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Januar 2015: Rückblick, Ausblick

Zum Jahreswechsel gehören die Rückblicke auf Ereignisse und Entwicklungen des vergangenen Jahres, die für wichtig erachtet werden, und der Versuch, vorausschauend mögliche Themen und Schwerpunkte zu benennen. Wie sieht das für Globe-spotting anlässlich des Jahreswechsels 2014 zu 2015 aus?

von Uwe Hoering, Januar 2015

Land grabbing

Wie in den Jahren zuvor war natürlich auch im vergangenen Jahr Land grabbing ein Themenschwerpunkt der Agrar- und Ernährungsdebatte und damit auch auf Globe-spotting. Die großzügige Vergabe teils riesiger Ländereien an in- und ausländische Agrarinvestoren und Spekulanten geht  - trotz einzelner Rückschläge wie dem Bankrott des indischen Investors Karuturi in Äthiopien - munter weiter, wie neue Zahlen zeigen:

Knapp 1.300 Fälle großflächiger Landnahmen (mehr als 200 Hektar) durch ausländische Unternehmen waren Ende 2014 in der Datenbank Land Matrix erfasst, über 200 mehr als im Sommer 2013 (Siehe Land Matrix Newsletter vom October 2014). Gleichzeitig hat der Anteil der Abkommen, die unterzeichnet wurden, anscheinend ebenfalls deutlich zugenommen: Im September 2014 waren 956 Verträge mit einer Fläche von knapp 36 Millionen Hektar unter Dach und Fach, 27 Prozent mehr als im Juni 2013. Inwieweit dabei die betroffenen Bevölkerungsgruppen ihre informierte Zustimmung gegeben haben, geht aus den Informationen leider nicht hervor.

Davon hätten mehr als 60 Prozent mit der Umsetzung, also beispielsweise Erschließungsmaßnahmen, begonnen, doch sei die Produktion erst auf 4,1 Millionen Hektar aufgenommen worden. Mit rund 6,5 Millionen Hektar führen US-amerikanische Unternehmen nach wie vor die Liste an, Unternehmen aus China werden mit weniger als 1 Million Hektar erfasst, vor allem in Südostasien, und sind damit nicht unter den ersten Zehn. Auf den Plätzen zwei, drei und vier stehen Unternehmen aus Malaysia, Singapur und den Vereinigten Arabischen Emiraten, gefolgt von Großbritannien und Indien.

Die Liste der Zielländer führen Papua Neuguinea und Indonesien an, gefolgt von vier Ländern in Afrika (Südsudan, DR Kongo, Mosambik und Republik Kongo), teils mit einer erheblichen Grauzonen bei der Datenlage. Die Flächen, die für Nahrungsmittel, Energiepflanzen und Forstwirtschaft genutzt werden sollen, liegen mit jeweils 8 bis 9 Millionen Hektar ungefähr gleich auf, wobei Aufforstungsprojekte den höchsten Zuwachs verzeichnen. Bei Agrartreibstoffen scheint dagegen die Begeisterung für Jatropha gesunken zu sein, was sich an einem Rückgang der abgeschlossenen Verträge und einer hohen Zahl gescheiterter Vorhaben zeigt.

 

Verantwortungsbewusste Investitionen

Immerhin wurden nach zwei Jahren Verhandlungen am 15. Oktober 2014 im FAO-Committee on World Food Security (CFS) die Prinzipien für verantwortungsbewusste Investitionen in Landwirtschaft und Ernährung (Principles for Responsible Investment in Agriculture and Food Systems) verabschiedet. Sie legen Anforderungen an öffentliche und private Investitionen jeder Größe in die Landwirtschaft und die Verarbeitung fest, die als Leitlinien für Politik und Gesetzgebung, Programme, Regulierungsmaßnahmen, Unternehmen, individuelle Abkommen und Verträge gelten sollen. Sie sollen sicherstellen, dass Investitionen zu Ernährungssicherheit beitragen und die Rechte von Beschäftigen gewahrt werden.

