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Alternativen zur Privatisierung

April 2012: Die Vorstellungen, wie die vielfältigen und anhaltenden Probleme im Wassersektor gelöst werden sollten, können gegensätzlicher kaum sein: Beim 6.Weltwasserforum im riesigen Kongresszentrum von Marseille (12.-17. März 2012), ausgerichtet vom Industrie-dominierten Weltwasserrat (World Water Council), präsentierten Regierungs- und Unternehmensvertreter ihre Strategien, den Wasserbereich zu einem Zugpferd für die „Grüne Ökonomie“ zu machen (Siehe Globe-spotting-Blog). Dabei geht es vor allem darum, ihn für Investoren – von Wasserkonzernen über Anleger wie Pensionsfonds bis hin zu Finanzspekulanten – attraktiv, sprich: Profit versprechend zuzurichten. Entsprechend standen Stichwörter wie Effizienz, Technologien, Kommerzialisierung, öffentlich-private Partnerschaften (PPP) und „marktorientierte Lösungen“ im Vordergrund.

Beim Alternativen Forum FAME2012 (14.-17. März 2012) in Dock des Suds, einer alten Hafenhalle und einer kleinen Zeltstadt, waren die Stichwörter dagegen Gemeingüter, Rekommunalisierung und Community Management. Das Recht auf Wasser und ein nachhaltiger, sozial gerechter und ressourcenschonender Umgang mit dem wertvollen Gut sollten nicht durch Kommodifizierung und Finanzialisierung, sondern durch öffentliche Unternehmen, aktive Bürgerbeteiligung und Wasserdemokratie erreicht werden.

Neben den zahlreichen Workshops, Veranstaltungen und Demonstrationen mit mehreren tausend Beteiligten war das Alternative Forum auch ein Fixpunkt, um eine Reihe neuer Publikationen vorzustellen.

In der Broschüre From privatisation to corporatisation – Exploring the strategic shift in neoliberal policy on the urban water services analysiert Jorgen Eiken Magdahl von FIVAS (The Association for International Water Studies) in Oslo, die Veränderungen in der Strategie der Weltbank, eine Reihe von Kommerzialisierungsprojekten in Afrika südlich der Sahara, darunter in Johannesburg und Kapstadt in Südafrika, in Lusaka in Sambia und in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, sowie deren Auswirkungen auf die internationale Bewegung für Wassergerechtigkeit (Link).

Mit der Schuldenkrise und rigorosen Sparmaßnahmen im sozialen und öffentlichen Bereich als der vorherrschenden Lösungsstrategie hat auch in Europa die Privatisierung im Wassersektor neuen Rückenwind bekommen. Ob in Irland, Portugal oder Griechenland – überall stehen Forderungen nach dem Verkauf öffentlicher Versorgungsunternehmen und höheren Wasserpreisen im Raum. Einen Überblick bietet Our Right to Water. Case Studies on Austerity and Privatization in Europe (Link).

Remunicipalisation. Putting Water Back into Public Hands, veröffentlicht vom Transnational Institute in Amsterdam, stellt verschiedene Fallstudien vor, die zeigen, dass – so der Einleitungstext - „Remunicipalisation Works!“ (Link). Darunter sind Paris, Vorreiterin eine breiten Bewegung in französischen Kommunen, auslaufende Verträge mit Veolia oder Suez nicht wieder zu erneuern, die tansanische Küstenstadt Dar es Salaam, wo nach dem Desaster durch das britische Versorgungsunternehmen Biwater eine Rekommunalisierung stattfindet, Buenos Aires und die Bewegung für öffentliches Wasser in Malaysia, sowie ein weiteres Beispiel aus einem Industrieland – Hamilton in Kanada. Die Rückübertragung von Versorgungsunternehmen – nicht nur im Wassersektor – wird attraktiver, da in vielen Städten die Mängel der Privatisierung und der sogenannten Öffentlich-privaten Partnerschaften immer deutlicher werden. (Siehe Gemeingut in BürgerInnenhand)

Schließlich liefert ein 500 Seiten dicker Schinken, vorgelegt vom Municipal Services Project, gewichtige Gegenargumente gegen den häufig vorgebrachten Vorwurf, Kritiker der Privatisierung würden keine Alternativen präsentieren. Die Beiträge in Alternatives to Privatisation, Public options for essential services in the Global South von Wissenschaftlern, Praktikern und Aktivisten untersuchen verschiedene Modelle kreativer Initiativen im Öffentlichen Sektor in mehr als 40 Ländern mit den Schwerpunkten Wasser, Gesundheit und Energieversorgung und analysieren deren Vor- und Nachteile, untermauert durch empirische Daten (Link).

Auch der Text Water Commons, Water Citizenship and Water Security zeigt an Beispielen aus Indien, Australien und New York auf, wie Wassermanagement und -politik „revolutioniert“ werden können (Link). Bereits im Vorfeld der beiden Wasserforen hatte ausserdem Food and Water Watch bereits einen Bericht vorgelegt, wie Öffentlich-öffentliche Partnerschaften in den USA umgesetzt werden und, kontrolliert von der Öffentlichkeit, zu Kostenersparnis für Gemeinden und besserer Versorgung mit Trinkwasser und Abwasserentsorgung beitragen: Public-Public Partnerships: An Alternative Model to Leverage the Capacity of Municipal Water Utilities (Link).

Die Umsetzung solcher Alternativen ist allerdings keine einfache Sache, wie David McCoy von der Volksgesundheitsbewegung im Klappentext zu Alternatives to Privatisation schreibt: „Das Öffentliche ist ein Gebiet, auf dem die Menschen kämpfen müssen, wenn sie ihre Überzeugung von sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Rechten umsetzen wollen. Wesentlich für einen Erfolg sind eine breite Beratung und Beteiligung bei der Bereitstellung von Dienstleistungen.“ Uwe Hoering