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Nach 'Goldenem Reis' jetzt 'Orangener Mais'

Mit neuen Maissorten wird versucht, den Saatgutmarkt aufzumischen

Von Uwe Hoering, Februar 2014

Seit Jahren gibt es Bestrebungen, mit gentechnisch verändertem ‚Goldenen Reis’ ein verbreitetes Ernährungsproblem, den Vitamin-A-Mangel, anzugehen. Doch bislang hat er in keinem Land eine Zulassung, nicht zuletzt, weil er ein Einfallstor für die Gentechnologie im Nahrungsmittelbereich darstellt. Was mit dem ‚Goldenen Reis’ bislang nicht gelang, soll jetzt mit der Hilfe neuer Maissorten erreicht werden.

Stolz zeigt Emerson Banji sein Maisfeld. Obwohl es dieses Jahr wenig geregnet hat, stehen die Pflanzen fast zwei Meter hoch. Und es ist ein besonderer Mais: Er soll nicht nur satt machen, sondern auch Vitamin-A liefern.

Emerson Banji ist einer von rund 1000 „Modellbauern“ in Sambia, die für Feed the Future, das Ernährungssicherungsprojekt der US-Regierung, angeworben wurden, um die neue Maissorte auf die Felder zu bekommen. Entwickelt wurde sie vom International Maize and Wheat Improvement Center (CIMMYT) und dem nationalen Agrarforschungszentrum ZARI. Angeblich kann sie sogar mehr als zusätzlich Vitamin-A bereit zu stellen – sie bringe auch höhere Erträge und sei widerstandsfähiger gegen Pflanzenkrankheiten und Trockenheit, versichert Feed the Future.

Das Projekt in Sambia ist Teil des Programms Agriculture for Nutrition and Health (A4NH) des Konsortiums internationaler Agrarforschungsinstitute CGIAR. Entwickelt und gefördert werden Neuzüchtungen, um Grundnahrungsmittel mit zusätzlichen Mikronährstoffen wie Vitaminen und Mineralstoffen „anzureichern“. Inzwischen gibt es auch Eisen-Bohnen, Zink-Weizen und Vitamin-A-Süßkartoffeln. Das bekannteste Beispiel ist ‚Goldener Reis’, an dessen Entwicklung das CGIAR-Forschungszentrum IRRI (International Rice Research Institute) auf den Philippinen führend beteiligt war. Im Unterschied zum ‚Goldenen Reis’, der zur Vitamin-A-Anreicherung gentechnisch verändert wurde, sei ‚Orangener Mais’ aus konventionellen Züchtungsmethoden hervorgegangen, betonen die Befürworter immer wieder. Sein erhöhter Anteil von Beta-Carotin wird im Körper in Vitamin-A umgewandelt. Durch diese ‚Biofortifikation’ soll der sogenannte „versteckte Hunger“ bekämpft werden – Mangelernährung, die weit verbreitet ist und zu Blutarmut, Erblindung oder Wachstumsstörungen führen kann. Angeblich sind bis zu zwei Milliarden Menschen davon betroffen.

 

Mangelnde Akzeptanz

Doch das 2012 gestartete Pilotprojekt in Sambia  „stößt auf schwerwiegende Akzeptanzprobleme“, klagt HarvestPlus, eine Umsetzungsorganisation für das CGIAR-Programms A4NH. Die Bauern und Bäuerinnen können bereits aus über 200 anderen Saatgutsorten auswählen – und sie sind vernünftigerweise skeptisch, wenn ihnen etwas Neues verkauft werden soll, schließlich tragen sie das Risiko, wenn es schief geht.