Allerdings sind sie nicht bindend - und trotz ihrer Verabschiedung in der CFS, in der die Zivilgesellschaft ein großes Maß an Mitsprache hat, gibt es insbesondere von bäuerlichen Organisationen und entwicklungspolitischen Gruppen Vorbehalte. So heißt es in einer Stellungnahme des internationalen Netzwerks von Bauernorganisationen La Via Campesina: "The adoption of Principles for responsible investment in agriculture (rai) is not sufficient to guarantee the rights of peasant communities, landless people and agricultural workers. It is positive that the primary role of peasants in investment in agriculture is recognized prior to the recognition of the role of the corporate sector. However, the rai do not give clear and strong guidance in the interest of the small-scale producers. The guidelines do not contain sufficient safeguards to stop land grabbing and other destructive actions by private capital and complicit governments. No real progress in promoting the creation of decent work, workers rights, and in the fight against discrimination of women was made."

 

Lehrstück China

Ein besonderes und spannendes Lehrstück für die globale Expansion der Agrar- und Ernährungsindustrie in neue Regionen, Produkte und Märkte, die sich unter anderem im Land grabbing zeigt, ist die wachsende globale Rolle von chinesischen Konzernen, den sogenannten 'Drachenköpfen'.

So kontrollieren im Aquakultur-Sektor Großunternehmen wie Baiyang, Tongwei und Shanghai Fisheries nach Behördenangaben 80 Prozent des Marktes, in der Tierhaltung sind 70 Prozent, in der Milchindustrie 60 Prozent in der Hand einiger weniger Firmen. Mittlerweile würden zwei Drittel der städtischen Nahrungsmittelversorgung ('Urban food basket') durch solche Konzerne bestritten, meldete das Landwirtschaftsministerium.

'Drachenköpfe' sind Unternehmen, die durch enge Kontakte zu staatlichen Stellen, Zuschüsse, erhebliche Subventionen und günstige Kredite durch staatliche Entwicklungsbanken wie die China Development Bank erhebliche Konkurrenzvorteile genießen. Die chinesische Entwicklungsstrategie setzt auf sie, um den gesamten jeweiligen Wirtschaftssektor zu modernisieren. Es wird erwartet, dass sie die Rationalisierung und Effizienzsteigerungen vorantreiben, nach zahlreichen Skandalen die Nahrungsmittelsicherheit erhöhen und die Versorgungs-Logistik verbessern. Mit einer wachsenden Nachfrage durch wohlhabende VerbraucherInnen könnte China zudem bald vom Exporteur von Fischprodukten - häufig Re-Exporte - zum Nettoimporteur werden. Bereits jetzt werden hochwertige Erzeugnisse wie Hummer in großen Mengen importiert.

Die 'Drachenköpfe' sind auch international starke Wettbewerber, um Chinas Präsenz in anderen Märkten zu verbessern. Durch den Aufkauf von Produzenten und Verarbeitungsbetrieben übernehmen sie anerkannte Markennamen und verschaffen sich Zugang zu Ressourcen, Technologien und Know how. Eine der Aufsehen erregendsten Übernahmen war der Kauf des US-Lebensmittelkonzerns Smithfield Foods durch Shuanghui International (inzwischen WH Group International), Chinas führender Verarbeiter von Schweinefleisch, im Jahr 2013. Auch Erzeuger von Milchprodukten, Futtermittelhersteller, Agrarhandelsunternehmen oder Weinberge stehen auf der Einkaufsliste.

In der Tat gibt es zunehmend Anzeichen, dass das Prinzip der Selbstversorgung bei Grundnahrungsmitteln, das bislang die Weltmarktauswirkungen von Chinas Appetit im Agrarbereich gebremst und auf einige Produkte wie Soja, Mais, Milchprodukte oder Baumwolle beschränkt hat, ins Wanken gerät.

