Globe Spotting

Themendienst

Reportagen & Analysen

Landwirtschaft ohne Pflug - Gewinn für die Industrie

von Uwe Hoering, Juli 2010

Die Debatten um die Klimakrise haben längst auch die Agrarpolitik erreicht. Die Anhänger bäuerlicher Landwirtschaft unterstreichen deren positiven Beitrag zu Klimaschutz und Verringerung von Treibhausgasen und zeigen mit dem Finger auf industrielle Land- und Viehwirtschaft als Klimasünder. Die wiederum verweisen auf Effizienzgewinne und Technologien, die angeblich helfen würden im Kampf gegen den Treibhauseffekt. Seit einigen Jahren propagiert die Industrie eine weitere Methode, um ihr grünes Image aufzupeppen - die Conservation Agriculture. Dabei wird sie tatkräftig unterstützt durch scheinbar neutrale Instanzen wie die UN-Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation FAO. Besonders attraktiv an der „erhaltenden Landwirtschaft“: Sie könnte sich für die Agrarindustrie als zusätzlicher Profittriebsatz erweisen und Gensoja zum Klimaretter stilisieren.

 

Chemie statt Pflug

Conservation Agriculture, kurz: CA, erfreut sich mittlerweile bei Agrarberatern und Politikern großer Beliebtheit – von FAOi über das deutsche Agrarministerium bis hin zu Entwicklungsorganisationen wie der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, GTZ. Wenn der Boden nicht gepflügt wird, so der Ansatz, verringert sich die Bodenerosion, knappe Wasserressourcen werden besser genutzt, die Erträge steigen, der Einsatz von Maschinen und Arbeitskraft sinkt. Damit würde der Verzicht auf den Pflug nicht nur helfen, Böden und Wasser, Wälder und biologische Vielfalt zu erhalten und die Bauern vom Pflügen, die Bäuerinnen vom Jäten zu entlasten, so die Lobeshymnen. Er würde auch auf vielfältige Weise Emissionen verringern, etwa durch weniger Treibstoff oder durch die Bindung von CO2im Boden. Damit würde er, hokuspokus, auch zu einem Lösungsbeitrag für das Problem Klimawandel, eine Behauptung, die unter Experten durchaus umstritten ist.

Aber auch als Umweltschutzmethode gibt es einen gravierenden Schönheitsfehler: Die Landwirtschaft ohne Pflug ist meist mit einem erhöhten Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln verbunden. Nicht ohne Grund war es der US-Agrarkonzern Monsanto, der die geschäftsfördernden Vorzüge dieser Anbaumethode erkannte und entsprechend propagierte, um den Absatz seines Herbizids RoundupReady im Paket mit gentechnisch verändertem Soja zu fördern. Inzwischen werden in Argentinien, Brasilien, den USA und Kanada riesige Flächen nach der Devise „no-till“, dafür aber mit Gensoja, Agrargiften und Mineraldünger bebaut. Und das ist alles andere als umweltfreundlich, ganz abgesehen von der Ausweitung der Sojaflächen auf Kosten von Wäldern und biologischer Vielfalt.

 

Klimabonus für Gensoja?

Inzwischen hat die Industrie die Absatzfördernde Idee weiter entwickelt. Wegen ihres positiven Beitrags zur CO2-Emissionsminderung, so die Argumentation, wären Betriebe, die auf den Pflug verzichten, doch würdig, in den Genuss von Emissionsgutschriften etwa im Rahmen des Clean Development Mechanism CDM zu kommen. Das würde enorme Zusatzgewinne und Anreize für Bauern bedeuten, auf die Methode umzusteigen, auch in Regionen in Afrika oder Europa, die bislang der Conservation Agriculture noch skeptisch oder gar ablehnend gegenüber stehen. Und es würde dem großflächigen Anbau von Gensoja und anderen gentechnisch veränderten Pflanzen das Etikett „Klimaretter“ verschaffen. Um das zu erreichen, setzt die Agrarindustrie seit einigen Jahren ihre Lobby-Maschinerie in Gang, und die FAO und die zahlreichen landwirtschaftlichen Entwicklungsprojekte, in denen der Verzicht auf den Pflug gefördert wird, sind ein Teil dieser Maschinerie.ii

