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Reportagen & Analysen

 

Stichwort: Sustainable Intensification

Alternatives Konzept für die Agrarindustrie gekapert

Das Konzept ist nicht neu: Der Begriff 'nachhaltige Intensivierung' (Sustainable Intensification) wurde bereits in den 1990er Jahren formuliert. Besonders in Regionen mit geringer Produktivität wie Afrika südlich der Sahara sollten Produktivitätssteigerungen erreicht werden, ohne die vielfach bereits fortgeschrittene Degradierung natürlicher Ressourcen weiter zu verstärken – mit "livelihoods accorded a central place" (iied Briefing). Aufschwung erhielt das Konzept durch die nicht zuletzt von internationalen Organisationen wie der Weltbank und der FAO losgetretene Debatte, wie eine stark steigende Nachfrage nach Lebensmitteln und anderen Agrarprodukten angesichts begrenzter – und gefährdeter – natürlicher Ressourcen erreicht werden kann.

Entstanden ursprünglich im Kontext kleinbäuerlicher Landwirtschaft, wurden unter anderem Methoden wie verbesserte Pflanzensorten, Agroforstwirtschaft und Bodenerhaltung, 'Conservation agriculture', integrierte Schädlingsbekämpfung, Gartenbau, Tierhaltung und Futtermittelanbau und Aquakultur propagiert. Ein Studie von 40 Projekten und Programmen in 20 Ländern kommt zu dem Ergebnis, dass dadurch „food outputs have been multiplicative“ und „crop yields rose on average by 2.13-fold“ (Pretty et al, 2011).

Kontrovers ist das Konzept inzwischen dadurch geworden, dass es zunehmend als Paradigma für umfassende Ernährungssicherheit verwendet wird – und damit als „an excuse for perpetuating the current corporate model of intensive farming with a sugar coating of sustainability“ (iied Briefing). Damit verschiebt sich die Argumentation zum einen weg von einem Ansatz, der explizit die Verwendung externer, teurer und oftmals umweltschädlicher Betriebsmittel wie Agrarchemie begrenzen will. Zum anderen, so die Kritik, werde damit Ernährungssicherheit verkürzt auf Produktionssteigerungen, unter anderem auch durch den Einsatz von Gentechnologie, während weitere Voraussetzungen dafür wie beispielsweise eine Abschwächung des prognostizierten Bedarfsanstiegs von Agrarprodukten, Verteilungsmaßnahmen und gesicherter Zugang oder politische und wirtschaftliche Aspekte wie eine Landumverteilung ausgeblendet werden. Auch werde Nachhaltigkeit "often defined too narrowly" und auf ökologische Aspekte reduziert, "neglecting its vital social and economic elements, for example livelihoods, equity, social justice and economic viability" (iied Briefing).

Sustainable intensification revisited. iied Briefing. March 2015 Link

Jules Pretty, et al, Sustainable intensification in African agriculture. In: International Journal of Agricultural Sustainability. 9:1 (2011) 5-24 Link

 

Stichwort: Sustainable Intensification - weitere Materialien

"Nachhaltige Intensivierung" verspricht zu viel (2015)

Juni 2015: "Sustainable intensification is receiving growing attention as a way to address the challenge of feeding an increasingly populous and resource-constrained world. But are we asking too much of it? Nearly 20 years after the concept was developed, this paper revisits the term and proposes what sustainable intensification is — a useful guiding framework for raising agricultural productivity on existing arable land in a sustainable manner; and what it is not — a paradigm for achieving food security overall. The paper summarises the history of and controversy surrounding the term, its main assumptions and risks, as well as its value for the future. We call for a re-rooting of sustainable intensification as one key element of a sustainable food system situated within a green economy."

Seth Cook, et al, Sustainable intensification revisited. Published by iied, March 2015. DownloadBriefing (pdf), DownloadIssue Paper (pdf)

FoEI, 'Nachhaltige Intensivierung' a la Agrarindustrie (2013)

Dezember 2013: Was meinen Regierungen, internationale Entwicklungsfinanziers, Agrarforschungseinrichtungen wie CGIAR und Stiftungen wie die Bill & Melinda Gates Foundation mit "nachhaltiger Intensivierung" der Landwirtschaft? Der Begriff hat seit einigen Jahren Konjunktur und verspricht, gleichzeitig Agrarproduktion und Ernährungssicherheit zu gewährleisten, umweltschädliche Auswirkungen wie die weitere Expansion von Agrarland und des Einsatzes von Agrarchemie einzudämmen und die Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen. Ein Bestandteil ist die sogenannte "Klima-smarte Landwirtschaft", die unter anderem eine Intensivierung der Tierhaltung fördern soll, ein zweiter das ausdrückliche Bekenntnis zu Bio- und Gentechnologie, ein weiterer die 'Conservation agriculture', die auf das Pflügen verzichtet, dafür aber einen erhöhten Einsatz an Unkrautvernichtungsmitteln erforderlich macht. Aber auch agroökologische Methoden, die als Alternativen zur industriellen Landwirtschaft entwickelt wurden, und die Zusammenarbeit mit Bauern und Bäuerinnen bei der Forschung werden propagiert. Die Studie arbeitet heraus, dass in der Praxis der Befürworter Technologie-orientierte Lösungsansätze im Vordergrund stehen und vorrangig gefördert werden. Anforderungen kleinbäuerlicher Betriebe würden dagegen kaum eingelöst, ebenso wie eine breite Partizipation. "Nachhaltige Intensivierung", so die Schlussfolgerung, "aims to help small farmers but is driven by the agendas of corporations, the science establishment and international donors".

A Wolf in Sheep's Clothing? An analysis of the 'sustainable intensification' of agriculture. By E. Diamond Collins and Kirtana Chandrasekaran. Edited by Friends of the Earth International, October 2013. Download (pdf-Datei 670kb)

Meanings, issues and challenges around sustainable intensification (2012)

In January 2012 the Oxford Martin Programme on the Future of Food organised a two-day workshop on Sustainable Intensification, co-organised with the Food Climate Research Network.  The workshop brought together key thinkers from the academic and policy community, and from diverse disciplines, to consider the meanings, issues and challenges around sustainable intensification in general, and particularly in relation to three areas of concern: environmental sustainability; animal welfare and human wellbeing, specifically nutrition.

Workshop Report:Garnett T. and Godfray C., Sustainable intensification in agriculture. Navigating a course through competing food system priorities.Food Climate Research Network and the Oxford Martin Programme on the Future of Food, University of Oxford, UK, 2012

Die Quadratur des Kreises (2011)

2. Dezember 2011: Der Bericht über den Zustand von Böden, Wasser und biologischer Vielfalt, den die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO Ende November vorgelegt hat, bestätigt die schlimmsten Befürchtungen: die Landwirtschaft arbeitet in vielen Regionen am Limit der natürlichen Ressourcen, in manchen sogar darüber hinaus. Als Ausweg aus dem Land- und Wassermangel empfiehlt die FAO eine "nachhaltige Intensivierung". Mehr