Nach offiziellen Angaben wurden 2013 knapp 14 Millionen Tonnen Reis, Weizen und Mais eingeführt, etwa 2,7 Prozent der Rekordernte von 2013 mit 602 Millionen Tonnen, davon 542 Millionen Tonnen Reis, Weizen und Mais. Zwar spielte Chen Xiwen, stellvertretender Direktor des Central Agricultural Work Leading Team, der wichtigsten Entscheidungsinstanz für Agrarfragen, die Bedeutung der steigenden Getreideimporte herunter. Doch gleichzeitig berichtete die Financial Times, die Regierung wolle die Getreideproduktion 2020 bei 550 Millionen Tonnen festschreiben, weit unterhalb der Ernte vom vergangenen Jahr. Anstelle der Getreideproduktion soll die Erzeugung von Fleisch, Gemüse und Obst stärker gefördert werden. Die Lücke zur steigenden Nachfrage durch Verbraucher und Futtermittelindustrie muss dann durch höhere Importe gedeckt werden.

Logisch wäre diese Entscheidung schon: Angesichts wachsenden Drucks auf landwirtschaftliche Nutzflächen würde es Sinn machen, großflächigen Getreideanbau zu 'deckeln' zugunsten von höherwertigen Agrarprodukten mit geringerem Flächenbedarf und steigender Nachfrage durch städtische Mittelschichten. Zudem ist Getreide häufig preiswerter auf dem Weltmarkt als im Land selbst. Wissenschaftler wie Yu Bin, Direktor am State Council Development Research Center, erwarten denn auch, dass die - überwiegend staatlichen - international aktiven Agrarunternehmen zunehmend im Ausland investieren werden, besonders in Russland, der Ukraine, Südamerika und Südostasien, aber auch in Tansania, Ghana und Sambia.

 

Recht auf Nahrung

Inzwischen ist das Thema Land grabbing aus den Medien weitgehend verschwunden, in Kampagnen von Entwicklungs- und Agrarorganisationen ist es nur noch eins von mehreren Problemfeldern. Dafür wird mehr und mehr die Agrarpolitik insgesamt wieder in den Blick genommen. Ein Highlight dabei war die Abrechnung des Berichterstatters der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter (Siehe The Guardian vom 10. März 2014).

Das bestehende Agrarsystem sei gescheitert und müsse dringend reformiert werden, erklärte er in seinem letzten Bericht ("The transformative potential of the right to food"), bevor seine Amtszeit nach sechs Jahren endete. Während die Agrarindustrie durch Subventionen, Handelsgesetze und politische Maßnahmen gefördert und ständig stärker wird, sodass sie inzwischen "zur Vetomacht im politischen System" geworden ist, wird die bäuerliche Landwirtschaft, die so wichtig für die Einlösung der Ernährungssicherheit ist, vernachlässigt. Zwar wurde die Produktion gesteigert, doch die Zahl der hungernden Menschen kaum verringert.

Durch eine "radikale und demokratische Umgestaltung" sollten nicht nur die Macht der globalen Agrarindustrie beschnitten und der übermäßige Fleischkonsum, der Anbau von Energiepflanzen und Verluste und Verschwendung von Nahrungsmitteln und damit der globale Nachfragedruck auf natürliche Ressourcen wie Land und Wasser eingeschränkt werden, fordert De Schutter. Gleichzeitig sollten der Zugang bäuerlicher Betriebe zu produktiven Ressourcen verbessert, die bestehenden lokalen Alternativen wie die Agrarökologie und kürzere Produktions- und Versorgungsketten zwischen Produzenten und Verbrauchern, wie es beispielsweise erfolgreich in Brasilien geschieht, gefördert werden. Zudem sollten Länder des globalen Südens ihre "übermäßige Abhängigkeit" von Nahrungsmittelimporten verringern.

Seine Nachfolgerin Hilal Elver, die der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Mai 2014 berufen hat, ist verglichen mit ihren Vorgängern De Schutter und Jean Ziegler bislang noch blass geblieben. Hilver war unter anderem Ko-Direktorin des Project on Global Climate Change, Human Security, and Democracy an der University of California, Santa Barbara, und Beraterin der türkischen Regierung zu Umwelt- und Frauenfragen und hat vor allem über internationales Umweltrecht, Frauenrechte und internationale Menschenrechts-Gesetzgebung geforscht. In ihrer Antrittsrede Anfang Juli lobte sie die Fortschritte, die bei der internationalen Anerkennung des Rechts auf Nahrung gemacht worden sind, jetzt sei es an der Zeit, sie auch so umzusetzen, dass die Menschen erreicht werden (Siehe FAO-Pressemitteilung vom 17. Juli 2014).