Jetzt suchen die Projektbetreiber nach neuen Strategien, um das Akzeptanzproblem zu überwinden. Kommerziellen Saatgutunternehmen soll das Produktionsrisiko abgenommen werden, damit sie die neuen Maissorten anbieten, die Werbung verbessert und möglicherweise eine eigene Marke für den ‚Orangenen Mais’ geschaffen werden. Die Regierung, über deren Subventionsprogramm das Saatgut dann an die Bauern gebracht werden soll, ist bereits mit im Boot: Offensiv bewirbt sie das neue Saatgut und versichert, dass es gentechnisch  nicht verändert wurde – denn das ist gerade in Sambia ein heikles Thema, seit die USA versucht haben, gentechnisch veränderten Mais als Nahrungsmittelhilfe durchzudrücken.[1]

Kritiker wie Greenpeace argumentieren allerdings, dass Mangelernährung einfacher und preisgünstiger durch eine Verteilung von Vitamin-A-Präparaten, einfache Beimischungen in Grundnahrungsmittel und mit Obst- und Gemüsegärten zu bekämpfen wäre als durch technologische und marktorientierte Ansätze. Besser wäre zudem grundsätzlich, die Diversifizierung der bäuerlichen Landwirtschaft zu fördern, wie es alternative Methoden wie die Agrarökologie vormachen. Dadurch könnte eine ausgewogene Ernährung erreicht werden und zugleich die Abhängigkeit von einem Produkt und einem Markt verringert werden.

Stattdessen erhält die Biofortifikation vor dem Hintergrund der vor sechs Jahren akut gewordenen Welternährungskrise erheblichen Rückenwind, besonders durch US-amerikanische staatliche und private Entwicklungsorganisationen, Stiftungen und Unternehmen. Ein Beispiel dafür ist auch die Initiative Scaling Up Nutrition, SUN, die von Unternehmen der Agrar- und Ernährungsindustrie gestartet wurde. Im Namen der Bekämpfung von Hunger und Mangelernährung können dadurch für die Saatgut- und Ernährungsindustrie neue Absatzmärkte erschlossen und traditionelle Sorten oder ‚Farmers Seeds’ - Saatgut, das Bauern und Bäuerinnen selbst vermehren und untereinander weitergeben – verdrängt werden.

Jüngst wurde beim World Economic Forum in Davos ein weiterer Versuch gestartet, dieser Biofortification zum Durchbruch zu verhelfen: Die Entwicklungsorganisation World Vision, die im ländlichen Bereich in vielen Ländern aktiv ist, und HarvestPlus verabredeten, bei der Verbreitung eng zusammen zu arbeiten. Zielländer sind zunächst Burundi, Tansania, Malawi, Ghana und Sierra Leone. Beteiligt an dieser Kooperation auch das holländische Unternehmen für Nahrungsmitteltechnologie, Royal DSM. Und zu den Finanziers von HarvestPlus gehören neben der staatlichen USAID und der Weltbank auch Agrarunternehmen und das US-amerikanische International Life Science Institute, das weltweit den Einsatz von Gentechnologie fördert.

Die bisherige Pilotpflanze, der ‚Goldene Reis’, konnte allerdings auch nach vielen Jahren erheblicher Promotion durch Agrarforschung und Institutionen nicht auf die Felder gebracht werden, nicht zuletzt weil sie ein Einfallstor für Gentechnologie in einem weit verbreiteten Grundnahrungsmittel ist. Daher rühren jetzt die verstärkten Bemühungen, mit anderen Pflanzen und konventionellen Züchtungsmethoden die Akzeptanz zu verbessern – wohl auch in der Hoffnung, dass im Windschatten von Kampagnen für ‚Orangenen Mais’ und ‚Eisen-Bohnen’ auch die Akzeptanz von ‚Goldenem Reis’ verbessert wird.

 

„Agent Orange Maize“

Über die Bande, sprich: über Afrika läuft auch das Spiel um die Vermarktung einer neuen gentechnisch veränderten Maissorte des US-Agrarchemiekonzerns Dow AgroSciences. Die Pflanzen sind resistent gegen das Unkrautvernichtungsmittel 2,4-D, dessen Bestandteil während des Vietnam-Krieges als Agent Orange zur Entlaubung ganzer Landstriche eingesetzt wurde, mit katastrophalen gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen, die bis heute spürbar und sichtbar sind. In Ländern wie Schweden, Dänemark und Norwegen ist dieses Herbizid wegen seiner Gefahren für die Gesundheit denn auch verboten.

