Globe Spotting

Themendienst

Reportagen & Analysen

Einseitiger Nutzen von Zertifizierung

von Uwe Hoering , November 2013

Ende Oktober wurde eine Studie über Zertifizierungssysteme für Kaffee, Kakao und Baumwolle vorgestellt, die die Industrie-Stiftung SUSTAINEO in Auftrag gegeben hatte. Sie bestätigt, dass dadurch die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen für die Mehrheit der Kleinbauern kaum verbessert werden. Gleichzeitig bietet sie einen guten Einblick in die Denke der beteiligten Konzerne.

Eigentlich ist die Studie „Improving smallholder livelihoods: Effectiveness of certification in coffee, cocoa and cotton“, die Ende Oktober vorgestellt wurde, überflüssig, bestätigt sie doch nur, was längst bekannt ist: Von Zertifizierungen der Industrie profitieren vor allem "organized, more advanced farmers", sie schließen also die Mehrheit der Kleinbauern aus und nützen "the actors at the end of the value chain rather than farmers themselves". Produktivitäts- und Qualitätsverbesserungen können sich in höheren Einkommen niederschlagen - angesichts der Weltmarktpreise geschieht das allerdings nur teilweise. Und nur wenige Zertifizierer legen – wie FairTrade - ihre Aufschlagszahlungen offen: „Information on the extent to which premiums benefit certified farmers in practice is limited. There is considerable uncertainty on how the premium is divided between the farmer, producer group and exporter.“ Positive Auswirkungen auf Geschlechtergleichheit, Demokratisierung von Entscheidungsprozessen oder die Verringerung von Kinderarbeit sind zudem "begrenzt", "durchwachsen" oder "schwer festzustellen".

Bemerkenswert ist, dass diese Erkenntnisse von der industrienahen Beratungsfirma KPMG stammen. Und die Studie wirft einen Blick auf die Denke der Industrie und deren Anspruch, die Lebensbedingungen von Kleinbauern im Baumwoll-, Kakao- und Kaffeeanbau zu verbessern. In Auftrag gegeben wurde sie bei KPMG von SUSTAINEO, einer Stiftung, an der unter anderem die Neumann-Gruppe beteiligt ist, die durch ihre Kaffeeplantage in Uganda ins Rampenlicht der Land grabbing-Debatte geraten ist.

Ein Anlass ist die Sorge der Konzerne, ihren Nachschub zu sichern, da viele Bauern den Anbau nicht mehr lukrativ finden, und die "Versorgungssicherheit durch Lieferantenbindung sicherzustellen". Die Studie empfiehlt eine Ausweitung und Modifizierung der Zertifizierung, ergänzt um verstärkte Beratung, Zugang zu hochwertigem Saatgut und Dünger, um mehr Betriebe in die 'Wertschöpfungsketten' einzubeziehen. Da kommen dann "Kooperationen zwischen 'traditionellen Vertretern' der Entwicklungszusammenarbeit und dem Privatsektor" ins Spiel, wie es in der Pressemitteilung von SUSTAINEO anläßlich der Vorstellung des Berichts heißt, sprich Public-Private Partnership: Mit Steuergeldern sollen die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit geschaffen werden. Entwicklungskonzerne wie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, setzen das längst um, beispielsweise mit der Beteiligung an Industrie-Initiativen wie Cotton Made in Africa oder der German Food Partnership.

Ob das ausreicht, um mehr Kleinbauern zu helfen, da bleibt die Studie skeptisch: "We encourage to benchmark the effects (partly) attributed to certification with other development initiatives, aiming to improve smallholder livelihoods without a certification component." Damit meint sie dann aber nicht Alternativen wie eine 'partizipative Zertifizierung', bei der nicht die Konzerne, sondern die Bauern selbst die Standards setzen, oder gar ganz andere Möglichkeiten, die Produktivität bäuerlicher Betriebe unabhängig von globalen 'Wertschöpfungsketten' zu steigern, wie sie zivilgesellschaftliche Entwicklungsorganisationen und Bauernbewegungen wie La Via Campesina vorschlagen. Verwiesen wird auf andere Industrie-Initiativen wie das Cocoa Life Sustainability Program des Schokoladen-Riesen Mondolez oder das Nespresso AAA Sustainable Quality Program von Nestlé, die Investitionen, Beratung und Zertifizierung integrieren. Eine Empfehlung, den Bauern bessere Preise zu zahlen, findet man nicht.

Improving smallholder livelihoods: Effectiveness of certification in coffee, cocoa and cotton. Commissioned by SUSTAINEO. October 2013. Download (pdf-Datei)