 

Partnerschaften

Gleichzeitig nimmt die Gefährdung Rechts auf Nahrung durch die Expansion der Agrar- und Ernährungsindustrie und deren wachsenden Einfluss auf die Politik zu.

Die Bekämpfung von Armut und Hunger durch landwirtschaftliche und ländliche Entwicklung ist einer der drei Schwerpunkte, mit denen Gerd Müller, Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in der Großen Koalition, Profil gewinnen will - in Abgrenzung gegen seinen wirtschaftsliberalen Vorgänger Dirk Niebel. Da darf man gespannt sein, wie er auf die Forderung von zehn Nichtregierungsorganisationen reagieren wird, ein Projekt seines Vorgängers zu kippen und "Keine Entwicklungshilfe für Agrarkonzerne" einzusetzen. Seit 2012 unterstützt das BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) nämlich Agrar- und Chemiekonzerne wie Bayer und BASF im Rahmen der German Food Partnership (GFP). Angekündigt wurde, sie würden in solchen privat-öffentlichen Kooperationen zur Hungerbekämpfung in armen Ländern beitragen.

Öffentlich-private Partnerschaften (Public Private Partnership, PPPs), mit denen die deutsche und die internationale ländliche Entwicklungspolitik zunehmend auf Konzerne der Agrar- und Ernährungsindustrie setzt, spielen argumentativ, in der strategischen Schwerpunktsetzung und in der Außendarstellung insbesondere des BMZ eine zunehmend zentrale Rolle – auf Kosten der eigentlichen Zielgruppen wie Kleinbauern und -bäuerinnen.

Agrarkonzernen - so die Kritik von Entwicklungs- und Agrarorganisationen - soll dadurch der Zugang zum Saatgut-, Dünger- und Pestizidmarkt in Ländern des globalen Südens geebnet werden. Gleichzeitig würden durch Investitionsprogramme nicht nur Landkonflikte geschürt, sondern auch die Existenzbedingungen von Millionen kleinbäuerlichen Betrieben gefährdet - und damit Armut und Hunger verstärkt. In einem Bericht ("Gefährliche Partnerschaft"), einem Posititionspapier und einer neuen Studie des Forum Umwelt und Entwicklung ('Entwicklungspolitik goes Agrarindustrie') werden die Folgen dieser engen Kooperation zwischen Agrarindustrie und Entwicklungspolitik analysiert. Grundsätzlich sollten Agrarkonzerne im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit deshalb weder politisch noch finanziell gefördert werden.

Auf internationaler Ebene haben sich im Rahmen der New Alliance for Food Security und Nutrition, die 2012 von den G7-Industrieländern unter Führung der US-Regierung initiiert wurde, zehn afrikanische Regierungen in sogenannten Cooperation Frameworks verpflichtet, die Voraussetzungen für privatwirtschaftliche Investitionen im Agrarbereich zu verbessern. Eine interaktive Datenbanken, die die Tageszeitung Guardian eingerichtet hat, gibt einen guten Einblick, welche Verpflichtungen in welchen Bereichen eingegangen wurden.

Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass die meisten dieser Länder in den vergangenen Jahren bereits riesige Agrarflächen an ausländische Investoren vergeben haben: Senegal, Nigeria und Tansania jeweils zwischen 600.000 und 860.000 Hektar, Ghana, Äthiopien und Mosambik jeweils mehr als 2 Millionen Hektar. Fünf dieser Länder haben zwischen 42 (Nigeria) und 91 (Äthiopien) Konzessionsverträge abgeschlossen - verglichen mit weniger als fünf in wirtschaftlich weniger attraktiven Ländern wie Benin, Gambia oder Togo. Die Kooperationsabkommen sollen offenkundig die Gewinnaussichten dieser Verträge verbessern und die wirtschaftlichen Risiken verringern, indem rechtliche und institutionelle Hindernisse für Konzerne aus dem Agrar- und Ernährungsbereich wie Cargill, Unilever, Monsanto, Syngenta und Yara für den Zugang zu Land und zum Saatgut- und Düngermarkt abgebaut werden: In den Kooperationsabkommen haben sich die Regierungen unter anderem verpflichtet, bestehende Landnutzungsrechte, die lokale Bevölkerungen schützen, zu "revidieren", den Absatz von Chemiedünger zu fördern und den freien Saatguttausch durch strikte Gesetze zu unterbinden.