Im Sommer 2012 erlaubte die Regierung von Südafrika, die sich mehr und mehr zu einem Türöffner für Gentechnologie in der afrikanischen Landwirtschaft entwickelt, die Einfuhr der neuen Maissorte als Nahrungsmittel und Tierfutter. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie das African Centre for Biosafety und Medien kritisierten diese Entscheidung heftig, da sie Gesundheitsschäden befürchten. Zudem ist das Herbizid 2,4-D in Südafrika zugelassen und damit eine Voraussetzung gegeben, „Agent Orange-Mais“ zukünftig auch als Saatgut einzusetzen.

Auch „Agent Orange-Soja“ (DAS-44406-6), ebenfalls von Dow AgroSciences, darf in Südafrika importiert werden. Eine internationale Koalition von Organisationen aus Südafrika, Brasilien und den USA befürchtet, dass durch die Marktöffnung der Absatz in wichtigen Anbauländern gefördert werden soll. „Eine derartige Zulassung zielt darauf ab, dem Antrag von Dow auf Genehmigung dieser gentechnisch veränderten Sorten in der kommerziellen Landwirtschaft, besonders in Brasilien, Argentinien und den USA, mehr Gewicht zu verschaffen “, heißt es in einer Pressemitteilung der Koalition, die an den UN High Commissioner For Human Rightsappelliert hat zu intervenieren.  „Herbizid-resistentes Saatgut ist der Wachstumsmotor für die Verkaufs- und Vermarktungsstrategie der Pestizidindustrie“, sagt Gabriel Fernandes von der brasilianischen Organisation AS-PTA. Denn durch das neue Saatgut sinkt der Einsatz von Agrargiften nicht, wie die Industrie behauptet, sondern er steigt.[2]

 

Konkurrenzkampf

Bislang wird im Anbau von gentechnisch verändertem Soja oder Mais überwiegend das Herbizid Glyphosat eingesetzt, besonders verbreitet dabei Roundup des Saatgut- und Agrarchemieunternehmens Monsanto. Dessen Gesundheitsgefahren werden jedoch immer deutlicher[3], gleichzeitig werden immer mehr Unkräuter resistent. Zudem sind inzwischen Monsantos Patente auf Glyphosat abgelaufen, chinesische Unternehmen sind heute die wichtigsten Lieferanten. Mit dem neuen „Agent Orange“-Saatgut und dem dazu passenden Herbizid würde Dow AgroSciences einen Wettbewerbsvorsprung durch ‚Innovation’ bei den wichtigsten Futterpflanzen nicht nur vor dem bisherigen Marktführer Monsanto gewinnen, sondern auch gegenüber den chinesischen Glyphosat-Anbietern – und der Teufel würde mit dem Beelzebub ausgetrieben.


[1] Siehe Uwe Hoering, Nahrungsmittelhilfe als Brechstange (Download pdf-Datei). Aus: Uwe Hoering, Agrar-Kolonialismus (VSA-Verlag) 2007. Download (pdf-Datei)

[2] Quelle: Charles M. Benbrook, Impacts of genetically engineered crops on pesticide use in the U.S. – the first sixteen years. Environmental Sciences Europe 2012,24:24

[3]  http://www.keine-gentechnik.de/dossiers/roundup-und-gentechnik-pflanzen/fakten-zu-roundup-und-glyphosat.html

Siehe zum fragwürdigen Beitrag von Agribusiness und Nahrungsmittelindustrie zur Ernährungssicherung auch Benjamin Luig, 'Business Case' Hungerbekämpfung. Forum Umwelt und Entwicklung, Berlin, 2013 (Download pdf-Datei 1,5mb)