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Äthiopien will Zuckerbaron werden - trotz Hungerkrise

Plantagen für Zuckerrohr und Baumwolle bedrohen die Lebensbedingungen von einer halben Million Menschen

von Uwe Hoering, September 2011

Äthiopiens Regierung will im Westen des Landes mehr als 350.000 Hektar Zuckerrohr- und Baumwollplantagen anlegen. Das riesige Bewässerungsprojekt im unteren Omo-Tal würde die Lebensbedingungen von bis zu 500.000 Menschen in dieser Grenzregion mit Kenia bedrohen, schätzt das Oakland Institute in einer Studie, und schwerwiegende ökologische Auswirkungen haben.

 

Großflächige Landnahme

Zunächst sind insgesamt 245.000 Hektar Pflanzungen mit Zuckerrohr geplant, die vom staatlichen Unternehmen SugarCorp betrieben werden sollen. Zudem vermutet das Oakland Institute, dass zahlreiche weitere kleinere Konzessionen an private Baumwollpflanzer vergeben werden sollen, alle bis auf ein indisches Unternehmen aus Äthiopien. Die Konzessionsgebiete liegen teilweise in Nationalparks und Gebieten, die von der UNESCO wegen ihrer ökologischen und kulturellen Einmaligkeit als Welterbe anerkannt sind. Mit dem Bau von Zugangsstraßen wurde bereits begonnen. Bis zu 150.000 Arbeitsplätze versprechen die Befürworter – und einen gewaltigen Entwicklungsschub für die bislang nahezu unerschlossene Region.

Die durstigen Pflanzen in der niederschlagsarmen Gegend erhalten ihr Wasser durch den Omo-Fluß, der im regenreichen Hochland westlich der Hauptstadt Addis Abeba entspringt und in den Lake Turkana, einen riesigen Binnensee in Kenia, fließt.

Kernstück des Bewässerungsprojekts ist das umstrittene Wasserkraftwerk Gibe III, auch bekannt als Gilgel Gibe III. Der Zuschlag für dessen Bau ging 2006 an die italienische Baufirma Salini, unter dubiosen Umständen, wie International Rivers berichtet. Die Anlage ist mit 1870 MW für den Export dimensioniert – und Teil eines umfassenden Plans, Äthiopien zu einem zentralen Stromversorger für die Region zu machen. Neben internationalen Entwicklungsfinanziers wie der Afrikanischen Entwicklungsbank AfDB oder der Europäischen Investitionsbank EIB kommen dabei zunehmend chinesische Banken und Unternehmen zum Zuge.

 

Zerstörung im Namen von Entwicklung

Anfangs hatte die Regierung stets geleugnet, dass der Staudamm auch für die Bewässerung genutzt werden soll – ein Ablenkungsmanöver, wie sich jetzt herausstellt.  Beobachter befürchten nun, dass durch die Umleitung des Wassers auf die Plantagen die negativen Auswirkungen auf Umwelt und Lebenssituation der lokalen Bevölkerung noch gravierender werden. Eine Studie im Auftrag der Afrikanischen Entwicklungsbank schätzt, dass durch das Bewässerungsprojekt der Zufluss zum Turkana-See halbiert werden könnte. Ein Absinken des Wasserspiegels und rasche Versalzung wären die Folgen.

In dem dünn besiedelten Gebiet auf beiden Seiten der Grenze leben überwiegend Angehörige indigener Volksgruppen, die vor allem extensive Viehhaltung betreiben, am Ufer des Flusses aber auch Nahrungsmittel anbauen. Die lokale Bevölkerung wurde weder um Zustimmung gefragt noch ist zu erwarten, dass sie eine angemessene Entschädigung enthalten wird. Menschenrechtsgruppen wie die in London ansässige Survival International berichten von zunehmender Repression durch die Sicherheitskräfte. Und die Arbeitsplätze auf den Plantagen werden vor allem durch Zuzügler aus anderen Landesteilen besetzt werden. „Wenn diese Vorhaben wie geplant umgesetzt werden“, so das Oakland Institute, werden die Existenzbedingungen für etwa 500.000 Menschen diesseits und jenseits der Grenze „für immer zerstört“ - im Namen der Entwicklung.

Gibe III ist nur einer von vielen Staudämmen, die gegenwärtig in Äthiopien geplant oder im Bau sind. Und die Pflanzungen am Omo sind nur ein Teil eines ehrgeizigen Plans, die Zuckerproduktion bis 2015 um das Siebenfache auf 2,3 Millionen Tonnen zu steigern und das Land, das aufgrund seiner strukturellen Agrarprobleme unter wiederkehrenden Hungerkrisen leidet, zu einem der zehn wichtigsten Zuckerexporteure zu machen und damit am Geschäft mit Agrartreibstoffen zu verdienen. Auch in anderen Regionen wie Amhara, Tigray und Afar sind nach Angaben des Nachrichtendienstes Bloomberg Zuckerrohrplantagen geplant. Und die staatliche SugarCorp, die der direkten Kontrolle des Präsidenten Meles Zenawi untersteht, habe bereits begonnen, zehn neue Zuckerfabriken zu errichten, sechs davon in der Omo-Region.

Zu den wichtigsten Finanziers dieser Pläne, das Land zum globalen Zuckerbaron zu machen, gehört die Indian Export-Import Bank, die Kredite in Höhe von 640 Millionen US-Dollar bereit stellt. Aber auch die USA, die Europäische Union und Großbritannien, die Äthiopien nicht zuletzt wegen seiner geostrategischen Lage am Horn von Afrika und der - auf Repression gründenden – politischen Stabilität großzügig unterstützen, finanzieren diese Entwicklung mit. (5.000 Zeichen)

Siehe dazu auch den Beitrag "Äthiopien: Wasser für Entwicklung": Download (pdf-Datei 182 kb)