Die New Alliance und die German Food Partnership werden auch im kommenden Jahr ein wichtiges Thema sein, zumal der nächste G7-Gipfel in Deutschland stattfinden wird. Zahlreiche Organisationen haben inzwischen die globale Agrarpolitik zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit für dieses Jahr gemacht, und auch die Entscheidung von Bündnis90/Die Grünen, sich verstärkt für die Agrarwende zu engagieren, wird wohl die Debatte und Auseinandersetzungen über die internationalen Verflechtungen der deutschen und europäischen Agrarpolitik und der Konzerne im Agrar- und Ernährungsbereich beflügeln.

Daneben zeichnen sich einige andere Themen ab, die im Kommen sind:

 

Aktionsplanung für ‚Blaue Wirtschaft’

Die EU-Kommission hat mehrfach erklärt, dass sie die Ressourcen der Meere künftig stärker als Wachstums-Motor nutzen will. Dazu wurde in Brüssel ein Plan mit der verqueren Bezeichnung "Oceans innovation as source of sustainable growth" vorgestellt. Eines der zentralen Projekte ist die digitale Kartierung des Meeresbodens. Außerdem soll der Informationsaustausch zwischen Meeresforschungsprojekten verstärkt werden. In einem neugeschaffenen Forum sollen sich Wirtschaft, WissenschaftlerInnen und Zivilgesellschaft mit Ideen an der Entwicklung der "blauen Wirtschaft" beteiligen.

Die Kommission betont bei ihren Aktivitäten stets, dass die verstärkte wirtschaftliche Nutzung der Meere nachhaltig sein soll. Ziele der Agenda sind jedoch nicht der Natur- und Ressourcenschutz, sondern Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Das wird aus der Definition von 'Blauem Wachstum' deutlich: "Blue Growth is the long term strategy to support sustainable growth in the marine and maritime sectors as a whole. Seas and oceans are drivers for the European economy and have great potential for innovation and growth. It is the maritime contribution to achieving the goals of the Europe 2020 strategy for smart, sustainable and inclusive growth. The 'blue' economy represents roughly 5.4 million jobs and generates a gross added value of almost €500 billion a year."

Außerdem erarbeitet die EU-Kommission gegenwärtig eine 'Europäische Maritime Sicherheitsstrategie', EMSS (Siehe dazu Die Tageszeitung vom 30. Januar 2014). Worum es dabei geht, macht ein Politikpapier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP-Aktuell 2013/A 43, Juli 2013) deutlich: "Ozeane und Meere bilden mit ihren Rohstoffen und als Verkehrsraum eine unverzichtbare Grundlage für die Versorgung der europäischen Bevölkerung und zugleich für Europas Stellung unter den modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften." Den wachsenden maritimen Interessen der EU müsse "gegebenenfalls auch außerhalb des europäischen Seeraums Rechnung" getragen werden. Damit soll die wirtschaftliche und ökologische Meerespolitik der EU um eine globale militärische Komponente ergänzt werden.

Auch auf globaler Ebene wächst das Interesse an den Ozeanen: In einer 'Globalen Partnerschaft', die 2012 gegründet wurde, sind einige der größten Unternehmen der Fischindustrie wie Thai Union Frozen Products, Bumble Bee Foods und High Liner Foods, Umweltorganisationen wie WWF und IUCN, Regierungsorganisationen und Universitäts-Institute vertreten, koordiniert von der Weltbank. Die Global Partnership for Oceans hat unter anderem einen umfangreichen Bericht ("Indispensable Ocean") vorgelegt, in dem neben einer Bestandsaufnahme über die globale Bedeutung und bestehende Probleme ein neuer Ansatz für eine nachhaltige Nutzung der Weltmeere vorgeschlagen wird. Demnach sollen durch 'Public-Private Partnerships' Investitionen eingeworben werden, um zunächst für zehn Schlüsselregionen "catalytic investment packages" zu entwickeln (Siehe iisd-Bericht vom 16. Oktober 2013). 

