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Agrocities für Afrika

Januar 2017: Wer Analytisches von diesem Buch erwartet, wird enttäuscht werden. Stattdessen ist der Journalist, Agrarwissenschaftler, Entwicklungsexperte, Essayist und Poet Al Imfeld hier mal wieder der Geschichtenerzähler, der aus dem Schatzkästchen seiner langen und vielfältigen Erfahrungen plaudert. Der Fokus liegt dieses Mal auf Städten und Stadtentwicklung, Aspekte, die anderswo in der Berichterstattung über Afrika viel zu kurz kommen, beziehungsweise verkürzt werden auf Chaos und Slums, Gewalt und Elend. Das Tableau ist weit, sehr weit: Schlaglichter auf koloniale Städtegründungen wie Nairobi, Lagos oder Maputo, auf ehrgeizige Neugründungen nach der Unabhängigkeit wie Abuja in Nigeria, Dodoma in Tansania oder Lilongwe in Malawi, auf Slums, die integraler und funktionaler Bestandteil nahezu jeder Stadt sind, auf Townships wie Katutura und deren Aufschwung, auf Minenstädte in Südafrika und Kupferstädte in Sambia, auf Megacities und auf ‚ländliche Städte’ wie Bamako in Mali oder Niamey in Niger, auf Umsiedlungen und Slum Clearance.

Kernanliegen ist allerdings die Vision der Agrocity: Imfeld skizziert die Umrisse einer neuen Urbanität und einer neuen Stadtplanung, die von afrikanischen Gegebenheiten und Bedingungen ausgeht und damit zu Städten mit afrikanischem Charakter führt, zur Erfindung einer ‚afrikanischen Urbanität’. „Es muss zu einer großen Wende kommen“, eben zur ‚vitalen farbigen AgroCity’, die Stadt und Land verbinden und versöhnen könnte. Und dafür ist die Symbiose und gegenseitige Durchdringung von Urbanität und Agrikultur notwendig.

Ansatzpunkte dafür sieht er in Urban Farming, im Recycling von Abwasser und Plastikmüll, in innovativen Ideen wie Snackriegeln aus Mehlwürmern, aber auch in ‚guten Traditionen’, die teilweise durch die Kolonialgeschichte entweder verdunkelt oder gar verformt wurden. ‚Afrikas Menschen brauchen neuen Schwung und kreative Ideen, um die Zukunft in Angriff zu nehmen’ - und Ideen und Anregungen aus aller Welt liefert er dann in Hülle und Fülle, aus den Diskussionen über Landrechte und Kultur, über Mobilität und Ernährungsverhalten, über Gesundheitssysteme und Bildungswesen.

Das kulminiert in ‚Zehn Thesen zur neuen afrikanischen Stadt’ und einem AgroCity-Manifest. Das liest sich alles anregend, leicht und interessant, angereichert im wahrsten Sinne des Wortes durch die Illustrationen des südsudanesischen Künstlers Ali Shanto. Noch allerdings liegt eine große Kluft zwischen den Realitäten und Imfelds Visionen. Und die Gretchenfrage bleibt: Wie und vor allem durch wen könnten die von Imfeld ausgemachten Hoffnungen und die ‚große Wende’ umgesetzt werden?

Al Imfeld, AgroCity – die Stadt für Afrika. Skizzen zu einer neuen Urbanität. Zürich (Rotpunktverlag) 2017