großen die Kleinen fressen. „Darin besteht eine ernste Bedrohung für die Landwirtschaft, weil die Aussicht, Gutschriften zu ernten, mehr Land grabbing und die Ausweitung von Monokulturen fördern könnte“, sagt Helena Paul.

Die eigentlichen landwirtschaftlichen Klimasünder, die industrielle Landwirtschaft, würden damit sogar noch belohnt. Auch Klimasünder im Norden können sich damit einen Ablass verschaffen, indem sie Gutschriften aus Emissionsminderung kaufen und gleichzeitig weiter sündigen. Unter der Hand würde sich dann die Entdeckung der bäuerlichen Landwirtschaft durch die Weltbank zu einem Förderprogramm für die Agrarindustrie verwandeln, mit Anschubfinanzierung aus Steuermitteln. (13.400 Zeichen)

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(1) The World Bank, Climate-Smart Agriculture. A Call for Action. Washington D.C. 2010: http://climatechange.worldbank.org/content/climate-smart-agriculture

(2) http://www.weltagrarbericht.de/

(3) Mail&GuardianOnline, 9 December 2011: http://mg.co.za/article/2011-12-09-africa-divided-over-climatesmart-agriculture

(4) Siehe zum Beispiel auch FAO, "Climate-Smart" Agriculture. Policies, Practices and Financing for Food Security, Adaptation and Mitigation. Rome 2010: http://www.fao.org/climatechange/climatesmartpub/en/

(5) IATP: http://iatp.org/documents/elusive-promises-of-the-kenya-agricultural-carbon-project

(6) Susanne Gura, Klima-"smarte" Landwirtschaft: Mehr Emissionshandel mit schädlichen Nebenwirkungen. In: AgrarInfo 178, September/Oktober 2011: http://www.agrarkoordination.de/publikationen.html#c319

(7) http://greenbeltmovement.org/a.php?id=544

(8) http://www.mundenproject.com/forestcarbonreport2.pdf

(9) http://www.econexus.info/arguments-against-proposed-programme-work-agriculture-under-unfccc%E2%80%99s-scientific-advice-committee-sbs