Aber nicht nur die EU, internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank und global operierende Konzerne entdecken die Meere und wollen sie für Wirtschaft und Wachstum 'schützen'. Ähnlich wie im Agrar- und Ernährungsbereich, wo unter anderem die Bill & Melinda Gates Foundation mit der 'Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika', AGRA, die industrielle Modernisierung der Landwirtschaft unterstützt, gibt es auch in der internationalen Meerespolitik mächtige private Stiftungen, die – vordergründig ganz uneigennützig - Unterstützungsmaßnahmen und -projekte finanzieren.

Um Maßnahmen gegen die Überfischung der Weltmeere zu stärken, hat beispielsweise der frühere Bürgermeister von New York, der Milliardär Michael Bloomberg, die Vibrant Oceans Initiative gestartet (Siehe The Atlantik vom 4. Februar 2014). Mit 53 Millionen US-Dollar sollen Fischereireformen in Brasilien, Chile und den Philippinen, die zusammen sieben Prozent der Fänge der Hochseefischerei einfahren, finanziert werden. Empfänger sind drei US-amerikanische Organisationen: Oceana ist eine Advocacy-Gruppe, die sich unter anderem dafür einsetzt, im Rahmen der Welthandelsorganisationen WTO eine Begrenzung von Subventionen für die Fischerei durchzusetzen, Rare unterstützt Umweltschutz durch lokale Bevölkerungen und EKO Asset Management bietet Investoren Möglichkeiten, ihr Geld gewinnbringend in Projekten anlegen, bei denen beispielsweise Fischer und Fangflotten durch geänderte Fangmethoden die Bestände schützen und dadurch mittelfristig profitabler werden sollen.

 

Böden als die „vergessene Ressource“

Am 'Welttag der Böden', dem 5. Dezember 2014, hat die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO das 'Internationale Jahr der Böden' eingeläutet. Nachdem das vergangene UN-Jahr der sogenannten Familienlandwirtschaft gewidmet war, steht das International Year of Soils, IYS, jetzt sinnigerweise unter dem Motto ‘Soils, a foundation for family farming.' Böden seien, obwohl in vieler Hinsicht von grundlegender Bedeutung, eine “nearly forgotten resource,” erklärte FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva. Ob sich daran in 2015 trotz Welttag und Internationalem Jahr etwas ändern wird, bleibt abzuwarten - angekündigt sind jedenfalls eine Reihe von Konferenzen wie die 3rd Global Soil Week im April 2015 in Berlin, Aktivitäten von Organisationen wie der Global Soil Partnership (GSP) und Publikationen wie der World Soil Resources Report des Intergovernmental Technical Panel on Soils.

Hilfestellung dabei, das Thema dem Vergessen zu entreißen und rettende Maßnahmen zu intensivieren, will unter anderem der 'Bodenatlas' leisten, den die Umweltschutzorganisation BUND zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlicht hat. Demnach ist kein anderer Kontinent  für seinen Konsum so stark auf fremdes Land angewiesen wie Europa. Der „Landfußabdruck“ der EU betrage pro Jahr gut 640 Millionen Hektar - anderthalbmal so viel wie die Fläche aller 28 Mitgliedsstaaten. Allein für den Fleischkonsum in der EU werden demnach in Lateinamerika Futtermittel auf einer Ackerfläche angebaut, die so groß wie England ist. Jeder EU-Bürger nutze im Jahr im Schnitt 1,3 Hektar Land, sechsmal so viel wie ein Einwohner in Bangladesch. Das verbrauchte Land, das oft durch Abholzung gewonnen wird, liegt häufig in Staaten, in denen die eigene Bevölkerung nicht ausreichend mit Grundnahrungsmitteln versorgt sei.

