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Ukraine-Konflikt bedroht Agrarinvestitionen

Von Uwe Hoering, März 2014

Nicht nur die Gas- und Öllieferungen für Europa und die Welt könnten durch den Konflikt um die Ukraine und eventuelle Sanktionen beeinträchtigt werden, sondern auch die Getreideversorgung. Noch sitzt die Welt auf einer Rekordernte, die die Preise bislang stabilisiert hat. Doch Händler in den USA beginnen bereits, über „Konflikt-Aufschläge“ nachzudenken, die Preise für Weizen und Mais steigen.

Die Ukraine ist in den vergangenen Jahren – neben Russland – zu einer der globalen Kornkammern aufgestiegen. Das Land erntete im vergangenen Jahr mehr als 20 Millionen Tonnen Weizen, davon wird etwa die Hälfte exportiert. Von der Maisernte von rund 30 Millionen Tonnen sind zwei Drittel für den Export bestimmt, rund 16 Prozent des Welthandels. Das US-Landwirtschaftsministerium erwartet, dass das Land 2013/2014 zum weltweit fünftgrößten Exporteur von Weizen und drittgrößten Exporteur von Mais, gleichauf mit Argentinien, werden könnte. Ein großer Teil dieser Exporte geht bislang nach Ägypten, dem weltweit größten Importeur von Weizen, und in andere Länder im Mittleren Osten und Afrika.

Noch sind die Auswirkungen des Konflikts nicht spürbar: Die meisten Weizenexporte der letzten Ernte sind bereits abgewickelt. Für Mais allerdings, dessen Ausfuhr erst angelaufen ist, könnte es Hürden geben. Zwar exportiert die Ukraine nur zehn Prozent ihrer Getreideexporte über Häfen auf der Krim, doch eine Ausweitung der Krise könnte die gesamte Schifffahrt beeinträchtigen.

Sorgen bereiten auch die Aussichten für die nächste Ernte: Unsicher ist, ob die Bauern in den Getreideanbaugebieten, die vor allem im Süden und Osten des Landes liegen, wie gewohnt investieren werden. Und ob wichtige Inputs wie Dünger, Agrarchemie und Saatgut importiert werden können. Konflikte und Sanktionen würden die Versorgungsketten in beiden Richtungen beeinträchtigen – und damit die globale Nahrungsmittelversorgung. Drastische Preissteigerungen wie vor sechs Jahren, die in vielen Ländern zu Aufständen und zum ‚Arabischen Frühling’ beitrugen, wären damit durchaus möglich.

 

Auslandsinvestoren

Die Ukraine ist im vergangenen Jahrzehnt zu einem beliebten Zielland für in- und ausländische Agrarinvestoren geworden. Die dortigen Schwarzerdeböden sind äußerst fruchtbar, private Unternehmen mit guten Kontakten zur Regierung von Viktor Janukowic haben sich große Ländereien unter den Nagel gerissen und suchen jetzt ausländische Partner, um die Investitionen zu stemmen, die marode Infrastruktur zu verbessern und Exportmärkte zu erschließen. Damit wird die Ukraine für ausländische Konzerne aller Agrarsparten attraktiv – aus Westeuropa, den USA und China.

Das dänische Agrarunternehmen Trigon Agri beispielsweise kontrolliert in der Ukraine 52.000 Hektar Agrarland, insgesamt in der Schwarzmeerregion über 200.000 Hektar. Der US-Agrarkonzern Cargill hat jüngst an UkrLandFarming, mit 560.000 Hektar Land der achtgrößte Agrarbetrieb der Welt, für 200 Millionen US-Dollar einen 5-Prozent-Anteil erworben und baut damit seine Position in der Region, die als vielversprechendster Agrarstandort der Welt gilt, weiter aus. Aber auch Cargill-Konkurrenten wie Bunge, Archer Daniels Midland und das Schweizer Unternehmen Glencore sind längst vor Ort mit Verarbeitungsbetrieben und Hafenterminals am Schwarzen Meer.

 

Looking Far East

Dabei geht der Blick vor allem auf die Märkte im Osten. Der ukrainische Milliardär Oleg Bakhmatyuk,  dem UkrLandFarming gehört, steht in Verhandlungen über Exporte und Investitionen mit weiteren ausländischen Agrarunternehmen wie COFCO, dem staatlichen chinesischen Getreidehändler, mit New Hope, einem privaten chinesischen Futter- und Fleisch-Konglomerat, und Temasek, einem Investment-Unternehmen mit Sitz in Singapur. Auch das ukrainische, staatlich kontrollierte Unternehmen KSG Agro unterzeichnete im Mai vergangenen Jahres eine Absichtserklärung mit Xinjiang Production and Construction Corps, einer staatlichen Unternehmensgruppe, über die Finanzierung und Lieferung von Bewässerungs-Infrastruktur. Teil dieses Abkommen soll zudem die Bereitstellung von zunächst 100.000 Hektar, später dann bis zu drei Millionen Hektar Land in der östlichen Ukraine für die Exportproduktion von Getreide und Fleisch für China sein – so jedenfalls ein Bericht in chinesischen Medien, der von der früheren Regierung und dem Unternehmen selbst im September vergangenen Jahres dementiert wurde.

Auch die bisherige Regierung in Kiew suchte den fernöstlichen Kontakt, um die Abhängigkeit von Europa und Russland zu verringern. So sollen Vereinbarungen mit der Export-Import Bank of China über einen Kredit in Höhe von drei Milliarden US-Dollar – zur Hälfte in bar, zur Hälfte in Ausrüstungsgütern – für die Modernisierung der Landwirtschaft und die Instandsetzung von Bewässerungssystemen abgeschlossen worden sein. Die Rückzahlung soll in Mais erfolgen, geliefert unter anderem durch UkrLandFarming. China hat in den vergangenen Monaten mehrfach Maislieferungen aus den USA wegen gentechnischer Verunreinigungen zurückgewiesen und sucht nach einer Diversifizierung und Steigerung seiner Getreideimporte. Im vergangenen Jahr wurde es bereits zum zweitgrößten Handelspartner der Ukraine, zukünftig könnte es zur „Wachstumslokomotive” werden, hofft Bakhmatyuk.

Der gegenwärtige Konflikt bedroht also nicht nur die globale Nahrungsmittelversorgung. Er bedroht vor allem auch die Interessen der internationalen Agrarinvestoren, die hier, weitgehend unbehelligt von der Auseinandersetzung um Land grabbing, daran arbeiten, ihre Kontrolle über die Ernährung der Welt weiter auszubauen.

Aber es gibt auch Optimisten: "Die starke Abwertung der ukrainischen Währung hilft uns", sagt der Trigon Agri-Vorsitzende Joakim Helenius, "und die Chancen sind gut, dass diese ganze Situation zu einem besseren Geschäftsklima als in den vergangenen Jahren führen wird."

Quellen:Wall Street Journal vom 3. März 2014; ABC Rural (Australien) vom 3. März 2014; The Australian vom 8. März 2014; farmlandgrab vom 28. Februar 2014. Siehe dazu auch Transnational Institute,  "Land concentration, land grabbing and people's struggles in Europe", October 2013