Noch allerdings zieren sich FAO oder GTZ. Von dem, was die Industrie unter erhaltender Landwirtschaft versteht, „reden wir hier gar nicht“, so Theodor Friedrich von der FAO jüngst bei einer Tagung.iii Ihr Konzept von Conservation Agriculture sei 'etwas ganz anderes'. Neben dem Verzicht auf den Pflug gehöre dazu zum Beispiel auch Fruchtwechsel. Daher die vollmundige Versicherung von Friedrich: Auf Herbizide könne langfristig verzichtet werden! Auch Monsanto werde deshalb bald das Interesse an der Methode verlieren, so seine kühne Prognose. Außerdem würden sie Monokulturen wie im Sojaanbau grundsätzlich ablehnen, weil sie nicht nachhaltig seien. Und während Monsanto prahlt, die Popularität der Landwirtschaft ohne Pflug „führen Experten auf Herbizid-resistente Biotech-Pflanzen wie Soja, Baumwolle und Canola zurück“iv, beteuert Friedrich unbeirrt, zwischen gentechnisch veränderten Pflanzen und Conservation Agriculture bestehe überhaupt kein Zusammenhang.

Solche begrifflichen Differenzierungen und Abgrenzungen mögen in der entwicklungspolitischen Diskussion möglich sein und das eigene Gewissen rein halten – in der Praxis bedeutet die Förderung der Conservation Agriculture durch FAO und andere Entwicklungsorganisationen genau das, was sie angeblich verhindern will: Umweltschäden durch die Ausbreitung von Giften und gv-Pflanzen, Belastungen von Wasser und Böden. Denn faktisch, so die Erfahrungen, fungiert CA für die Bauern als Einstieg in den höheren Einsatz von Agrarchemie.v Ihre betriebswirtschaftlichen Vorzüge wie geringere Kosten für Maschinen und Arbeitskraft entfalten sich vor allem für Großbetriebe, während für Kleinbauern die Umstellung problematisch und schwierig ist.vi Stutzig macht auch, dass die FAO ausgerechnet durch Monsanto vor einigen Jahren auf den Trichter mit CA gebracht wurde und die beiden seither gemeinsam kräftig die Werbetrommel für den Verzicht auf den Pflug rühren – und für den geldwerten Klimabonus.

Auch wenn ein GTZ-Sprecher erklärt, es sei zum jetzigen Zeitpunkt 'schwierig, zur Einbeziehung von CA in den CDM-Mechanismus eine klare Position zu formulieren' - es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die FAO und andere Entwicklungsorganisationen offen dafür einsetzen, Conservation Agriculture als eine Methode anzuerkennen, für die Emissionsgutschriften in Anspruch genommen werden können - und damit für die Profitinteressen der Industrie. Den Boden dafür haben sie ja bereits mit ihren Lobeshymnen auf die angebliche Umweltverträglichkeit, Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit der Conservation Agriculture vorbereitet. (6.500 Zeichen)

 

Anmerkungen:

i Siehe zum Beispiel die Website zu Conservation Agriculture:http://www.fao.org/ag/ca/

ii Javeria Rulli, South American GM Soy close to get Carbon Credits – Agribusiness Lobby in the Climate Negotiations. September 2009. http://gmwatch.org/index.php?option=com_content&view=article&id=11538:carbon-credits-for-gm-soy

iii Conservation Agriculture. Nachhaltiger wirtschaften ohne Pflug? Dokumentation eines Fachgesprächs vom 29. April 2010 in Bonn. Herausgeber: GTZ, Eschborn 2010. www.gtz.org

v Siehe Jost Maurin, Gift statt Pflug. In: Die Tageszeitung, 1. Juli 2010

vi Siehe zum Beispiel den Beitrag von Christian Thierfelder, CIMMYT, in: Conservation Agriculture. Nachhaltiger wirtschaften ohne Pflug?