 

Vom Nexus zur Bioökonomie

Ein Gradmesser für die aktuellen Moden und zukünftigen Schwerpunktthemen der agrarpolitischen Debatten und Auseinandersetzungen ist das Global Forum on Food and Agriculture, GFFA, das alljährlich Mitte Januar vom Bundeslandwirtschaftsministeriums in Berlin organisierte Event, dem sich auch zivilgesellschaftliche Organisationen nicht entziehen können.

Dieses Jahr stand es unter dem Stichwort 'Bioökonomie', mit dem sich zahlreiche Veranstaltungen beschäftigten, mit Beiträgen von Vertretern von Industrie und Politik, aus Wissenschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Der Bundeslandwirtschafts- und Ernährungsminister Christian Schmidt lobte die Bioökonomie in seinem Eröffnungsbeitrag als „nachhaltige, biobasierte und diversifizierte Wirtschaft“ und als Allround-Ansatz, „die Produktion von Nahrungsmitteln effizient zu steigern, gesunde und qualitativ hochwertige Lebensmittel zu produzieren, die Nutzung von Bioenergie zu fördern und zugleich Umwelt und Klima zu schützen.“

Bereits mit dem Aufschwung der Agrarenergie, schönfärberisch als Bioenergie bezeichnet, zeigten sich ein Zusammenwachsen unterschiedlicher Bereiche wie Energie- und Agrarpolitik und zunehmende Wechselwirkungen zwischen den Entwicklungen im Bereich fossiler Energieträger und Nahrungsmitteln. Erweitert zum „Water-Food-Energy Nexus“, wird angestrebt,  die sektoralen Betrachtungsweisen und Politiken zu überwinden, ein Ansatz, der im entwicklungspolitischen Diskurs wie in den Strategien von Unternehmen zunehmend an Gewicht gewinnt.

Die Bioökonomie versteht sich als ein noch umfassendes Konzept, "to redesign the global system of production and consumption in a manner guaranteeing a secure sustainable base in every respect". Fahrradrahmen aus Bambus, Kerosin aus Algen, Schuhsohlen aus Reisspreu - die Möglichkeiten, fossile Rohstoffe durch erneuerbare Ressourcen zu ersetzen, scheinen unbegrenzt, heißt es in der Ausgabe 3/2014 der Zeitschrift rural21. Vorangetrieben wird sie bislang von der Industrie und Wissenschaftlern, denen die EU Milliardenbeträge für Forschungsvorhaben bereitstellt. Versprochen wird unter anderem, die nicht erneuerbaren Ressourcen zu schonen, ohne auf Wirtschaftswachstum verzichten zu müssen. Von ihr würden sowohl die Länder des Globalen Südens und die Ernährungssicherheit profitieren als auch Impulse zu gerechterer Entwicklung und Armutsminderung ausgehen.

Während einige zivilgesellschaftliche Organisationen sich dem Charme dieser Versprechungen nicht ganz entziehen können und in der Bioökonomie durchaus Potenzial für einen Beitrag zu einer „ökonomischen Transformation“ für das „post-fossile Zeitalter“ sehen, dämpfen andere solche Erwartungen an eine "Grüne Ökonomie" beziehungsweise auf ein "Grünes Wachstums" oder sehen Ankündigungen, eine Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft bei der verstärkten Nutzung erneuerbarer Ressourcen in der Industrie würde kleinbäuerlichen Betrieben nützen, skeptisch.

Denn auch erneuerbare Ressourcen sind natürlich endlich (Land, Böden, Wasser und damit die Produktionspotenziale) und negative Auswirkungen auf Ernährung durch Konkurrenz mit der Industrie um ‚Biomasse’ unausweichlich. Möglicherweise scheint der Bioökonomie-Euphorie aber auch schon wieder die Luft auszugehen, trotz erheblicher Mittelzuführung durch EU und Konzerne. Vielleicht bietet sie doch keinen Markt und keine neuen Geschäftsfelder, besonders, solange der Ölpreis niedrig bleibt.

 

Mit Agrarökologie die Umwelt und die Ernährung retten

Große Erwartungen setzen viele Entwicklungs- und Agrarorganisationen dagegen auf die Agrarökologie, die neben Low Input Agriculture, Biolandbau, organischer oder ökologischer Landwirtschaft und Conservation Farming  das neue Catchword in der Diskussion um nachhaltige Landwirtschaft geworden ist. Gestützt werden sie unter anderem auch dadurch, dass auch FAO-Generalsekretär José Graziano da Silva im September vergangenen Jahres einen "Paradigmen-Wechsel" ausgerufen hat (Siehe Pressemitteilung der FAO vom 29. September 2014): "We cannot rely on an input intensive model to increase production", sagte er in Rom bei der Eröffnung der 24. Sitzung des Committee on Agriculture (COAG), einem Fachbeirat der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation, "the solutions of the past have shown their limits". Besonders der Einsatz von Wasser und Chemie in der Landwirtschaft müssten verringert werden. Ansätze wie die Agrarökologie sollten daher weiter und besser "erforscht" werden. Im gleichen Atemzug forderte FAO-Generalsekretär da Silva allerdings auch die Förderung von Bio- und Gentechnologie. Nur ein "inclusive approach based on science and evidences, not on ideologies" könne die Welternährung sichern.

Das wissenschaftsbasierte Konzept einer Agrarökologie kritisiert die Gefährdung von Böden, biologischer und kultureller Vielfalt durch die industrielle Landwirtschaft und formuliert Prinzipien für eine sozial und ökologisch nachhaltige Ausrichtung der Landwirtschaft. Unterstrichen werden unter anderem die erhebliche Potenziale, dadurch die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern, also die Böden zu retten (siehe oben), eine ausgewogene Ernährung zu gewährleisten, die Einkommen von Bauern und Bäuerinnen in armen Ländern zu erhöhen und die Anpassung an den Klimawandel zu fördern - ein weiteres Dauerthema der Agrardebatte, siehe zum Beispiel das Stichwort ‚Klima-smarte Landwirtschaft’ und die beim UN-Klimagipfel in New York im September 2014 vorgestellte "Global Alliance for Climate-Smart Agriculture".

Mit anderen alternativen Ansätzen teilt sie allerdings bislang das Schicksal, dass die dafür notwendige Umgestaltung der Agrarpolitik und der Ernährungssysteme eine Mammutaufgabe ist, an der bislang noch alle alternativen Ansätze ihre Grenzen gefunden haben. Während nach wie vor „Business as usual“ dominiert und sowohl GFFA als auch die parallel stattfindende Grüne Woche Mitte Januar 2015 in Berlin wie seit Jahren PR für die Agrarindustrie machen, bleibt sie bislang „vergessen oder verdrängt“ – und ob es ihr, trotz FAO-Unterstützung, anders ergehen wird als den vielen anderen Alternativen, muss sich zeigen.

 

„Wir haben es satt“

Hoffnung immerhin die Demonstration „Wir haben es satt“, die mit schätzungsweise 50.000 TeilnehmerInnen einen neuen Rekord erreichte. Neben den Standard-Themen und Dauerbrennern Tierfabriken, Gentechnologie und Alternativen für Landwirtschaft und Ernährung profitierte sie in diesem Jahr von der breiten Mobilisierung gegen TTIP. Die Transatlantische Partnerschaft für Handel und Investitionen droht unter anderem, weitreichende negative Auswirkungen auf Landwirtschaft und Ernährungsstandards in Europa zu haben – ein Thema, das nicht nur hierzulande eine immer größere Zahl von Menschen bewegt.

Und dann gab es am Rande des Veranstaltungs-Marathons in Berlin noch ein Bekenntnis, das ein sehr altes, in der Debatte der vergangenen Jahre aber von nahezu allen Beteiligten tabuisiertes und politisch hochbrisantes Fass aufmachte: Angesichts der ungleichen Landverteilung, auf der einen Seite einer weltweit zunehmenden Konzentration von Landbesitz, auf der anderen immer kleinere Höfe, von denen die meisten Bauern und Bäuerinnen selbst mit Agrarökologie oder anderen ertragssteigernden Alternativen nicht mehr über die Runden kommen können, forderte das Vorstandsmitglied der Heinrich Böll-Stiftung, Barbara Unmüßig: "Die Umverteilung gehört auf die Agenda!"